"Lage der spanischen Banken ist zwar ernst, aber nicht hoffnungslos"

Carsten Moser im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Der Präsident der deutschen Handelskammer in Spanien, Carsten Moser, ist überzeugt, dass das Land seine derzeitige Krise auch ohne Rettungsschirm meistern wird. Trotzdem müsse Europa Spanien mit Wachstumsprogrammen unter die Arme greifen.
Marietta Schwarz: Neben Griechenland ist Spanien momentan wieder das große Sorgenkind der Europäischen Union: Das Land kämpft zwar gegen die Bankenkrise, die hohe Verschuldung, die hohen Arbeitslosenzahlen, aber so richtig scheint es nicht zu fruchten. Die Sparpläne werden torpediert, die Investoren sind verunsichert, die Risikoaufschläge sind wieder hoch, gestern wurde die Bankia, die viertgrößte Bank im Land, teilverstaatlicht. Die Regierung versucht, mit Reformen gegenzusteuern. Heute legt sie einen Plan zur Neustrukturierung der Banken vor – es ist die vierte Finanzmarktreform seit Beginn der Krise. Carsten Moser in Madrid ist am Telefon, er ist Präsident der Deutschen Handelskammer in Spanien. Guten Morgen, Herr Moser!

Carsten Moser: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Es wird ja schon geunkt, Spanien könnte sich unter den europäischen Rettungsschirm ESM flüchten, der dafür allerdings inzwischen ja auch zu klein wäre. Befürchten Sie das auch?

Moser: Nein. Das Finanzsystem in Spanien ist zurzeit nicht so schwach, dass es den Rettungsschirm braucht. Die Lage der spanischen Banken ist zwar ernst, aber nicht hoffnungslos. Es ist richtig, es hat drei Finanzreformen gegeben, aber erstens, wie Sie schon sagten, ist die Arbeitslosigkeit weiterhin sehr hoch und viele Spanier können ihre Hypothekenkredite nicht zurückzahlen, und zweitens – und das ist das Problem der Banken – hat es einen enormen Wertverlust der Immobilien gegeben. In den vergangenen Jahren hat es einen Preisverfall von ungefähr 30 Prozent gegeben, und Experten rechnen, dass mit weiteren Preisrückgängen bis zu 20 bis 30 Prozent zu rechnen ist.

Schwarz: Herr Moser, diese gestern teilverstaatlichte Großbank Bankia, die gilt ja als entscheidender Problemfall in der Krise – weil sie, wie viele andere Banken, immer noch unter den Folgen der Immobilienblase 2008 leidet?

Moser: Richtig, und hauptsächlich, weil eben Buchwerte in den Bilanzen sind für Immobilienbesitz von rund 32 Milliarden Euro, und diese Buchwerte sind weit über dem Marktwert. Man rechnet, dass es ungefähr sechs bis neun Milliarden Abschreibungen nötig sein werden bei Bankia, damit die Bilanz wieder saniert ist. Das ist das Hauptproblem.

Schwarz: Man reibt sich verwundert die Augen und fragt: Warum wird jetzt, 2012, eine Bank verstaatlicht? Lehman Brothers, das war 2008 – diese Krise, die ist doch schon vier, fünf Jahre alt. Haben die Spanier die Probleme verdrängt?

Moser: Also es hat sicherlich Fehler gegeben bei der Bankaufsicht, die die großen Probleme nicht rechtzeitig erkannt hat und reagiert hat, und Bankia ist auch ein typischer Fall eines schlechten Managements. Der ehemalige Präsident Rodrigo Rato war Finanzminister unter Aznar, also immer Politiker und nie Banker. Jetzt steht ein Profi an der Spitze, und ich bin sicher, dass es da besser sein wird. Im Fall Bankia ist die Verstaatlichung auch vorgenommen worden in Anlehnung an das Modell Commerzbank, ganz klar: 45 Prozent des Bankia-Kapitals wird vom Staat übernommen für fast 4,5 Milliarden Euro, und damit hofft eben der Staat, auch einen Einfluss auf die Geschäftsführung bei Bankia zu haben und dass es im Laufe der Zeit dann eben wieder eine Rückzahlung dieses Kapitals geben wird mit Zinsen.

