Panik in den Feuilletons

Warum "Cancel Culture" ein Dauerbrenner ist

37:08 Minuten
Illustration: Ein Kopf mit Hashtag vor dem geschlossenen Mund und Megafon vor dem Gesicht.
„Cancel Culture“: Gibt es sie oder nicht? Kommt sie von rechts oder links? Wir suchen nach Antworten. © Getty Images / iStockphoto / Invincible Bulldog
Von Christine Watty und Kais Harrabi |
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Keine Woche ohne Aufreger: Schriftstellerinnen, Professoren oder Filmemacher fühlen sich immer wieder aus öffentlichen Diskursen verbannt. Was es mit der „Cancel Culture“ auf sich hat, fragen wir den Literaturwissenschaftler Adrian Daub.
Nicht nur 2022 war sie Dauergast in den deutschen Debattenfeuilletons: die „Cancel Culture“. Texte und Diskussionen kreisen dabei um ähnliche Fragen: Gibt es sie oder gibt es sie nicht, verlieren Menschen also Ansehen und Öffentlichkeit, wenn sie die „falsche“ Meinung vertreten? Vertreibt ein „Tugendterror“ bestimmte Meinungen aus dem Diskurs, bedrohen „woke Milieus“ denselben und rufen indirekt zum „Moral-Totalitarismus“ auf? Gibt es rechte und linke „Cancel Culture“?
Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub weist darauf hin, dass sich die deutsche Debatte darüber auch immer wieder auf Streitereien an US-amerikanischen Universitäten bezieht. Es geht um die Benutzung ausrangierter Begriffe, um Sexismus oder Rassismus. Wie klein aber auch immer der jeweilige Fall sein mag, er steht schnell für eine allgemeine Angst vor übergriffigen Moralvorstellungen mit direkten persönlichen und beruflichen Konsequenzen.  

Ein unerwarteter Exportschlager 

Aber wie kommt die "Cancel Culture" überhaupt von US-Universitäten in die deutschen Feuilletons? Und warum sollte das, was fern von hier passiert, für deutsche Diskurse überhaupt wichtig sein? Immerhin geraten bei den stets gleich ablaufenden CC-Debatten essenzielle Themen unter die Räder, die es eigentlich zu besprechen lohnt.
Fragen, über die wir mit Adrian Daub reden. Er hat ein Buch geschrieben: "Cancel Culture Transfer. Wie eine moralische Panik die Welt erfasst". Dazu hat Daub seit 2018 die Feuilletons der großen deutschen Zeitungen eingehend untersucht. Er vertritt unter anderem die These: Wer alarmistische Texte über die „Cancel Culture“ schreibt, lenkt von den eigentlichen gesellschaftlichen Problemen ab.
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