Lage auf Lampedusa "hat sich deutlich verbessert"
Annette Groth von der Partei Die Linke hat sich vor Ort die Lage der Flüchtlinge auf Lampedusa angesehen: "Es gibt keine Leute mehr, die irgendwie draußen schlafen", sagt sie, rechnet aber mit einem erneuten Flüchtlingsansturm aus Libyen.
André Hatting: Lampedusa – diese italienische Insel steht für das Elend afrikanischer Flüchtlinge und die Ohnmacht der Europäischen Union: Wöchentlich stranden vor der Mittelmeerinsel Hunderte Menschen. Seit dem medienwirksamen Besuch von Ministerpräsident Berlusconi Ende März aber ist es etwas still geworden. Zu Recht? Wie ist die aktuelle Situation auf der 5000-Einwohner-Insel vor Italien? Das frage ich Annette Groth, sie ist menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion und zurzeit auf Lampedusa.
Annette Groth: Also wir hatten unglaublich viele Gespräche gestern und heute geführt mit Vertretern der Hotelvereinigung, mit einer lokalen, kulturellen Vereinigung, andere Unternehmerverbände, die alle sagen: Wir müssen sagen, dass Lampedusa jetzt okay ist, dass diese schrecklichen Bilder vom April nicht mehr gelten, dass Lampedusa vom Tourismus und von der Fischerei lebt und das ganze Tourismusgeschäft natürlich absolut in den Keller gegangen ist durch diese Katastrophenmeldungen und durch die Bilder, die durch die Welt gegangen sind.
Es gibt keine Leute mehr, die irgendwie draußen schlafen unter Plastikplanen oder sonst im Freien, was ja im April gewesen ist. Es gibt momentan ungefähr 1000 Migranten und Migrantinnen in beiden Lagern, und wir erwarten eigentlich, dass etliche transportiert werden mit einem großen Schiff in andere Auffanglager nach Sizilien und ans italienische Festland.
Hatting: Hat sich denn die Lage für die Flüchtlinge auch vor Ort entsprechend gebessert, was sagen sie, wenn sie mit Ihnen sprechen?
Groth: Wesentlich, hat sich wesentlich verbessert, das gilt insbesondere für, sagen wir, Familien, ich habe etliche Familien mit kleinen Kindern gestern getroffen und mit denen geredet. Die kommen alle aus Libyen, das sind hauptsächlich Leute aus Nigeria, aus Eritrea, aus der Elfenbeinküste, aus Mali, aus Ghana, die in Libyen gearbeitet haben und jetzt durch den Krieg sich auf die Boote geschlagen haben, teilweise sehr traumatische Ereignisse erlebt haben und jetzt mit Booten nach Lampedusa gekommen sind.
Hatting: Woran liegt das, dass sich die Lage so entscheidend verbessert hat?
Groth: Ein Großteil der Flüchtlinge, die hier angekommen sind, sind in die anderen Auffanglager nach Italien gebracht worden, und es sind 800 Tunesier repatriiert worden.
Hatting: Also zurückgebracht worden in ihr Heimatland.
Groth: Genau. Es gibt ungefähr noch 300 junge Tunesier, sagen wir ab 20 aufwärts, 20 bis 40 oder so, die sind separat in diesem einen Center unterbracht. Mit zwei von denen haben wir gestern lange gesprochen, und die sind seit drei Wochen in diesem Lager und die sagten, wir wissen überhaupt nichts, wir wollen endlich in Freiheit leben, dafür ist die tunesische Revolution so bekannt geworden. Wir wissen nicht, wie lange wir hier bleiben müssen, wir wollen endlich raus und nach Italien, ans Festland oder woanders hin, wir wollen arbeiten und ein anständiges Leben führen.
Hatting: Kommen denn auch weniger Flüchtlinge an? Es ist ja so, dass die italienische Küstenwache die Überwachung der Gewässer noch mal verschärft hat, um zu verhindern, dass Menschen nach Lampedusa gelangen.