Schwarz: Man hört bei Ihnen raus: Sie sind da eigentlich ganz optimistisch. Lassen Sie uns doch trotzdem noch mal schauen, was da in den letzten Jahren passiert ist auch von der politischen Seite. Die spanische Regierung inklusive ihrer Vorgängerregierung hat schon viele Maßnahmen ergriffen, Sie haben das angedeutet. Was hat sie denn Ihrer Meinung nach richtig und falsch gemacht?

Moser: Sie hat sicherlich zu lange gezögert, bis sie die entscheidenden Maßnahmen getroffen hat. Aber es gibt einige Anzeichen, dass es wieder besser gehen könnte in den nächsten Jahren. Entscheidend wird sein, was in der spanischen Wirtschaft 2012 und 2013 passieren wird. Aber um Ihnen einige Punkte zu nennen, die mich eigentlich nicht allzu pessimistisch in die Zukunft sehen lassen: Die Exporte sind in den letzten Jahren um über zehn Prozent per annum gestiegen; die Lohnkosten sinken, dadurch wird die spanische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger; Sparquote steigt. Die Regierung hat versprochen, in den nächsten Monaten 35 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um zum Teil bis zu drei Jahre alte Schulden der öffentlichen Hand an Lieferanten auszugleichen, das sollte die Wirtschaft etwas ankurbeln; und vor allem wird der Reform- und Sparkurs von der Regierung Mariano Rajoy mit Elan fortgesetzt. Und auch die spanischen Comunidades, also die Länder, sparen eisern. Die einzige Frage ist: Spart sich Spanien zu Tode?

Schwarz: Und wie antworten Sie?

Moser: Ich glaube, es ist jetzt auch an der Zeit, dass Europa in gewisser Weise Spanien unter die Arme greift, ob das nun mit einem Konjunkturprogramm abläuft zur Wachstumsförderung oder wie auch immer, aber ich glaube, es ist nötig, dass eben Länder wie Spanien sich nicht zu Tode sparen.

Schwarz: Heute nun soll diese geplante Bankenreform vom Kabinett verabschiedet werden. Was beinhaltet sie denn?

Moser: Sie beinhaltet vor allen Dingen, dass eben mehr Transparenz in den Bilanzen sein muss. Die Buchwerte müssen den Marktwerten angeglichen werden, und wie ich schon sagte: Da gibt es noch Differenzen, die sicherlich zwischen 20 bis 30 Prozent liegen.

Schwarz: Spanien in zehn Jahren, Herr Moser – wo sehen Sie das Land?

Moser: Wieder sehr gut aufgestellt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Spanien 35 Jahre lang immer das Musterland Europas gewesen ist und alle anderen Länder geguckt haben nach Spanien, um zu sehen, was die gut gemacht haben oder richtig gemacht haben. Jetzt sind sie sehr durch die Immobilienkrise gebeutelt, jetzt stellt sich heraus, dass eben wirklich ein Reformstau vorhanden war, der beseitigt werden muss. Und jetzt muss eben auch die Überschuldung des Landes: Man darf ja nicht vergessen, dass es nicht nur der Staat war, der über seine Verhältnisse gelebt hat, sondern auch die spanischen Firmen und die spanischen … und die Spanier insgesamt, sodass da eben eine Korrektur stattfinden muss. Aber wenn das geschieht, dann wird das Land wieder eine gute Zukunft haben.

Schwarz: Ein optimistischer Carsten Moser, Präsident der Deutschen Handelskammer in Spanien. Herr Moser, vielen Dank für das Gespräch!

Moser: Vielen Dank Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.