Lächeln verdeckt das vergangene Leid
Gefühle von Hass und Rache überwinden lernen - das ist ein Ziel der buddhistischen Lehre. Vielen Kambodschanern, die die Schreckensherrschaft der Roten Khmer miterlebt haben, fällt das schwer. In der Welt der Religionen suchen sie Halt und das Vergessen.
Motorräder, Straßenverkäufer, Kinder und ein paar Bettler - auf den ersten Blick ist dies der ganz normale Alltag vor einer Schule mitten in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. In den Schatten spendenden Bäumen einer kleinen Parkanlage breitet sich Vogelgezwitscher aus. Aber die Idylle täuscht.
Über dem Eingang des Campus steht heute nicht mehr Highschool, sondern "Toul Sleng Völkermord - Museum". Am Ticketschalter hängt ein Plakat, auf dem ein lachendes Gesicht mit dicken roten Strichen übermalt ist: Lachen ist hier unerwünscht. Denn Toul Sleng ist ein Ort des Grauens, das schlimmste Folterzentrum der Roten Khmer in den 70er Jahren.
"Ich bin mit meiner Schulklasse her gekommen, um zu erfahren, wie gewalttätig die Roten Khmer waren und was sie mit ihren Gefangenen gemacht haben. Wir sammeln auch Material und Fotos für die Schule",
erzählt bereitwillig ein 16-jähriger Gymnasiast, bevor er mit anderen Jugendlichen kichernd und schubsend im nächsten Klassenraum verschwindet. Es ist einer der Räume, in denen die Gefangenen an nackte Eisenbetten gefesselt und zu Tode geprügelt wurden. Alte Fotos davon hängen an der Wand, die Folterwerkzeuge liegen auf dem Bett, wie zufällig abgelegt.
Während der knapp vierjährigen Herrschaft der Roten Khmer - von 1975 bis 1979 - kamen bis zu zwei Millionen Menschen um, etwa ein Viertel der Bevölkerung. Der Versuch von Pol Pot und seiner Führungsriege, in Kambodscha einen streng maoistischen Bauernstaat einzuführen, endete in einem Desaster. Sie schafften Schulen ab, Geld und Privatbesitz, sie verboten Religion, Bildung und Kultur, und zerstörten Ämter, Pagoden und Kirchen.
Viele Menschen starben an Hunger und den Strapazen der Landarbeit, andere wurden als Verräter hingerichtet und in Massengräbern verscharrt, den Killing Fields.
Von rund 15.000 Häftlingen in Toul Sleng überlebten nur sieben. Einer von ihnen ist der heute 78-jährige Handwerker Chum Mei:
"Ich wurde damals in einer sehr kleinen Einzelzelle gefangen gehalten, nackt bis auf die Unterhose. Ich habe viel gebetet, habe meine Hände zum Kopf gehoben und zu meinem Gott gebetet, mir zu helfen. Wenn ich überleben würde, wollte ich das nie vergessen."
Beim Erzählen hebt der alte Mann, der früher eine zeitlang Mönch war, die Hände zum Gebet wie damals im Gefängnis. Bis heute sind die Einzelzellen der Häftlinge in den Klassenräumen von Toul Sleng fast unverändert: Stickige gemauerte oder hölzerne Verschläge mit nacktem Steinboden und einer Blechkiste als Klo. Man mag kaum einen Schritt hineintun, aus Angst, die Tür könnte zufallen, und die grausige Vergangenheit wecken.
Chum Mei hat trotz Folterungen überlebt, denn er hat die 37 Nähmaschinen des Gefängnisses gewartet, auf denen Soldatenkleidung genäht wurde. Sein Freund Bou Meng blieb am Leben, weil er als Künstler Porträts von Pol Pot gemalt hat. Beide haben jetzt den Mut aufgebracht, als Nebenkläger beim Khmer Rouge-Tribunal aufzutreten, erzählt Chum Mei.
"Viele von denen, die im Toul Sleng-Gefängnis gestorben sind, waren meine Freunde. Ich träume von ihnen. Sie fordern mich auf, vor Gericht zu gehen, und sagen: Nur du kannst für uns jetzt noch Gerechtigkeit einfordern, für dich und für uns. Oft kann ich nachts nicht schlafen. Ich träume von all der Folter und dem Morden und dann rollen meine Tränen unaufhaltsam."