Groth: Ja, aber es ist sowieso schlechtes Wetter gewesen. Die letzten Flüchtlinge sind am 19.5. angekommen. Es werden auch noch Boote jetzt wieder kommen, jetzt hat sich das Wetter etwas beruhigt. Man spricht hier von einer Zahl von ungefähr 400.000 Menschen aus der ganzen Welt, die in Libyen sind und aus Libyen raus wollen.
Wir waren gestern auch auf einem Frontex-Boot und haben mit den Frontex-Leuten, also dieser EU-Migrationsbekämpfungsorganisation gesprochen: Die helfen auch Menschen und Booten, die in Seenot sind, und fahren da hin und retten Leute, und das ist also, man muss sagen, schon sehr gut organisiert. Teilweise informiert sogar die NATO hier die italienischen Behörden über Boote, die aus Libyen jetzt abfahren, sodass man eigentlich diese Boote relativ gut spotten kann dann, und sie versicherten glaubhaft, dass sie den Leuten helfen.
Hatting: Frau Groth, ich bin ein bisschen überrascht, denn es war ja lange Zeit die Forderung zum Beispiel von Ärzte ohne Grenzen aber auch von der Partei Die Linke, also Ihrer Partei, dass Europa sich mehr bemühen solle in Sachen Flüchtlingspolitik, dass man sich nicht abschotten solle. Jetzt klingt es aber so, als ob, wenn man von Lampedusa die Menschen innerhalb Italiens aufteilt, das Flüchtlingsproblem ja gar nicht so dramatisch ist, wie immer gesagt worden ist.
Groth: Doch, das ist dramatisch. Sie müssen sich mal vorstellen: Seit Mitte Januar sind über 37.000 Leute hier gelandet in Lampedusa, und warum die italienischen Behörden quasi zugeguckt haben, bis hier 6000 Leute ohne Unterbringungsmöglichkeiten, ohne sanitäre Anlagen, ohne alles auf einmal in Lampedusa für etliche Zeit gewesen sind, das war die große kritische Anmerkung und Frage von der lokalen Bevölkerung heute, die wir heute hier getroffen haben. Und ich muss dann sagen, dass zwei Leute dann sagten, ja, das hat ja wohl politische Gründe.
Die Auffanglager, die es gibt, waren geschlossen, und immer hat die lokale Bevölkerung, die den Leuten ja geholfen hat, den Flüchtlingen, die haben mir gesagt auch: Das müsst ihr unbedingt in Europa bekannt machen! Wir sind nicht ausländerfeindlich, wir sind selber ins Wasser gesprungen und haben Leute gerettet, aber diese Insel hat 5000 Menschen, die hier permanent leben, also Italiener, Italienerinnen, und wir waren dann zwischenzeitlich 6000 Flüchtlinge.
Hatting: Die Bilder, Frau Groth, haben wir ja im Fernsehen alle gesehen.
Groth: Genau.
Hatting: Immer noch sind aber 400.000 Menschen auf der Flucht, Sie haben das angesprochen. Was soll mit diesen Flüchtlingen geschehen? Soll sich Europa wie bislang eher abschotten, sollte es eine geregelte Zuwanderung geben oder sollen wir sagen, Grenzen auf, wer in Not ist, soll doch herüberkommen?
Groth: Ich finde, Europa darf sich überhaupt nicht abschotten. Es ist doch unsere Pflicht! Wer hat denn den Krieg da jetzt angefangen? Die NATO bombardiert. Natürlich, Leute könnten wie Sie oder ich sein, die da arbeiten oder so und auf einmal ist Krieg, ich kann nicht in mein Heimatland Nigeria oder sonst wo hingehen, weil die ganzen Wege versperrt sind, es gibt also dramatische Berichte, wie einige dieser ausländischen Arbeiter, Arbeitnehmerinnen da gehaust haben, bevor sie überhaupt einen Platz auf so einem Boot ergattert haben.
Und das ist hier von den Behörden und auch von den Vertretern von Hotelvereinigung, wen wir alles hier getroffen haben, ganz klar gesagt worden: Es ist doch ein europäisches, es ist ein globales Problem, und da müssen wir alle helfen, und wenn es dann nur so ein paar sind, ja, dann muss Deutschland doch auch welche aufnehmen, immerhin eines der reichsten Länder der Welt, und unsere Regierung hat ja nur 100 angeboten.
