Landgang
"Ich habe kalt" - kommen alle Türken aus dem Saarland? Oder hat das mit der grenzwertigen Lage da und dort zu tun? "Ich habe kalt" - der Saarländer kennt es nicht anders (der Türke auch nicht), wenn ihm so ist, soll heißen: Mir ist kalt.
Und dann dieses "isch", wo doch ein schlichtes ich völlig reichen würde. Nein, er muss sich noch ein s "holle", also holen, wo er sich doch was nimmt. Sagt er "Isch holl mir's Lewwe", dann will er sich nicht noch ein Leben holen, also länger leben, sondern er will es sich nehmen, jedenfalls in der wörtlichen Übersetzung. Sie Daheim können dann ganz ruhig bleiben, ihr Gesprächspartner ist nur der Auffassung, er habe sich überanstrengt. Kein Wunder, bei der Sprache. "Ich habe kalt" … ja,ja der Saarländer.
Türkischsprech? Nein, Saarländisch
Von Detlev Schönauer
Oh la la... "luu mo lòo, lòo leit datt" - klingt das nischt eine bißschen sehr exotisch? Aber nein: das is Deutsch. Gehört zu die noch lebender Idiome. Unn is auch nischt dieser neuer Comedy-Sprach: "Ej Alder, was guggst Du, bin isch Kino oder was?" – dieser "Deutsch mit Migrationshintergrund". Nix: "luu mo loo" hört man in ein ganz kleiner Region, das theoretisch auch noch zu Deutschland gehört, nämlich in die Sarrelande. Da war isch anfangs auch übergerascht, wie isch bin aus Frankreisch gekomm, weil isch hab rischtischer Deutsch gelernt. Totallement für umsonst. Hatt' isch ganz schön Problème mit die Integration. Weil isch hatt ja gelernt "ja" oder "nein"... das sagt mer hier nischt. Saarlander lege sisch nischt fest. Die sage nischt "ja" oder "nein", sondern was dazwisch: "och, pff". Selbst auf ein konkreter Frage: z.B. Wie is die Wetter? Da sagt der Saarlander zuerst mal: "oh leck!" Unn das is auch nischt russissch, non. Das heißt eigentlisch genaugenommen nix. Das sagt ein Saarlander, um ein Denkpaus' zu überbrück. Zum Antworte muß er denke, das dauert, unn damit der andere nischt merkt, daß er denkt, überbrückt der Saarlander dieser Denkprozeß mit ein Wort, wo er auswendzisch kennt: "oh leck" – dabei denkt er unn dann kommt die Antwort ganz schnell. So wie die Hesse sage: "ei horsche Mol", die Bayern: "Jo mei". Die Sachse habe ja immer dieser kieferbetonter Mundakrobatik: "Nuu, ei vrbibsch nochmol..." unn die Schwabe fange an, irgenwelsche Hauptstädte aufzulist: "Hanoi..:" - unn dann kommt die Antwort. Unn der Saarlander auf die Frage: "wie is die Wetter?" "Oh leck, pfff, joh!" Is kompliziert. Im Gegesatz zu die Begrüßung. Wo isch gelernt hab in die Deutschkurs: "Guten Tag, wie geht es Ihnen?" heißt hier ganz kurz: "Unn?" Das spart immens viel Zeit, weil das heißt ja so viel wie: Guten Tag, wie geht's, haste dein Beruf noch, was mache die Kinner, is die Frau noch gesund, kann se noch gut schaff? Das steckt alles in die kleine "unn". Die Antwort is dann genauso: "Och, pff!"
Müller’s Zunge. Die Sprache des MP
Von Tonia Koch
Außerhalb seiner Landesgrenzen gilt der Saarländer als zungenfertige Natur. Gut, bis auf den einen, den Dachdecker, der nach Berlin zog, um das Regieren zu lernen. Also Erich, nicht Oskar, obwohl der auch damals in Berlin … Aber er ist, im Unterschied zu dem anderen Saarländer, als schlagfertig bekannt. Und einer, der sich auch gerne mal zu Worte meldet, heißt Müller und ist der Übernachfolger von Lafontaine im Saarland, jedenfalls als Ministerpräsident. War der eine Physiker, so ist der andere studierter Jurist und saß als Richter zu Gericht, kennt sich also aus mit "legitimem Theater".
"Um es auf gut saarländische zu sagen, wenn ich so wenig Salz off de Gallier hätt’ wie die SPD und der Heiko Maas, dann wär’ ich aach fir eine gemeinsamen Wahltermin."
Autor Alles klar? Oder sollte zum besseren Verständnis die Formulierung des saarländischen Ministerpräsidenten doch noch einmal wiederholt werden?
"Salz off de Gallier hätt’."
Nein, nein, nicht dass sie denken, mit den Galliern seien die französischen Nachbarn gemeint, die dem Saarland freundschaftlich verbunden sind. Mitnichten. Wer in früheren Zeiten den Galliern überlassen wurde, dem hatte die Stunde geschlagen. Einmal festgezurrt, gab es kein Entrinnen. Zum besseren Verständnis Sprachwissenschaftler Wolfgang Haubrichs:
"Die Gallier sind die Hosenträger, der Plural von Galgen - nach der Form ist also einmal diese Bezeichnung gefunden worden. Und Salz auf den Galliern soll also heißen, derjenige hat also viel Kraft."