Andreas Selmeci: "Ich denke, dass die Religion für viele Menschen hier Halt bietet. Weil für die Buddhisten die Überwindung von Gefühlen des Hasses - Gefühlen der Rache - wichtig ist, weil es ihr Karma, ihre Seele belastet. Das sagen viele Menschen. Dass das für sie der einzige Weg war, über die Schrecken bis heute hinweg zu kommen."
Andreas Selmeci (sprich: Sélmetschi) leitet für den Deutschen Entwicklungsdienst DED ein Programm zu Gerechtigkeit und Versöhnung in Kambodscha. Das Expertenteam begleitet Opfer der Diktatur wie Chum Mei und Bou Meng juristisch, aber auch therapeutisch. Denn ihre Entscheidung als Nebenkläger öffentlich aufzutreten, hat alte Wunden neu aufgerissen.
So wie das Tribunal mit seiner weltweiten Presseresonanz insgesamt an die kollektiven Wunden der Gesellschaft rührt. Seit November 2007 finden erste Anhörungen statt, ab Herbst 2008 sollen die Hauptverhandlungen beginnen. Die Psychologin Judith Strasser vom DED ist vorsichtig mit der Prognose:
"Ich denke, das ist ein Balanceakt. Es ist eine Chance, und es ist gleichzeitig ein Risiko. Heilung im Sinne von einem therapeutischen Prozess findet nicht innerhalb von einem Gericht statt. Ich denke, dass sich solche Prozesse ergänzen können, aber es ist nicht automatisch Heilung."
"Gerechtigkeit kann Heilung fördern", heißt es in der Traumatherapie. Neben der Welt der Paragrafen im Tribunal suchen viele Menschen in Kambodscha Heilung auch in der Welt der Religionen.
Auf dem Vorplatz einer Pagode: Ein kleiner, reich geschmückter Altar mit Buddhafigur und Musikanlage. Vor allem Frauen kommen und gehen, sie legen Geld in die Schale der Mönche, zünden Räucherstäbchen an und sitzen barfuß auf einer Bastmatte zum Gebet. Von 50.000 Mönchen und Nonnen überlebten nur etwa 3000 die Verfolgung der Roten Khmer, zahllose Klöster und Pagoden wurden zerstört, als Schweinestall oder Munitionslager benutzt.
Heute ist der Buddhismus Staatsreligion, viele Gebäude wurden prächtig neu hergerichtet und eine wachsende Zahl orange gekleideter Mönche gehört wieder zum Alltag in Kambodscha. Ebenso wie ihre Lehren.
Ein buddhistischer Lehrer in Khmer: "Die Menschen hier im Dorf, die unter der Khmer Rouge-Zeit gelitten haben, reden darüber, auch über ihre Rachegefühle gegenüber denjenigen, die ihre Angehörigen getötet haben. Aber hier in der Pagode lehren wir sie, innerlich zur Ruhe zu kommen und keine Rachegedanken zu verfolgen. Sie müssen lernen sich dieser Gefühle zu entledigen, sonst finden sie keinen inneren Frieden."
Religion und Kommunalpolitik gehen in der Pagode des Dorfes Kampong Seila wie in vielen Dörfern Hand in Hand. Eu Phann etwa, lange Jahre Mönch und heute buddhistischer Lehrer (Achar), nutzt seine prominente Stellung auch, um Konflikte beizulegen. Die Kritik aus der Khmer Rouge-Zeit ist unvergessen: Der Buddhismus mit seiner selbstbezogenen Innerlichkeit, so hieß es damals, habe es versäumt rechtzeitig Widerstand zu mobilisieren. Mittlerweile engagieren sich die Mönche stärker für soziale Fragen, Bildung oder Menschenrechte.
Der Buddhismus hat eben seine eigene Art der Heilung, meint der französische Priester Francois Ponchaud, der schon 1965 ins Land kam:
"Nach christlichem Verständnis können wir nur dann von Versöhnung sprechen, wenn Menschen einander vergeben. Aber in der Kultur des Buddhismus gibt es keine Vergebung, die aus einer Beziehung zu Gott kommt. (...) Vor allem auf dem Land leben Mörder und Opfer dicht nebeneinander, sie ignorieren sich einfach. Und sie haben immer ein Lächeln auf dem Gesicht, das ist wie eine Maske, die die wahren Gefühle verbirgt ."