Hatting: Aber immerhin hat sich zumindest vorübergehend die Lage auf Lampedusa doch deutlich entspannt. Das war Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Linken und deren menschenrechtspolitische Sprecherin. Frau Groth, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Groth: Danke auch!
Annette Groth: Also wir hatten unglaublich viele Gespräche gestern und heute geführt mit Vertretern der Hotelvereinigung, mit einer lokalen, kulturellen Vereinigung, andere Unternehmerverbände, die alle sagen: Wir müssen sagen, dass Lampedusa jetzt okay ist, dass diese schrecklichen Bilder vom April nicht mehr gelten, dass Lampedusa vom Tourismus und von der Fischerei lebt und das ganze Tourismusgeschäft natürlich absolut in den Keller gegangen ist durch diese Katastrophenmeldungen und durch die Bilder, die durch die Welt gegangen sind.
Es gibt keine Leute mehr, die irgendwie draußen schlafen unter Plastikplanen oder sonst im Freien, was ja im April gewesen ist. Es gibt momentan ungefähr 1000 Migranten und Migrantinnen in beiden Lagern, und wir erwarten eigentlich, dass etliche transportiert werden mit einem großen Schiff in andere Auffanglager nach Sizilien und ans italienische Festland.
Hatting: Hat sich denn die Lage für die Flüchtlinge auch vor Ort entsprechend gebessert, was sagen sie, wenn sie mit Ihnen sprechen?
Groth: Wesentlich, hat sich wesentlich verbessert, das gilt insbesondere für, sagen wir, Familien, ich habe etliche Familien mit kleinen Kindern gestern getroffen und mit denen geredet. Die kommen alle aus Libyen, das sind hauptsächlich Leute aus Nigeria, aus Eritrea, aus der Elfenbeinküste, aus Mali, aus Ghana, die in Libyen gearbeitet haben und jetzt durch den Krieg sich auf die Boote geschlagen haben, teilweise sehr traumatische Ereignisse erlebt haben und jetzt mit Booten nach Lampedusa gekommen sind.
Hatting: Woran liegt das, dass sich die Lage so entscheidend verbessert hat?
Groth: Ein Großteil der Flüchtlinge, die hier angekommen sind, sind in die anderen Auffanglager nach Italien gebracht worden, und es sind 800 Tunesier repatriiert worden.
Hatting: Also zurückgebracht worden in ihr Heimatland.
Groth: Genau. Es gibt ungefähr noch 300 junge Tunesier, sagen wir ab 20 aufwärts, 20 bis 40 oder so, die sind separat in diesem einen Center unterbracht. Mit zwei von denen haben wir gestern lange gesprochen, und die sind seit drei Wochen in diesem Lager und die sagten, wir wissen überhaupt nichts, wir wollen endlich in Freiheit leben, dafür ist die tunesische Revolution so bekannt geworden. Wir wissen nicht, wie lange wir hier bleiben müssen, wir wollen endlich raus und nach Italien, ans Festland oder woanders hin, wir wollen arbeiten und ein anständiges Leben führen.
Hatting: Kommen denn auch weniger Flüchtlinge an? Es ist ja so, dass die italienische Küstenwache die Überwachung der Gewässer noch mal verschärft hat, um zu verhindern, dass Menschen nach Lampedusa gelangen.
Groth: Ja, aber es ist sowieso schlechtes Wetter gewesen. Die letzten Flüchtlinge sind am 19.5. angekommen. Es werden auch noch Boote jetzt wieder kommen, jetzt hat sich das Wetter etwas beruhigt. Man spricht hier von einer Zahl von ungefähr 400.000 Menschen aus der ganzen Welt, die in Libyen sind und aus Libyen raus wollen.
