#11 Klimakunst oder Klimakitsch - was wirkt und was kann weg?
30:20 Minuten
Kunst soll bewegen, sagt der Fotograf J. Henry Fair. Aber kann sie auch die Klima-Kultur einer Gesellschaft ändern und Menschen besser erreichen, als Klimakonferenzen und Wissenschaftler? Wir fragen den Künstler Andreas Greiner und den Soziologen Harald Welzer.
Das Wort des Jahres, das die Gesellschaft für deutsche Sprache dem Jahr 2018 gewidmet hat, ist "Heißzeit". Die 15-jährige Schwedin Greta Thunberg hat auf der Klimakonferenz in Katowice eine bewegende Rede gehalten. Und der Künstler Olafur Eliasson hat in London Blöcke von Gletscher-Eis aus Grönland als Installation aufgebaut, um den Klimawandel greifbar zu machen. Viele Menschen versuchen jenseits der politischen Verhandlungen auf der Klimakonferenz, die Klimakultur in den Köpfen zu ändern - mit Musik, Fotografie und Film. Aber was nützen diese künstlerischen Aktionen wirklich - ist das alles nur Klimakitsch? Julius Stucke und Katrin Rönicke gehen diesen Fragen nach - und schauen Eiswürfeln im Studio beim Schmelzen zu.
Auch für den Fotografen J Henry Fair ist das Zuschauen wichtig - es steht für ihn am Anfang seiner Arbeit. Fair glaubt an eine "Power of Art". Der Künstler macht Aufnahmen aus der Luft. Dabei entstehen Bilder, die abstrakte Begriffe wie "Umweltzerstörung" oder "giftige Industrieabfälle" konkret machen sollen. Ihm ist es dabei wichtig, wissenschaftliche Fakten mit Kunst zu untermauern - und umgekehrt. Derzeit kann man seine Ausstellung ARTEFAKTE im Naturkundemuseum in Berlin besuchen.
Wir müssen handeln, und es ist besser etwas zu tun, als es von vornherein zu lassen. Auf diesem Standpunkt steht der Künstler Andreas Greiner. Kunst sei öffentlich, werde diskutiert und könne so auch einen Effekt haben. Aber er ist auch kritisch gegenüber dem "System Kunst" - das international viel Dekadenz und "Rumgehopse auf der Welt" bedeute. Zwar versucht er inzwischen, etwas für seine persönliche CO2-Bilanz zu tun, meint aber auch: Das sei in einem reichen Industrieland nicht genug, es müssten politisch "radikale Änderungen" vollzogen werden.
Klimakunst? – "Komplett für die Füße!"
Und weil wir nicht weiterkommen, wenn alle einer Meinung sind, hat "Lakonisch Elegant - Der Kulturpodcast" den Soziologen Harald Welzer nach dessen Einschätzung gefragt. Er ist Direktor der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei, die alternative Lebensstile und Wirtschaftsformen fördern will. Welzer geht hart ins Gericht mit der Klimakunst. Das Gletscher-Eis des Künstlers Eliasson und ähnliche Aktionen nennt er "folkloristischen Kitsch" und meint generell: Kunst, die versuche pädagogisch-politisch zu sein, sei "komplett für die Füße". Seiner Ansicht nach bräuchten wir eine andere Geschichte, wir müssten eine positive Story erzählen von einer Welt, die wir uns wünschen. Die Erzählung von Städten ohne Autos etwa - anstelle der Erzählung von Katastrophenszenarien.
Eins bleibt am Ende: Nach diesem Podcast wird das Eis weiterschmelzen. Nicht nur bei uns im Studio!