Vom Dienstmädchen zur Vertrauten des Adels
Lady Emma Hamilton zählte zu den mondänsten Frauen des 18. Jahrhunderts. In einfachsten Verhältnissen geboren, verzückte sie den Neapolitaner Hochadel, verzauberte Goethe, verführte den Seehelden Lord Nelson - um dann umso tiefer zu fallen. Sie starb vor 200 Jahren.
"Im Moment porträtieren mich hier zwei Künstler. Ein Bild ist fertig. Es zeigt eine Bachantin mit Turban und türkischem Kleid. Das andere stellt mich mit schwarzem Hut mit Federn und blauseidenem Kleid dar ..."
... schrieb Emma Hart 1786 aus Neapel an ihren einstigen Geliebten Sir Charles Greville. Die künftige Lady Hamilton galt als eine der schönsten und skandalumwittertsten Frauen ihrer Zeit.
Lady Emma Hamilton wurde 1765 als Amy Lyon in Ness, einem kleinen Ort im Nordwesten Englands, in einfachsten Verhältnissen geboren. Mit 13 Jahren wurde sie Dienstmädchen. Ein Jahr später zog sie mit ihrer Mutter nach London, landete im Haus einer Kupplerin und wurde Mätresse einiger Adliger. Dann bot Sir Charles Greville der schwangeren 16-Jährigen an, sie bei sich aufzunehmen.
"Solltest du dich in meinen Schutz begeben, wirst du sehr zurückgezogen leben müssen. ... Du wirst auch einen anderen Namen annehmen müssen."
Aus Amy Lyon wurde Emma Hart, die Greville nach seinen Vorstellungen erzog, und die durch ihre feinen, klassischen Gesichtszüge auffiel. Doch bald war der Adlige ihrer überdrüssig.
"Solltest du keine Ehefrau suchen, wäre die Teeserviererin ideal für dich", schrieb er an seinen Onkel Sir William Hamilton. Der britische Gesandte in Neapel sammelte Kunst, begeisterte sich für die gerade wiederentdeckte Antike, und hatte Emma Harts Schönheit bereits in London bewundert.
"Die Aussicht, einen solch entzückenden Gegenstand unter meinem Dach zu haben, erfüllt mich schon im Voraus mit Freude", antwortete er Greville. Ohne von dem Geschacher zu wissen, reiste Emma Hart im April 1786 nach Neapel, Hauptstadt eines Jahrhunderte alten Königreiches.
"Sie ist sehr schön und wohlgebaut", schrieb Goethe
In Hamiltons Palast trafen sich Intellektuelle, Kunstsammler und Adlige. Die extrovertierte junge Frau blühte auf. Sie organisierte rauschende Feste, auf denen sie Lieder sang und ihre "Attitüden" vorführte - kleine Szenen, in denen sie antike Figuren nachstellte.
"Sie ist sehr schön und wohlgebaut", schrieb Johann Wolfgang von Goethe 1787 in seiner "Italienischen Reise" über eine Aufführung, die er in Neapel erlebte.
"(Hamilton) hat ihr ein griechisches Gewand machen lassen, dass sie trefflich kleidet, dazu löst sie ihre Haare auf, nimmt ein paar Schals, macht eine Abwechslung von Stellungen, Gebärden, Mienen und so weiter, dass man zuletzt wirklich meint, man träume."
Mit der Aufklärung lockerten sich auch die Sitten und Emma Hart wurde zum Mittelpunkt der neapolitanischen Gesellschaft. 1791 heiratete der 60-jährige Botschafter seine 26-jährige Mätresse. Und sie erhielt nun im Königreich Neapel Zugang zu den höchsten Adelskreisen und wurde Vertraute der Königin. An Greville schrieb sie:
"Ich spaziere jeden Abend durch die Villa Reale und habe im Allgemeinen zwei Fürsten, zwei oder drei weitere Adlige, den britischen Vertreter und den König in meiner Nähe."
Neapel galt als Hort der Reaktion. Und so bereiteten die Herrschenden panisch ihre Flucht nach Sizilien vor, als sich 1798 napoleonische Truppen der Stadt näherten.
"In den sechs Nächten vor der Einschiffung packte ich unsere eigenen Dinge und transferierte die Juwelen, das Geld und die beweglichen Güter der königlichen Familie an Bord der 'Vagabund'. Dabei lebte ich in steter Furcht, vom Mob - der unsere Abreise zu ahnen schien - in Stücke gerissen zu werden."
Zu dieser Zeit begann Emma Hamiltons legendäre Affäre mit dem einarmigen, einäugigen und verheirateten Seehelden Lord Nelson. Als im Jahr 1800 der mittlerweile 70-jährige Sir Hamilton nach London zurückbeordert wurde, setzten seine Frau und Nelson dort ihre Liebesbeziehung fort. Der britische Adel reagierte empört auf die Ménage à trois. Schon in Wien, wo die drei auf dem Weg nach England beim Fürsten Esterhazy Station machten, notierte ein britischer Diplomat:
"Lady Hamilton ist zweifellos die ungehobeltste, peinlichste und unangenehmste Frau, die mir jemals begegnet ist."
Der Stern Emma Hamiltons war am Sinken. Nachdem ihr Mann und Nelson innerhalb von zwei Jahren starben, begann 1805 auch ihr sozialer Abstieg: Sie machte Schulden, landete kurz im Schuldgefängnis, und floh 1814 mit ihrer Tochter nach Calais, wo sie am 15. Januar 1815 im Alter von 49 Jahren an Leberzirrhose starb.