Lakonisch Elegant

#46 Über Mama, über Papa – Familiengeschichten in der Literatur

43:08 Minuten
Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und liest ein Buch. Das Bild ist vermutlich aus den 70er Jahren und der Zeit entsprechend atmosphärisch.
Literatur und Familie © unsplash / the joy of film
Von Christine Watty und Julius Stucke |
Audio herunterladen
Warum schreiben Schriftstellerinnen und Schriftsteller über ihre Familie? Welche Schwierigkeiten gibt es und was erzählen diese Romane über einen Familien-Kosmos hinaus? Wir fragen David Wagner, Gerhard Henschel und Literaturkritikerin Wiebke Porombka.
David Wagner erzählt in seinem neuen Roman "Der vergessliche Riese", von einem dementen Vater und dem nun neu entstehenden Vater-Sohn-Verhältnis. Geht es dabei in jeder Szene konkret um David Wagners eigenen Vater? "Bei diesem Genre ist man verführt, immer nach dem Authentischen zu fragen", so Wagner. Wie kompliziert das Auseinanderhalten von literarischen und authentischen Momenten beim Schreiben über die eigene Familie ist, erzählt er im Gespräch mit Lakonisch Elegant. Der Kulturpodcast.
Keine Angst vor dem Familienbuch
Sein Vater, so Wagner, sei schon lange eine Inspiration für ihn, auch in früheren Romanen. Sorge vor Missverständnissen oder Beschwerden aus der Familie hat er nicht. Er sagt: "Man kann nicht über Familie schreiben, wenn man Angst hat oder denkt, das kann ich nicht verraten. Das merkt man Texten an, wenn das so mit angezogener Handbremse geschrieben ist; dann kann man‘s auch lassen." Warum man überhaupt über Familie schreibt, beantwortet er mit einem Satz, der eigentlich für jeden Roman gilt: "Es muss einen ein Thema oder eine Frage so sehr interessieren, dass man dafür aufstehen möchte." Familie sei außerdem ein großartiger Erzählraum.

Familiengeschichte als Gesellschaftserzählung

Die Literaturkitikerin Wiebke Porombka sagt: "Es geht nicht darum, seine schönsten Kindheitserlebnisse zu erzählen, sondern es geht immer um die Frage, wo kommen wir her, welches Gepäck bringen wir mit und warum sind wir so geworden, wie wir sind." Mit ihr sprechen wir über weitere Beispiele aus dem großen Bereich des "Schreibens über die Familie" – und über die Frage, was der Familienroman erzählt, außer einer persönlichen Geschichte.

Der Schriftsteller Gerhard Henschel sammelt seit vielen Jahren Dokumente seiner Verwandtschaft und verarbeitet seine eigene Geschichte in Familienromanen um seinen Protagonisten "Martin Schlosser". Hunderte von Ordnern sind gefüllt mit Dokumenten vom Tagebuch bis zur Packungsbeilage. Wir haben das riesige Familienarchiv, an dem sich Henschel entlangschreibt, besucht. Wie genau erzählt Henschel nun die fiktive Schlosser-Geschichte als seine eigene? "Ich kann mich nicht an jedes Gespräch am Küchentisch erinnern, aber wenn ich solche Gespräche wiedergebe, dann sind sie idealtypisch angenähert. Man muss natürlich höllisch dabei aufpassen, dass man nicht einen falschen Zungenschlag dabei reinbringt."
Autor Gerhard Henschel in einer Garage voller Erinnerungen
Autor Gerhard Henschel in einer Garage voller Erinnerungen© Julius Stucke
Mehr zum Thema