Länderfinanzausgleich: CSU bekräftigt Willen zur Verfassungsklage

Philipp Graf von und zu Lerchenfeld im Gespräch mit André Hatting |
Die CSU ist entschlossen, wegen des Länderfinanzausgleichs notfalls auch ohne Hessen vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Eine solche Klage sei dringend notwendig, um den Druck auf die Nehmerländer zu erhöhen, sagte der finanzpolitische Sprecher der CSU im Bayerischen Landtag, Philipp Graf von und zu Lerchenfeld.
Philipp Graf von und zu Lerchenfeld im Gespräch mit André Hatting

André Hatting: Die Landesgruppe der CSU hat ihre Klausur in Wildbad Kreuth beendet - mit klaren Ansagen: Lebensleistungsrente kommt nicht mehr in Frage, und gegen den Länderfinanzausgleich will man sogar vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Parteichef Seehofer und seine Berliner Kollegen gehen kämpferisch in das Wahljahr.

Heute beginnt in Kreuth die Klausur der CSU-Landtagsfraktion, mit dabei Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, er ist finanzpolitischer Sprecher der CSU im bayrischen Landtag. Guten Morgen, Graf Lerchenfeld!

Philipp Graf von und zu Lerchenfeld: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Sind Sie, wie Ihr Parteichef, nach wie vor von einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich überzeugt?

Lerchenfeld: Ja, ich glaube, dass eine Klage ganz dringend notwendig ist, damit wir einerseits den Druck erhöhen auf die Länder, zu neuen Verhandlungen zusammenzukommen, und auf der anderen Seite, dass wir auch eventuell vom Verfassungsgericht klare Linien vorgegeben werden, wie wir den Länderfinanzausgleich in Zukunft entwickeln sollten.

Hatting: Bayer, Hessen und Baden-Württemberg, das zum Hintergrund, sind die größten Geber. Aber Baden-Württemberg zum Beispiel hat bereits erklärt, dass es nicht klagen wolle, sondern lieber verhandeln möchte. Warum wollen Sie klagen?

Lerchenfeld: Das zentrale Thema ist dabei, dass wir seit Monaten, seit Jahren eigentlich darauf warten, dass wir bei den Verhandlungen zu einem Ergebnis kommen. Und wir sind nicht einmal so weit gekommen, dass wir zu einer, ich sag mal, Tagesordnung übergehen können, wo wir die Probleme besprechen. Wir brauchen deswegen einen erhöhten Druck, damit die Nehmerländer endlich auch bereit sind, wirklich mit uns in Verhandlungen zu treten.

Hatting: Aber sie versuchen doch, mit Ihnen schon zu verhandeln.

Lerchenfeld: Ja, aber es kommt zu keinem Ergebnis. Seit Monaten ist eigentlich Stillstand, und ich glaube, das kann man einfach nicht hinnehmen.

Hatting: Würde Bayern auch allein klagen, wenn bei dem Treffen mit den Kollegen aus Hessen am 5. Februar auch Wiesbaden sagt, nein, wir machen nicht mehr mit?

Lerchenfeld: Ich gehe davon aus, dass Bayern dann auch allein klagen wird. Denn es haben so zentrale Interessen, die hier berührt sind, dass wir da wirklich weiterkommen müssen und vorwärtskommen müssen.

Hatting: Graf Lerchenfeld, Sie schielen jetzt so ein bisschen auf das Bundesverfassungsgericht und erhoffen sich Klarheit, haben Sie gesagt. Aber nach der ersten Klage Bayerns und anderer Bundesländer und im Urteil von 1999 hat das Bundesverfassungsgericht ganz klar gesagt, es könne nicht abschließend über den Länderfinanzausgleich befinden, das sei Sache des Gesetzgebers. Warum setzen Sie trotzdem auf das Bundesverfassungsgericht?

Lerchenfeld: Das Bundesverfassungsgericht hat damals ganz klare Rahmen auch vorgegeben, in welchem sich der Bundesgesetzgeber bewegen soll. Und wir hoffen natürlich, dass hier auch wieder entsprechende Rahmen vorgegeben werden, damit wir zu einer gerechteren Lösung kommen, wie es im Moment ist.

Hatting: Das aktuelle Gesetz, den aktuellen Rahmen, den Sie angesprochen haben, der stammt aus dem Jahr 2001, ich zitiere: "Bayern, aber auch alle Länder und der Bund können mit dem Ergebnis höchst zufrieden sein." Das hat Edmund Stoiber gesagt, damals bayerischer Ministerpräsident. Warum sind Sie jetzt unzufrieden?