Francois Ponchaud ist einer der bekanntesten Katholiken in Kambodscha und spricht fließend Khmer. "Dies ist mein Land", sagt er liebevoll, bei aller Kritik. Nach der Machtübernahme der Roten Khmer 1975 verließ er als letzter Ausländer die französische Botschaft und veröffentliche in Paris als Erster ein Aufsehen erregendes Buch über die Terrorherrschaft Pol Pots.
Heute ist er ein heftiger Kritiker des UN-Tribunals, weil nur fünf Verantwortliche auf der Anklagebank sitzen, nicht aber Staaten wie die USA, China oder Vietnam, die deren Aufstieg ermöglicht haben.
"Es ist internationales Unrecht, das da geschieht", wettert der grauhaarige Pater Ponchaud. Aber für ehemalige Folteropfer wie Chum Mei und Bou Meng spielt diese Sichtweise kaum eine Rolle, ebenso wie für den knapp 60- jährigen Mediziner Eang Chhaun. Er leistete jahrelang Zwangsarbeit auf den Reisfeldern, mehrere Mitglieder seiner streng buddhistischen Familie wurden getötet. Mit 25 wurde Eang Chhaun Christ und später Pfarrer. Heute ist er Präsident des kleinen Kambodschanischen Christenrates (KCC), einem Mitglied des Weltkirchenrates in Genf:
"Das Tribunal ist außerordentlich wichtig. Wir dürfen die Vergangenheit nicht auslöschen, denn die junge Generation muss unsere Geschichte doch auch begreifen und ihre Lektion über Nationalismus lernen. Wir vergeben den Tätern, aber vergessen können wir nicht. Es geht nicht um Rache, sondern darum die Herzen weiter zu entwickeln."
Sie wollen keine Rache, sondern endlich Gerechtigkeit, darin sind sich die öffentlich auftretenden Opfer der Terrorherrschaft in Kambodscha einig, egal ob Buddhisten oder Christen. Viele andere werden jedoch weiterhin vergangenes Leid hinter einem Lächeln verbergen, unberührt vom Tribunal in der Hauptstadt Phnom Penh.
Über dem Eingang des Campus steht heute nicht mehr Highschool, sondern "Toul Sleng Völkermord - Museum". Am Ticketschalter hängt ein Plakat, auf dem ein lachendes Gesicht mit dicken roten Strichen übermalt ist: Lachen ist hier unerwünscht. Denn Toul Sleng ist ein Ort des Grauens, das schlimmste Folterzentrum der Roten Khmer in den 70er Jahren.
"Ich bin mit meiner Schulklasse her gekommen, um zu erfahren, wie gewalttätig die Roten Khmer waren und was sie mit ihren Gefangenen gemacht haben. Wir sammeln auch Material und Fotos für die Schule",
erzählt bereitwillig ein 16-jähriger Gymnasiast, bevor er mit anderen Jugendlichen kichernd und schubsend im nächsten Klassenraum verschwindet. Es ist einer der Räume, in denen die Gefangenen an nackte Eisenbetten gefesselt und zu Tode geprügelt wurden. Alte Fotos davon hängen an der Wand, die Folterwerkzeuge liegen auf dem Bett, wie zufällig abgelegt.
Während der knapp vierjährigen Herrschaft der Roten Khmer - von 1975 bis 1979 - kamen bis zu zwei Millionen Menschen um, etwa ein Viertel der Bevölkerung. Der Versuch von Pol Pot und seiner Führungsriege, in Kambodscha einen streng maoistischen Bauernstaat einzuführen, endete in einem Desaster. Sie schafften Schulen ab, Geld und Privatbesitz, sie verboten Religion, Bildung und Kultur, und zerstörten Ämter, Pagoden und Kirchen.
Viele Menschen starben an Hunger und den Strapazen der Landarbeit, andere wurden als Verräter hingerichtet und in Massengräbern verscharrt, den Killing Fields.
