Lakonisch Elegant

#73 Fernab der Welt – Quarantäne in der Kultur

41:46 Minuten
Aus einer schneebedeckten Landschaft ragen die Dächer von zwei Häusern hervor.
Hier kommst du nicht raus: Unter Quarantäne können die eigenen vier Wände zur neuen Welt werden. Das ist auch eine beliebte Vorlage für die Kunst. © Unsplash / Todd Diemer
Von Christine Watty und Julius Stucke |
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Das Motiv der Quarantäne wird in der Kunst gerne genommen – in Film, TV oder Theater. Gut geht’s meistens allerdings nicht aus. Anlässlich des Coronavirus beleuchten wir das Phänomen jenseits von Hamsterkäufen.
Das Coronavirus ist kein Spaß – die schon bei Kontakt zu einer infizierten Person angeordnete Quarantäne aber möglicherweise auch nicht. Klar ist: Das Nachdenken über eine gewisse Zeit fern der Öffentlichkeit ist nur so lange ein ganz amüsanter Zeitvertreib, solange keiner wirklich in Lebensgefahr gerät. Das Motiv der Quarantäne haben wir in diesem Podcast aus unterschiedlichen Kulturperspektiven angeschaut, in diesem Fall fern von Hamsterkäufen und Ausverkaufspanik.

Quarantäne im Trash-TV

Ohne das Prinzip der Quarantäne gäbe es keine TV-Formate wie "Big Brother", das gerade 20 Jahre alt geworden ist, oder das Dschungelcamp: Leute in einem begrenzten Raum einsperren und andere bei den diversen Eskalationen zuschauen lassen, ist seit Jahren ein Quotenhit. Die TV-Kolumnistin und Autorin Anja Rützel erklärt im Podcast, was sie daran interessant findet: "Formate, die so Leute wegsperren, sagen ja eigentlich: Wir halten Euch für so interessant, dass wir denken, Ihr wuppt das schon. Wir brauchen keine künstliche Handlung oder keine Einflüsse von außen, sondern Ihr seid ja eigentlich so interessant, dass Ihr das tragen könnt."

Schauspieler in Isolation

Rützel hat aus ihrer Fernseherfahrung einen guten Tipp für das Erleben einer echten Quarantäne und auch die Antwort auf die Frage, ob eventuell das Fernsehformat ausgedient hat, wenn es im echten Leben zu Quarantänesituationen kommt.
Außerdem sprechen wir im Kulturpodcast mit dem Dramaturg Ludwig Haugk. Er arbeitet am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Was hat das Theater mit Quarantäne zu tun? Haugk: "Zum einen ist Theater generell ein Isolationsprozess, weil wir bestimmte Themen eingrenzen und eine kleine Gruppe auf der Bühne steht und einer anderen Gruppe gegenübersteht, mit einer ziemlich eindeutigen und wichtigen Grenze, nämlich der Bühnenkante."
Durchlässigkeit statt Abschottung
Für die Arbeit auf der Bühne sei das allerdings eher eine Laborsituation und funktioniere nicht gleich wie eine Quarantäne. Für den gesamten Kulturbetrieb aber sieht Haugk schon eine Parallele zum Wesen der Quarantäne, eine Abschottung der Kulturwelt zum Rest der Gesellschaft: "Wir müssen durchlässiger werden, wir müssen die Quarantäne-Situation, in der tatsächlich Kunst oft ist, die müssen wir durchbrechen, die empfinde ich als etwas Problematisches."

Quarantäne in gesellschaftlichen Prozessen

Die Philosophin Nassima Sahraoui, die wir nach den gesellschaftlichen Auswirkungen von Quarantäneverordnungen gefragt haben, sagt im Podcast: "Eine Quarantäne ist eine von außen oktroyierte Situation, das ist nicht dasselbe, als wenn man sich von sich aus in einen privaten Raum zurückziehen würde." Und damit seien – zeitweise – auch politische Prozesse gestört: "In der politischen Theorie unterscheidet man zwischen öffentlichem und privatem Raum und eine Quarantäneverordnung wäre da sozusagen, sich in den privaten Raum zwangsmäßig zurückziehen zu müssen. Und wir verlassen damit den Raum des Politischen." Gilt das auch im sogenannten digitalen Zeitalter? Auch darum geht’s in dieser Ausgabe von Lakonisch Elegant!
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