Kommission statt Gericht
Hamburgs Finanzsenator Tschentscher befürwortet eine Föderalismuskommission, um den Länderfinanzausgleich neu zu regeln. Verhandlungen seien klüger, als vor Gericht zu ziehen.
Ute Welty: Koalition und Opposition sind das eine, Bund und Länder das andere - und wenn es um das liebe Geld geht, dann ist ein jeder sich selbst immer noch der nächste, und nicht der Parteifreund, will sagen: Die Neuordnung der Finanzbeziehungen wird mit harten Bandagen ausgefochten. Die Ministerpräsidenten der Länder gehen dafür heute schon mal ins Trainingslager, um unter sich Gelände und Positionen zu sondieren. Natürlich ist auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz dabei, währenddessen Finanzsenator Peter Tschentscher mit uns spricht. Guten Morgen nach Hamburg!
Peter Tschentscher: Guten Morgen!
Welty: Was haben Sie denn Ihrem Chef mitgegeben an Wünschen, Empfehlungen oder auch Warnungen?
Wir brauchen einen "vernünftigen Gesamtausgleich"
Tschentscher: Ach, unser Chef weiß schon sehr genau, was die Interessen Hamburgs sind und er wird sie sehr vernünftig vertreten im Zusammenhang mit allen anderen Interessen der Länder, denn wir sind ja der Meinung: Am klügsten ist es, dass man sich vernünftig zusammensetzt und ein Gesamtpaket verhandelt, sodass alle gut mit ihren Ländern, in ihren Länderhaushalten arbeiten können. Was wir nicht so gut finden, ist, dass sich Einzelinteressen dann plötzlich vor Gericht wiederfinden. Das muss also zu einem vernünftigen Gesamtausgleich kommen und dazu haben wir auch einige Vorschläge.
Welty: Die da lauten?
Tschentscher: Eine wichtige Frage für die Stadtstaaten ist, dass man anerkennt, dass wir in einer etwas anderen Lage sind als die Flächenländer. Es gibt viele Effekte im Länderfinanzausgleich, die die Stadtstaaten benachteiligen, und nur einen, der ihnen besonders zugute kommt, das ist die sogenannte Einwohnerwertung, und die darf keinesfalls infrage gestellt werden, jedenfalls nicht ohne einen vernünftigen Ausgleich in anderen Zusammenhängen.
Welty: Sie haben auf den Unterschied zwischen Stadtstaat und Flächenland hingewiesen, es gibt aber auch große Unterschiede zwischen den Stadtstaaten, also da steht Hamburg weit besser da als Berlin oder Bremen. Warum ist das so?
Tschentscher: Na ja, das scheint von Weitem etwas so, als würde Hamburg nun sehr viel besser dastehen. Wir sind eben die wirtschaftsstärkste Region Deutschlands und haben insofern auch vom Steueraufkommen her den größten Betrag von 50 Milliarden Euro. Für unser relativ Staatsgebiet ist das ein sehr großer Anteil, der aber überwiegend dann dem Bund und anderen Ländern zugute kommt, und die Infrastrukturinvestitionen, die für diese Wirtschaftskraft erforderlich sind, in den Hafen, in die Verkehrssysteme und viele andere Infrastruktur, …
Welty: In die Elbphilharmonie?
Tschentscher: Nein, die Elbphilharmonie ist ja - auch wenn sie ein sehr schönes Projekt ist, das leider sehr teuer geworden ist - nicht der Kernpunkt. Wir geben jedes Jahr viele Millionen, hunderte an Millionen aus für unsere Straßen, insbesondere für die Elbvertiefung, für die Hafeninfrastruktur. Und das sind eben Voraussetzungen für die Wertschöpfung, die dann über Umsatzsteuer und andere Steuerarten wiederum ganz Deutschland zugute kommen. Das ist eine ähnliche Situation in Bremen, und insofern gibt es große Interessensübereinstimmungen zwischen Bremen und Hamburg im Länderfinanzausgleich. Es gibt aber auch Ähnlichkeiten zu Berlin, eine Stadt, die ja auch eine ähnlich große Metropolregion ist, und die insofern auch als Stadtstaat für andere Länder mit, für den Bund insgesamt Aufgaben wahrnimmt, die eben Flächenländer nicht kennen.
Welty: Das heißt, Sie stellen überhaupt nicht infrage, dass die Solidarität mit Berlin oder Bremen ja ein ganz wichtiges Element bei diesen Verhandlungen ist?
Tschentscher: Ja. Wir haben eine Solidarität aller Länder untereinander zu pflegen. Wir sind, Hamburg, Bremen und Berlin, ja auch gemeinsam mit weiteren acht anderen Bundesländern in einem Länderfinanzforum und haben gemeinsame Vorschläge entwickelt, bei denen sowohl westliche Flächenländer wie auch östliche Flächenländer wie eben die Stadtstaaten vernünftig gesagt haben: Darauf müssen wir achten. Und insofern haben diese elf Länder einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht, wie wir diese Verhandlungen zwischen den Ländern und mit dem Bund führen sollen, damit am Ende alle gut leben können, denn darum geht es ja, dass die Länder für ihre Aufgaben, genauso wie der Bund, eine ausreichende Finanzausstattung bekommen.