Von rund 15.000 Häftlingen in Toul Sleng überlebten nur sieben. Einer von ihnen ist der heute 78-jährige Handwerker Chum Mei:
"Ich wurde damals in einer sehr kleinen Einzelzelle gefangen gehalten, nackt bis auf die Unterhose. Ich habe viel gebetet, habe meine Hände zum Kopf gehoben und zu meinem Gott gebetet, mir zu helfen. Wenn ich überleben würde, wollte ich das nie vergessen."
Beim Erzählen hebt der alte Mann, der früher eine zeitlang Mönch war, die Hände zum Gebet wie damals im Gefängnis. Bis heute sind die Einzelzellen der Häftlinge in den Klassenräumen von Toul Sleng fast unverändert: Stickige gemauerte oder hölzerne Verschläge mit nacktem Steinboden und einer Blechkiste als Klo. Man mag kaum einen Schritt hineintun, aus Angst, die Tür könnte zufallen, und die grausige Vergangenheit wecken.
Chum Mei hat trotz Folterungen überlebt, denn er hat die 37 Nähmaschinen des Gefängnisses gewartet, auf denen Soldatenkleidung genäht wurde. Sein Freund Bou Meng blieb am Leben, weil er als Künstler Porträts von Pol Pot gemalt hat. Beide haben jetzt den Mut aufgebracht, als Nebenkläger beim Khmer Rouge-Tribunal aufzutreten, erzählt Chum Mei.
"Viele von denen, die im Toul Sleng-Gefängnis gestorben sind, waren meine Freunde. Ich träume von ihnen. Sie fordern mich auf, vor Gericht zu gehen, und sagen: Nur du kannst für uns jetzt noch Gerechtigkeit einfordern, für dich und für uns. Oft kann ich nachts nicht schlafen. Ich träume von all der Folter und dem Morden und dann rollen meine Tränen unaufhaltsam."
Andreas Selmeci: "Ich denke, dass die Religion für viele Menschen hier Halt bietet. Weil für die Buddhisten die Überwindung von Gefühlen des Hasses - Gefühlen der Rache - wichtig ist, weil es ihr Karma, ihre Seele belastet. Das sagen viele Menschen. Dass das für sie der einzige Weg war, über die Schrecken bis heute hinweg zu kommen."
Andreas Selmeci (sprich: Sélmetschi) leitet für den Deutschen Entwicklungsdienst DED ein Programm zu Gerechtigkeit und Versöhnung in Kambodscha. Das Expertenteam begleitet Opfer der Diktatur wie Chum Mei und Bou Meng juristisch, aber auch therapeutisch. Denn ihre Entscheidung als Nebenkläger öffentlich aufzutreten, hat alte Wunden neu aufgerissen.
So wie das Tribunal mit seiner weltweiten Presseresonanz insgesamt an die kollektiven Wunden der Gesellschaft rührt. Seit November 2007 finden erste Anhörungen statt, ab Herbst 2008 sollen die Hauptverhandlungen beginnen. Die Psychologin Judith Strasser vom DED ist vorsichtig mit der Prognose:
"Ich denke, das ist ein Balanceakt. Es ist eine Chance, und es ist gleichzeitig ein Risiko. Heilung im Sinne von einem therapeutischen Prozess findet nicht innerhalb von einem Gericht statt. Ich denke, dass sich solche Prozesse ergänzen können, aber es ist nicht automatisch Heilung."
"Gerechtigkeit kann Heilung fördern", heißt es in der Traumatherapie. Neben der Welt der Paragrafen im Tribunal suchen viele Menschen in Kambodscha Heilung auch in der Welt der Religionen.
Auf dem Vorplatz einer Pagode: Ein kleiner, reich geschmückter Altar mit Buddhafigur und Musikanlage. Vor allem Frauen kommen und gehen, sie legen Geld in die Schale der Mönche, zünden Räucherstäbchen an und sitzen barfuß auf einer Bastmatte zum Gebet. Von 50.000 Mönchen und Nonnen überlebten nur etwa 3000 die Verfolgung der Roten Khmer, zahllose Klöster und Pagoden wurden zerstört, als Schweinestall oder Munitionslager benutzt.
