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#78 Alles Corona oder was – Kontrolle durch News?

43:29 Minuten
Eine Person sitzt mit Maske und Gummihandschuhen vor einem Monitor, auf dem die Corona-Herde weltweit dargestellt sind.
Menschen, die auf Zahlen starren. Wie könnte die nächste Phase der Auseinandersetzung mit dem Coronavirus aussehen? © Unsplash / Patrick Assale
Von Christine Watty und Katrin Rönicke · 09.04.2020
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Corona auf allen Kanälen, oft in Form von Zahlen: Ist das sinnvolle Berichterstattung oder der Versuch, in der Pandemie mit Kontrollverlust klarzukommen? Darüber sprechen wir mit der Kolumnistin Samira El Ouassil und dem Philosophen Ralf Konersmann.
Seit Wochen beherrscht das Coronavirus die News, nicht nur bei uns, sondern weltweit. Andere Themen, anderes Leben werden vernachlässigt.
Was uns vor allem auffällt, ist ein weitreichender Fokus auf immer neue Fakten, die sich – das ist zumindest unsere Einstiegsthese – eins zu eins in den Medien widerspiegeln. Medien, die zurzeit weniger eigene Themen setzen, sondern mit Infowellen auf den Zustand der Bevölkerung reagieren – und so den Durst nach Wissen, Zahlen und Zukunftsszenarien bedienen.

Übergang in die "Zweite Phase"

Samira El Ouassil beschäftigt sich in ihren Kolumnen bei "Spiegel Online" und "Übermedien" regelmäßig mit der Medienlandschaft und ihren Aufregern und Trends. Sie bringt einen Metablick auf die Pandemie-Berichterstattung mit, seziert einzelne Phänomene und Probleme - und, woher sie kommen könnten.
Sie beobachtet, dass wir in eine zweite mediale Phase übergehen, nachdem wir in Phase eins die groben Rahmenbedingungen verstanden haben: Hände waschen, Abstand halten und so weiter. Eine Phase, in der zum Beispiel auch Talkshows weniger für den politischen Diskurs genutzt wurden, sondern eher zur Vermittlung von Informationen.
In der zweiten Phase der Berichterstattung, so der Blick in die Zukunft, spielen nicht mehr nur Virologie und Epidemiologie die alleinige Hauptrolle, sondern der Diskurs bezieht wieder Sozialwissenschaften, Psychologie, Philosophie und viele andere Gesellschaftsbereiche mit ein.
Ralf Konersmann ist Professor für Philosophie an der Universität Kiel. Er ordnet die gesellschaftlichen Veränderungen, die durch Corona entstehen, kritisch fragend ein:
Was passiert, wenn die Sphären von Politik und Wissenschaft, die eigentlich jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen und eigenen Logiken folgen, so sehr miteinander verschmelzen, wie momentan? Wenn Politiker*innen ihre Sätze beginnen mit "Die Virologen sagen uns…"?
Ihn interessieren aber auch die neuen Bewältigungsstrategien im Umgang mit Tod und Ausweglosigkeit. Dabei entstehen neue Rituale, alte Begriffe wie "Schicksal" erleben eine Renaissance.

Wie geht die Erzählung weiter?

Wir sprechen aber nicht nur über "die Medien" und "deren Themen", sondern auch über uns: Der Digital Analyst vom Deutschlandradio, Josh Moriarty, erzählt vom "Corona-Impact" auf das Radioprogramm der Deutschlandfunk-Familie. Er sieht dabei auch einen Wendepunkt und sagt: Interessant wird sein, wie die Erzählung weitergeht.
Und auch wir erzählen ein bisschen: Von Coronatagebüchern, Alltagsbewältigung und Medienkonsum. Damit sind wir voll im Trend, denn die Introspektive ist eines der liebsten Themen der im Homeoffice sitzenden Journalisten in – und jetzt alle: Zeiten von Corona!
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