Welty: Wer Länderfinanzausgleich sagt, der muss auch Solidarpakt meinen. Wäre es nicht angebracht, die Idee aus Thüringen von einem Deutschlandfonds weiterzuverfolgen?
Solidaritätszuschlag für den Schuldenabbau
Tschentscher: Ja, es gibt sogar eine etwas genauere Idee, einen Vorschlag für die zukünftige Verwendung des Solidaritätszuschlags. Zunächst einmal ist eine Möglichkeit, diesen fortlaufend in die Einkommenssteuer einzubeziehen, sodass er dann gemeinsam Bund und Ländern zugute kommt, denn die Einkommenssteuer ist ja eine Gemeinschaftssteuer. Und es gibt noch einen weiteren Vorschlag unseres Ersten Bürgermeisters, diesen Solidaritätszuschlag über 2019, 2020 hinaus zu erheben und daraus die Altschulden der Länder zu tilgen, denn die belasten die Länderhaushalte sehr, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten durch eine unvernünftige Haushaltswirtschaft hohe Schulden aufgehäuft haben, die nicht nur durch die Schuldenbremse gestoppt werden müssen, sondern die irgendwann ja auch zu tilgen sind.
Welty: Sie sprechen jetzt vom Solidaritätszuschlag, gefragt hatte ich aber nach dem Solidarpakt.
Tschentscher: Ja, es gibt eine Reihe an Elementen zwischen ostdeutschen und westdeutschen Ländern, aber wir sagen eben: Man muss die gesamten Finanzbeziehungen einbeziehen in die Verhandlungen. Und da geht es um alle möglichen Elemente, die wir derzeit auch nicht unbedingt unter diesem Gesichtspunkt diskutieren. Die Ostländer haben zum Beispiel, jedenfalls in Mecklenburg-Vorpommern, ein demografisches Problem. Es gibt also eine Reihe an strukturellen Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte, die man einfach neu zusammenlegen und besprechen muss in einem Gesamtausgleich, und da kann man jetzt ganz schwierig ein einzelnes Element herausnehmen und sagen, nur dieses müssen wir jetzt in Zukunft anders machen, weil zugleich in vielen anderen Systemen auch Veränderungen eingetreten sind, die wir dann insgesamt zu berücksichtigen haben.
Welty: Laut Koalitionsvertrag soll eine Kommission dafür Sorge tragen, die Neuregelung in die Wege zu leiten. Heißt das, dass den Parteichefs diese Aufgabe, zu heiß ist?
Tschentscher: Nein, es ist am besten zu verhandeln von denjenigen, die ihre Probleme und ihre unmittelbaren Haushaltsfragen genau kennen. Man muss ja auch in jeder Einzelfrage sehr genau rechnen jeweils, und das können eben am besten die Länder als Länder und nicht Parteien, die nicht so dicht an diesen praktischen Themen auch dran sind. Insofern ist das schon beim letzten Mal so gewesen, dass hier die Länder miteinander gesprochen haben. Und es geht auch nicht um Parteigrenzen, es geht nicht darum, dass CDU, SPD, Grüne oder Linkspartei, andere grundsätzlich sozusagen sich gegenüberstehen, sondern es geht schon darum, dass hier Länderinteressen berührt sind, die dann die Parteigrenzen überschreiten. Und insofern ist eine solche Kommission eine gute Idee. Es wird aber im Hintergrund auch sehr viel dann von den Länderfinanzministerien bearbeitet werden. Und insgesamt ist es klüger, sich zusammenzusetzen und die Dinge zu verhandeln, als, wie Bayern und Hessen es gemacht haben, damit zu einem Gericht zu gehen, das diese Interessen auch nicht zum Ausgleich bringen kann, sondern dort wird dann plötzlich mit juristischen Methoden über Einzelfragen geredet, die uns aber insgesamt nicht weiterhelfen.
Welty: Und Sie glauben auch nach 24 Jahren im politischen Geschäft, dass eine Kommission es richten kann?
Von den Seehäfen und profitiert das ganze Land
Tschentscher: Nein, aber es war beim letzten Mal so, dass man dort am besten den Interessensausgleich abwägen kann. Es wird sicher dann am Ende auch ein bisschen Gerangel geben um die einzelnen Fragen, aber erfahrungsgemäß ist es klüger, sorgfältig die Argumente nebeneinanderzulegen und sich dann in einem gemeinsamen Interesse für Deutschland zu einer guten Lösung zu bewegen. Wir haben als Stadtstaaten einen großen Beitrag zu leisten durch unsere Wirtschaftskraft, wir sind mit Bremen und Hamburg zwei, die beiden bedeutenden Seehäfen für ganz Deutschland, und das sind Dinge, die dann auch der Wertschöpfung aller anderen zugute kommen, sodass es klug ist für alle, die Interessen Einzelner nicht zu übergehen, sondern zu sehen, dass wir dann auch ein gemeinsames Land sind, in dem die Arbeitsplätze, die Wertschöpfung miteinander zusammenhängt.
Welty: Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Ich danke hier in der „Ortszeit“ für diesen Einblick in die nicht unkomplizierte Gemengelage.
Tschentscher: Vielen Dank!
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