Heute ist der Buddhismus Staatsreligion, viele Gebäude wurden prächtig neu hergerichtet und eine wachsende Zahl orange gekleideter Mönche gehört wieder zum Alltag in Kambodscha. Ebenso wie ihre Lehren.
Ein buddhistischer Lehrer in Khmer: "Die Menschen hier im Dorf, die unter der Khmer Rouge-Zeit gelitten haben, reden darüber, auch über ihre Rachegefühle gegenüber denjenigen, die ihre Angehörigen getötet haben. Aber hier in der Pagode lehren wir sie, innerlich zur Ruhe zu kommen und keine Rachegedanken zu verfolgen. Sie müssen lernen sich dieser Gefühle zu entledigen, sonst finden sie keinen inneren Frieden."
Religion und Kommunalpolitik gehen in der Pagode des Dorfes Kampong Seila wie in vielen Dörfern Hand in Hand. Eu Phann etwa, lange Jahre Mönch und heute buddhistischer Lehrer (Achar), nutzt seine prominente Stellung auch, um Konflikte beizulegen. Die Kritik aus der Khmer Rouge-Zeit ist unvergessen: Der Buddhismus mit seiner selbstbezogenen Innerlichkeit, so hieß es damals, habe es versäumt rechtzeitig Widerstand zu mobilisieren. Mittlerweile engagieren sich die Mönche stärker für soziale Fragen, Bildung oder Menschenrechte.
Der Buddhismus hat eben seine eigene Art der Heilung, meint der französische Priester Francois Ponchaud, der schon 1965 ins Land kam:
"Nach christlichem Verständnis können wir nur dann von Versöhnung sprechen, wenn Menschen einander vergeben. Aber in der Kultur des Buddhismus gibt es keine Vergebung, die aus einer Beziehung zu Gott kommt. (...) Vor allem auf dem Land leben Mörder und Opfer dicht nebeneinander, sie ignorieren sich einfach. Und sie haben immer ein Lächeln auf dem Gesicht, das ist wie eine Maske, die die wahren Gefühle verbirgt ."
Francois Ponchaud ist einer der bekanntesten Katholiken in Kambodscha und spricht fließend Khmer. "Dies ist mein Land", sagt er liebevoll, bei aller Kritik. Nach der Machtübernahme der Roten Khmer 1975 verließ er als letzter Ausländer die französische Botschaft und veröffentliche in Paris als Erster ein Aufsehen erregendes Buch über die Terrorherrschaft Pol Pots.
Heute ist er ein heftiger Kritiker des UN-Tribunals, weil nur fünf Verantwortliche auf der Anklagebank sitzen, nicht aber Staaten wie die USA, China oder Vietnam, die deren Aufstieg ermöglicht haben.
"Es ist internationales Unrecht, das da geschieht", wettert der grauhaarige Pater Ponchaud. Aber für ehemalige Folteropfer wie Chum Mei und Bou Meng spielt diese Sichtweise kaum eine Rolle, ebenso wie für den knapp 60- jährigen Mediziner Eang Chhaun. Er leistete jahrelang Zwangsarbeit auf den Reisfeldern, mehrere Mitglieder seiner streng buddhistischen Familie wurden getötet. Mit 25 wurde Eang Chhaun Christ und später Pfarrer. Heute ist er Präsident des kleinen Kambodschanischen Christenrates (KCC), einem Mitglied des Weltkirchenrates in Genf:
"Das Tribunal ist außerordentlich wichtig. Wir dürfen die Vergangenheit nicht auslöschen, denn die junge Generation muss unsere Geschichte doch auch begreifen und ihre Lektion über Nationalismus lernen. Wir vergeben den Tätern, aber vergessen können wir nicht. Es geht nicht um Rache, sondern darum die Herzen weiter zu entwickeln."
Sie wollen keine Rache, sondern endlich Gerechtigkeit, darin sind sich die öffentlich auftretenden Opfer der Terrorherrschaft in Kambodscha einig, egal ob Buddhisten oder Christen. Viele andere werden jedoch weiterhin vergangenes Leid hinter einem Lächeln verbergen, unberührt vom Tribunal in der Hauptstadt Phnom Penh.