Zu wenig Hilfe für Erdbebenopfer
Im Oktober bebte die Erde in Afghanistan und Pakistan. Doch bis heute sind die Opfer in vielen der betroffenen Regionen noch immer ohne Unterstützung. Nun naht der Winter - und besonders Kinder sind in Gefahr.
Der Ort Shangla im äußersten Nordwesten Pakistans könnte ein Paradies sein. In der Ferne schimmern die schneebedeckten Berge des Hindukusch. Zitrusfrüchte hängen reif an den Bäumen. Aber Farman Ali kann all das gerade nicht genießen.
"Hier sind 500 bis 600 Häuser zerstört, die meisten komplett. Und bisher hat uns noch keine Hilfe erreicht."
Farman Ali arbeitet für die lokalen Behörden. Mit seiner Anklage steht er nicht alleine da. Fazal Subhan, ein Einwohner Shanglas, berichtet Ähnliches.
"Wir sitzen hier im Freien, wir haben keinen Unterschlupf. Im Moment ist das Wetter sehr gut. Aber ich mag gar nicht daran denken, was mit uns passiert, wenn das Wetter richtig schlecht wird. Meinen Nachbarn geht es nicht besser. Die ganze Familie schläft nachts in einem kleinen Laden, unter einer einzigen Decke."
Premierminister: Lage unter Kontrolle
Dabei hatten Pakistans Katastrophenschutzbehörde und selbst Premierminister Nawaz Sharif schon wenige Tage nach dem Erdbeben vom 26. Oktober erklärt, die Lage sei unter Kontrolle. Die Armee war ausgerückt, um zu helfen, und sie hatte nachweislich auch entlegene Regionen erreicht. Aber danach, darüber beklagen sich pakistanischen Medien zufolge Menschen in mehreren Gegenden, kam nichts mehr.
Stattdessen versuchen, wie bei anderen Naturkatastrophen in Pakistan auch, islamistische Gruppen, die Lücke zu füllen, zum Beispiel die Jamaat-u-Dawa, die angeblich an den Anschlägen im indischen Mumbai 2008 beteiligt gewesen sein soll und auch humanitäre Hilfe leistet. Ob die Gruppen wirklich effektiv arbeiten oder nur auf schnelle PR aus sind, ist oft unklar, genauso wie die Frage, ob sie damit wirklich neue Anhänger gewinnen. Aber die Regierung in Islamabad ist inzwischen so nervös, dass sie jegliche Berichterstattung über die Erdbebenhilfe von insgesamt 72 islamistischen Gruppen verbieten will.
Taliban kontrollieren Erdbebengebiete
Auf der Liste stehen übrigens auch die Taliban aus dem benachbarten Afghanistan. Sie kontrollieren dort weite Teile der Erdbebengebiete. Aus diesen Regionen gibt es derzeit kaum unabhängige Informationen. Nach dem Erdbeben hatten die Taliban weiter gekämpft, aber Hilfsorganisationen freies Geleit und auch Schutz zugesagt. Am Freitag kündigten sie schließlich an, ihre Kampfhandlungen zu stoppen, damit Hilfe in die Region kommen kann. Die afghanische Regierung ist aber kaum in der Lage, wirksam zu helfen. Gerade mal 900.000 Dollar konnte sie bislang aufbringen, die sie an mehr als 1500 obdachlos gewordene Familien verteilen will. Weitere drei Millionen Dollar von den Vereinten Nationen sollen folgen. Auch China hat finanzielle Hilfe zugesagt. Mohammed Dindar leitet die afghanische Sektion des Roten Halbmonds:
"Wir können derzeit jeden Betrag sehr gut gebrauchen, um Lebensmittel und Material für Unterkünfte zu organisieren."
Denn es wird kalt in den afghanischen Bergen. Dorfälteste in den besser zugänglichen Regionen brachten die Lage längst auf den Punkt: Bei den Wintern hier, sagte einer, werden viele Kinder erfrieren, wenn keine Hilfe kommt.