Wir waren gestern auch auf einem Frontex-Boot und haben mit den Frontex-Leuten, also dieser EU-Migrationsbekämpfungsorganisation gesprochen: Die helfen auch Menschen und Booten, die in Seenot sind, und fahren da hin und retten Leute, und das ist also, man muss sagen, schon sehr gut organisiert. Teilweise informiert sogar die NATO hier die italienischen Behörden über Boote, die aus Libyen jetzt abfahren, sodass man eigentlich diese Boote relativ gut spotten kann dann, und sie versicherten glaubhaft, dass sie den Leuten helfen.
Hatting: Frau Groth, ich bin ein bisschen überrascht, denn es war ja lange Zeit die Forderung zum Beispiel von Ärzte ohne Grenzen aber auch von der Partei Die Linke, also Ihrer Partei, dass Europa sich mehr bemühen solle in Sachen Flüchtlingspolitik, dass man sich nicht abschotten solle. Jetzt klingt es aber so, als ob, wenn man von Lampedusa die Menschen innerhalb Italiens aufteilt, das Flüchtlingsproblem ja gar nicht so dramatisch ist, wie immer gesagt worden ist.
Groth: Doch, das ist dramatisch. Sie müssen sich mal vorstellen: Seit Mitte Januar sind über 37.000 Leute hier gelandet in Lampedusa, und warum die italienischen Behörden quasi zugeguckt haben, bis hier 6000 Leute ohne Unterbringungsmöglichkeiten, ohne sanitäre Anlagen, ohne alles auf einmal in Lampedusa für etliche Zeit gewesen sind, das war die große kritische Anmerkung und Frage von der lokalen Bevölkerung heute, die wir heute hier getroffen haben. Und ich muss dann sagen, dass zwei Leute dann sagten, ja, das hat ja wohl politische Gründe.
Die Auffanglager, die es gibt, waren geschlossen, und immer hat die lokale Bevölkerung, die den Leuten ja geholfen hat, den Flüchtlingen, die haben mir gesagt auch: Das müsst ihr unbedingt in Europa bekannt machen! Wir sind nicht ausländerfeindlich, wir sind selber ins Wasser gesprungen und haben Leute gerettet, aber diese Insel hat 5000 Menschen, die hier permanent leben, also Italiener, Italienerinnen, und wir waren dann zwischenzeitlich 6000 Flüchtlinge.
Hatting: Die Bilder, Frau Groth, haben wir ja im Fernsehen alle gesehen.
Groth: Genau.
Hatting: Immer noch sind aber 400.000 Menschen auf der Flucht, Sie haben das angesprochen. Was soll mit diesen Flüchtlingen geschehen? Soll sich Europa wie bislang eher abschotten, sollte es eine geregelte Zuwanderung geben oder sollen wir sagen, Grenzen auf, wer in Not ist, soll doch herüberkommen?
Groth: Ich finde, Europa darf sich überhaupt nicht abschotten. Es ist doch unsere Pflicht! Wer hat denn den Krieg da jetzt angefangen? Die NATO bombardiert. Natürlich, Leute könnten wie Sie oder ich sein, die da arbeiten oder so und auf einmal ist Krieg, ich kann nicht in mein Heimatland Nigeria oder sonst wo hingehen, weil die ganzen Wege versperrt sind, es gibt also dramatische Berichte, wie einige dieser ausländischen Arbeiter, Arbeitnehmerinnen da gehaust haben, bevor sie überhaupt einen Platz auf so einem Boot ergattert haben.
Und das ist hier von den Behörden und auch von den Vertretern von Hotelvereinigung, wen wir alles hier getroffen haben, ganz klar gesagt worden: Es ist doch ein europäisches, es ist ein globales Problem, und da müssen wir alle helfen, und wenn es dann nur so ein paar sind, ja, dann muss Deutschland doch auch welche aufnehmen, immerhin eines der reichsten Länder der Welt, und unsere Regierung hat ja nur 100 angeboten.
Hatting: Aber immerhin hat sich zumindest vorübergehend die Lage auf Lampedusa doch deutlich entspannt. Das war Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Linken und deren menschenrechtspolitische Sprecherin. Frau Groth, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Groth: Danke auch!