Landeszuschüsse

Streichopfer verzweifeln in Haushaltsdebatte

Von Christoph Richter |
Hitzige Haushaltsdebatte im sachsen-anhaltischen Landtag für 2014: Die Theater werden auf sieben Millionen Euro Landeszuschüsse verzichten müssen. Während die einen vor Weltuntergangsszenarien waren, sehen sich die Kulturinstitutionen in ihrer Existenz bedroht.
"Wir haben hier Leuchttürme der Kultur, sie strahlen aus. Nicht nur in unserem Land. Auch weit darüber hinaus, auch deutschlandweit. Auch international. Sie sind hervorragende Kulturbotschafter des Landes in aller Welt. Schaffen sie die Voraussetzungen, dass diese Leuchttürme weiter glänzen, zum Ruhm und Wohl unseres Landes. Und nicht durch tiefe finanzielle Einschnitte, stumpf und matt werden oder gar erlöschen."
Es klang wie ein verzweifelter Hilferuf des Hallenser Bassisten Olaf Schöder. Einer der Initiatoren der Volksinitiative "Kulturland Sachsen-Anhalt retten" die unter anderem auch der gebürtige Dessauer Dieter Hallervorden oder der aus Halle stammende Hans-Dietrich Genscher unterschrieben haben. Zusammen mit den mehr als 40.000 Unterzeichnern – weswegen die Initiative auch ein Rederecht im Landtag zugestanden bekam – sieht man die Theaterlandschaft Sachsen-Anhalts existentiell bedroht. Denn ab dem kommenden Jahr werden die Landeszuschüsse von jährlich 36 Millionen Euro, auf weniger als 29 Millionen Euro sinken.
"Ich bitte sie, gestatten sie ein Moratorium, damit gemeinsam und ohne teure Beraterinstitute eine zukünftige Lösung gefunden wird."
Ein Akt letzter Verzweiflung. Es war die Ouvertüre einer Magdeburger Landtagssitzung, die im Laufe des späten Nachmittags mehr und mehr zu einer überhitzten, aufgeheizten und teilweise aggressiv geführten Veranstaltung wurde. Einer der Wortführer: Linken-Oppositionsführer Wulf Gallert. Sein Vorwurf, die Landesregierung vertrete einen arroganten Politikstil, der die Zukunft Sachsen-Anhalt egal sei, der es nur um Kennzahlen gehe.
"Wir haben eine Pressekonferenz zur Vorbereitung der Landtagssitzung. Und da geht eine Information durch, ich habe es nicht geglaubt, ein Zitat unseres CDU-Fraktionsvorsitzenden in diesem Land und meint: Man dürfe in ein solches krankes System nicht weiter investieren. Ja Leute, hört‘s mal irgendwann auf, das geht doch nicht …"
"Nicht den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören"
SPD-Kulturminister Stephan Dorgerloh warnte dagegen vor Weltuntergangsszenarien:
"Man sollte Kürzungen nicht schön reden. Aber man sollte auch nicht den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören. Meine Damen und Herren, Sachsen-Anhalt ist ein Kulturland und wird ein Kulturland bleiben."
Dennoch streicht man den Theatern sieben Millionen Euro Landeszuschüsse. Dass man jedoch bei den Kürzungen gerade die Landeshauptstadt Magdeburg verschont, irritiert und verwundert André Bücker. Er ist der Intendant des Vier-Sparten Hauses Anhaltisches Theater Dessau, dem größten Streichopfer.
"Würde mich auch mal interessieren. Ich kann es mir so erklären, dass es in Magdeburg starke Lokalpolitiker gibt, die auch räumlich ganz nah an der Landesregierung sitzen und dort möglicherweise Dinge absprechen, zu denen man in Halle oder Dessau keinen Zugang hat."
Ab 2014 muss man in Dessau mit 2,9 Millionen Euro weniger auskommen. Ein Fehlbetrag, den die Stadt Dessau als Träger nicht ausgleichen kann. Das heißt zwei Sparten - das Ballett und das Schauspiel - müssen abgewickelt werden. Damit dürfte eine der ältesten Bühnen Deutschlands spätestens in zwei Jahren für immer von der Landkarte verschwinden. Das Schicksal einer 219-jährigen Theatertradition wäre damit besiegelt, unterstreicht Generalintendant André Bücker. Kultusminister Dorgerloh schüttelt vehement den Kopf.
"Es sind 50,2 Millionen Euro nach wie vor im Etat. Auch für die kommenden Jahre. Bis 2018, was eine große Planungsstrecke ist, auch für die Stadt. Und mit 50, 2 Millionen Euro kann man richtig gut Theater spielen, man kann Musik hören. Man kann mit dem Kurt Weill Fest, mit dem Impuls-Festival in Dessau, richtig ordentliches Theaterprogramm machen."
Wer sich an die Strukturanpassungen hält, bekommt noch mal Geld
Ein weiteres Streichopfer: Die Hallesche Theater, Oper und Orchester GmbH. Sie wird von 2014 an ein Viertel weniger zu Verfügung haben. Doch es gibt ein Hoffnungszeichen, denn aus dem kommunalen Finanzausgleich wird Halle rund 4,5 Millionen Euro bekommen, womit möglicherweise die Theater-Insolvenz erst mal - zumindest fürs nächste Jahr - aus dem Weg geräumt ist. Nochmal Kultusminister Dorgerloh:
"Während wir hier debattieren, liegen in Magdeburg, Stendal, Schönebeck, Wernigerode, Naumburg, Halberstadt und Quedlinburg Theaterverträge zur Prüfung, die jährlich ein Aufwuchs der Mittel vorsehen, wenn die Strukturanpassung abgeschlossen ist."
Im Klartext: Wer sich in den nächsten Jahren schön brav an die Vorgaben und Forderungen des Kultusministers hält und erfüllt, bekommt noch mal Geld. Im Gespräch sind insgesamt 4,2 Millionen Euro, die dann auf die entsprechenden Theater verteilt werden.
Während sich die Menschen in Sachsen-Anhalt um die Theaterlandschaft sorgen und dafür auf die Straße gehen, muss man doch feststellen, dass die Theater oft sehr leer sind. So wurde erst am vergangenen Donnerstag im Magdeburger Theater eine ganze Vorstellung abgesagt, zwecks mangelnden Publikums. Von daher wäre es durchaus auch mal schön, wenn die Menschen, die jetzt für den Erhalt der Theater- und Orchesterlandschaft so vielfach demonstrieren, einfach mal zwischendurch ins Theater gehen würden. Denn damit wäre den Bühnen am Meisten geholfen: Mit vollen Sälen.
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