Licht und Schatten des US-amerikanischen Traums
09:23 Minuten
Lana Del Rey ist eine fantastische Songschreiberin, doch ihre irritierende Selbstinszenierung löst auch ein gewisses Unbehagen aus, sagt Julia Lorenz über del Reys neues Album "Chemtrails over the Country Club".
Die US-Sängerin Lana del Rey steht für schwülen Hollywood-Glamour, für die Sehnsucht nach einem Amerika, das es so vielleicht nie gegeben hat. Doch del Rey hänge dieser Nostalgie nicht um jeden Preis an, denn als Donald Trump Präsident wurde, verkündete del Rey, auf ihren Konzerten keine US-Flagge mehr zu hissen, sagt Musikkritikerin Julia Lorenz.
Keine Verschwörungsmythen
Donald Trump ist nicht mehr Präsident und nach einem Gedichtband bringt Lana del Rey nun ihr siebtes Album mit dem Titel "Chemtrails over the Country Club" heraus. Mit Verschwörungsmythen, so Julia Lorenz, habe der Titel aber nichts zu tun.
Das Bild zeige viel mehr das Elend der US-Gegenwart. Country Clubs seien schließlich exklusive Vereine für reiche, meist weiße und ältere US-Amerikaner, "also Horte des miefigen Traditionalismus". "Wenn über denen nun auch noch die vermeintlichen Chemtrails am Himmel leuchten, dann treffen sich da alte und neue Formen von Rückständigkeit", so die Kritikerin.
Eigentlich sei Lana del Rey in diesen traditionellen USA zu Hause. Im Video zu "Chemtrails over the Country Club" fährt sie in einem Cabriolet erst durch sommerliche kalifornische Landschaften und später brennt das Auto aus, während sie mit weiblichen Werwölfen ums Feuer tanzt.
Eine irritierende Figur
Der US-amerikanische Traum und das Albtraumhafte lägen bei der Sängerin nie weit auseinander, sagt Julia Lorenz. Auch die Todessehnsucht sei bei ihr ein zentrales Motiv, das man dann auch an dem oft wehmütigen Sound höre.
Und: Lana del Rey sei auch eine irritierende Figur. Beobachter hätten zu Beginn ihrer Karriere fast gereizt auf ihre Künstlichkeit reagiert. Als der Mainstream-Pop politisch wurde, habe del Rey demonstrativ ein rückständiges Frauenbild verkörpert. "Ihr wurde vorgeworfen, Unterwürfigkeit, Suizidgedanken und toxische Beziehungen zu glorifizieren."
Als wolle sie dieser Kritik entsprechen, heißt ein Song auf ihrem neuen Album "Let Me Love You like a Woman". Allerdings sei Lana del Rey auch eine der wenigen Künstlerinnen, die ziemlich sauber zwischen Privatperson und Kunstfigur trennten. Es sei ihr nie um die Zustimmung zum Hollywood-Hills-Kitsch gegangen, sonst wäre die Abgründigkeit nicht so präsent.
Provokante Forderungen
"Aber die Kunstfigur Lana del Rey mag schon wirklich vieles, was für Männer und Frauen klare Rollenbilder vorsieht", so Lorenz. Wenn sie beispielsweise fordert "Let me love you like a woman, let me shine like a diamond", dann wisse sie, dass das heute provokante Forderungen sind.
Tatsächlich löse die Selbstinszenierung der Musikerin als hyper-feminine, unterwürfige Frau ein gewisses Unbehagen aus, sagt Lorenz: "Zum einen, weil sie damit natürlich Klischees am Leben hält, die man überwinden will, zum anderen, weil sie einem zeigt, wie sehr eben diese Klischees immer noch verfangen, wie sehr sie fester Teil der Pop-Ikonografie sind."
Balladenlastig nennt Julia Lorenz das neue Album. Es wurde vom Balladenfachmann Jack Antonoff produziert und gehe auch den Weg des letzten Albums "Norman Fucking Rockwell" weiter. Die Songs seien eine Hommage an die Musik aus dem Laurel Canyon, an Songwriter wie Neil Young und Joni Mitchell. Deren Song "For Free" covert sie sogar, zusammen mit den Musikerinnen Zella Day und Weyes Blood.
Für die Kritikerin ist klar: Lana del Rey beweist mit diesem Album, dass sie, auch wenn sie sich den USA aus Richtung der Gegenkultur nähert und eher die 1960er- als die 1940er-Jahre zitiert, wie keine andere Licht und Schatten des US-amerikanischen Traums besingen kann.
Mehr als ein USA-Retro-Witz
Wie schon mit ihrem letzten Album zeige Lana del Rey mit "Chemtrails over the Country Club", dass sie eine fantastische Songschreiberin ist und ihre Musik viel mehr ist, als ein USA-Retro-Witz, den man spätestens in der Trump-Ära nicht mehr so richtig lustig finden konnte. "Gleichzeitig ist das Album wieder so aufrichtig amerikanisch und nostalgisch, dass alle, die Lana del Rey für eine im Herzen woke Feministin halten, vielleicht doch nochmal überlegen sollten", meint Lorenz.
(nis)