Lerchenfeld: Ja, damals war eine andere Situation. Wir hatten damals noch mehr Geberländer. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beziehungsweise Hamburg sind heute die Einzigen, die heute noch in den Länderfinanzausgleich einzahlen, und die Hoffnung, dass Nehmerländer zu Geberländern werden, hat sich leider Gottes zerschlagen, und mittlerweile zahlen wir in Bayern mehr als die Hälfte des gesamten Länderfinanzausgleichs. Und das kann wohl nicht so sein.

Hatting: Sind Sie dafür, den Länderfinanzausgleich komplett abzuschaffen?

Lerchenfeld: Nein. Ich glaube, es ist auch unter dem Gesichtspunkt der Solidarität der Länder untereinander, ist es sicherlich notwendig, dass wir den Länderfinanzausgleich weiter aufrechterhalten. Nur, er muss verändert werden, ganz dringend.

Hatting: Das heißt konkret, Bayern soll weniger zahlen?

Lerchenfeld: Das heißt konkret, es sollen größere Anreize geschaffen werden für die Länder, die heute Nehmerländer sind, sich zu Geberländern zu entwickeln. Schauen Sie, die Kollegen aus Thüringen zum Beispiel haben uns ein Beispiel genannt: Die haben gesagt, wenn wir so viele Steuereinnahmen einnehmen würden wie Bayern, dann würden – das wären zwei Milliarden mehr in Thüringen, dann würden uns davon letztendlich nur 200 Millionen übrig bleiben. Und das ist doch kein Anreiz, dass man sich anstrengt, eine positive Entwicklung zu durchlaufen.

Hatting: Thema zum Auftakt Ihrer Klausur heute ist auch, ich nenne mal den Titel, "Geschlossen erfolgreich kommunizieren – Tipps aus der Unternehmenskommunikation". Welchen Tipp haben Sie für Horst Seehofer?

Lerchenfeld: Ach, ich glaube, er braucht keine Tipps, er kommuniziert ja sehr eindeutig immer wieder. Nein, ich glaube ernsthaft, es wird sicherlich darauf ankommen, dass wir in den nächsten Monaten eine Geschlossenheit nach außen demonstrieren, die wir innerlich schon lange haben. Und das müssen wir einfach auch in unseren Worten und unseren Taten nachvollziehen.

Hatting: Ja, genau das tut Horst Seehofer aber nicht. Er greift immer wieder die Führungsspitze in der CSU an, auch Markus Söder, den Finanzminister, mit dem Sie eng zusammenarbeiten. Was soll das?

Lerchenfeld: Ja, ich arbeite gerne und eng mit Markus Söder zusammen, weil er ein ausgesprochener Fachmann ist und sehr fleißig ist, sehr gut arbeitet. Und ich glaube, dass er auch in Zukunft eine unserer großen Hoffnungen ist.

Hatting: Das haben Sie auch so klar gesagt. Trotzdem fällt auf, dass innerhalb der CSU sich wenige so klar gegen Horst Seehofer stellen, wenn der mal wieder, ich sag mal salopp, lospoltert.

Lerchenfeld: Na ja, wissen Sie, es ist halt schön, ein unabhängiger Abgeordneter zu sein, so wie das Gesetz und das Grundgesetz es vorschreiben.

Hatting: Das heißt, alle anderen sind abhängig?

Lerchenfeld: Nein. So weit würde ich nicht gehen, aber ich glaube, dass man doch auch relativ unabhängig sein kann.

Hatting: Ich habe unser Gespräch mit dem Hinweis auf das Wahljahr begonnen. Wie groß ist Ihre Motivation, an der Seite eines Parteivorsitzenden zu kämpfen, der seine Führungsmannschaft regelmäßig beleidigt?

Lerchenfeld: Also meine Motivation für den Wahlkampf ist sehr hoch. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, dass wir unsere gute Sachpolitik auch durch eine entsprechende Menge an Stimmen, an Wählerstimmen weiter fortführen können. Letztendlich geht es im Wesentlichen nicht immer nur um Personen, sondern es geht um Inhalte und um die Richtung, die wir in Bayern entwickeln und natürlich auch Deutschland.

Hatting: Und für diese Richtung ist Horst Seehofer der richtige Mann?

Lerchenfeld: Für die Richtung ist Horst Seehofer unser Repräsentant, ja.

Hatting: Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, Haushaltsexperte der CSU-Landtagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch!

Lerchenfeld: Danke Ihnen!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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