Müller gilt als domänenfest, d h. je nach Umgebung passt er die Standardsprache an. Hin und wieder lässt er Fragmente seines überwiegend moselfränkischen Dialektes einfließen. Dieser ist nicht immer eindeutig, da Müller unmittelbar an der sogenannten dat/das-Grenze aufgewachsen ist. Die Trennlinie zwischen Moselfränkisch und Rheinfränkisch verläuft entlang alter Bistumsgrenzen mitten durchs Saarland. Aber welche Form auch immer, der Ministerpräsident weiß sie zu benutzen. Müller gegenüber Bergleuten nach dem Beben im Februar.
"Ich habe ja wirklich viel, viel ausgehalten, damit es weitergeht, aber was da in Saarwellingen passiert ist, das geht nicht, …"
Auch dann, wenn er etwas nicht sagen möchte, bedient er sich hin und wieder der Mundart. Die Ablehnung klingt dann weniger schroff.
"Han se Zeit? (Gelächter) Also das ist sicher nicht das Thema des heutigen Tages."
Seine Sozialisation im moselfränkischen Sprachraum kann Müller nicht verleugnen.
"Ich zähle zu den seltenen Exemplaren in der Politik, die über persönliche und vertrauliche Gespräche nicht Auskunft geben, weder über Inhalte noch über Zeitpunkte."
Merkmale wie das gerollte "r" hat er in die Standardsprache übernommen. Wolfgang Haubrichs:
"Das ist typisch für das Moselfränkische, dies und auch ein leicht mouilliertes "l ", das auch ein wenig länger klingt."
Nach wie vor werden entweder rheinfränkisch oder die zahlreicheren Varianten des Moselfränkischen in saarländischen Haushalten gesprochen. Quer durch alle Schichten. Im benachbarten Luxemburg ist Moselfränkisch Amtssprache. Wer sich mühelos zurechtfinden möchte, zum Beispiel auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt, sollte Leetzebuerger Platt beherrschen. Und auch in Lothringen versuchen die Kulturvereine den entlang der Grenze gesprochenen Dialekten zur Renaissance zu verhelfen. Das Saarland feierte im vergangenen Jahr 50 Jahre Zugehörigkeit zur Bundesrepublik. Seine Sprachen sind sehr viel älter, gute Wünsche für beide aber können nicht schaden.
"50 Jahre Saarland sind noch lange nicht genug. Es gilt, was an jedem 50sten Geburtstag gewünscht wird, ad multos annos, auf viele weitere Jahre, alles Gute und Gottes Segen für unser Land."
Das 5. gilt. Die Kleine Wappenkunde
Von Claus Stephan Rehfeld
Was prangt auf dem Wappen des Saarlandes? Ein Schalmei, so eine wiederholt uns gegenüber geäußerte Vermutung, ist es nicht. Trotz Udo und Erich. Das Konterfei des kleinen Napoleon von der Saar ist es auch nicht, weil das Wappen wurde schon vorher beschlossen. Und eine bekannte Weinsorte ist es ebenso wenig, wäre auch zu süffisant. Nun, das Land zum Wappen auf der Karte zu finden, ist schon für manchen Mitbürger eine Aufgabe, da links außen auf der Landkarte. Dort, wo es nicht heißt Historischer Verein für das Saarland, wir ahnen, weshalb nicht, sondern "Historischer Verein für die Saargegend". Ja, so mancher kam und ging – und mit ihm auch das Wappen.
Mit dem Wappen des Saarlandes verhält sich wie mit Radio Jerewan. Im Prinzip ja, beides stimmt, obwohl.
Jener Mann, der das Wappen entwarf, ging im Landesarchiv in Saarbrücken beruflich ein und aus. Und er war zugleich Mitglied des Historischen Vereins für die Saargegend. Der Verein druckte es 1951 zuerst in einer Zeitschrift ab. Allerdings spiegelverkehrt. Eine Kleinigkeit, die wieder das Landesarchiv begünstigt. Die dort entworfene Fassung von 1956 wurde gültig - am 01. Januar 1957. Das Saarland war der Bundesrepublik beigetreten.
Das zehnte Landeswappen der BRD entspricht gestalterisch den anderen Wappen der Länder. Doch es erzählt eine saarländische Geschichte. Es ist die Geschichte eines politischen Spielballs. Das Wappen von 1957 greift auf die territoriale Gliederung zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurück.
Zwei Löwen, ein Kreuz und drei Adler. Die Symbole stehen für die vier wichtigsten Herrschaftshäuser an der Saar vor der Französischen Revolution.
Für das Fürstentum Nassau-Saarbrücken steht der weiße Löwe auf blauem Grund.
Für das Kurfürstentum Trier das rote Kreuz auf weißem Grund.
Für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken der goldene Löwe auf schwarzem Grund.
Für das Herzogtum Lothringen die drei weißen Adler auf rotem Schrägbalken.
Erst seit 1920 gibt es das Saarland als politisches Gebilde. Am Anfang ist das Saargebiet, beschlossen im Versailler Vertrag. Das erste Wappen des Saargebietes unter französischer Hoheit ist eine Kombination mehrerer Stadtwappen. Es verschwindet 1935 mit der Angliederung an Deutschland.
18. Juli 1946. Das Saargebiet wird als eigene Verwaltungseinheit aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert. Ein abgewandeltes Stadtwappen von Saarbrücken ist nun das neue Zeichen.
1948. Das Saarland hat eine eigene Flagge, aber noch kein Wappen. Eine öffentliche Ausschreibung bringt zwar viele Entwürfe, aber wenig Klarheit. Die schafft ein Gesetz: Das Landeswappen stellt einen Schild mit einer Brückenkrone dar. Am 1. Januar 1957, mit dem Beitritt des Saarlandes, hat es ausgedient.
Mark, Franc, Reichsmark, Saarmark, Franc, DM. Sechs verschiedene Währungen markieren den Weg vom Saargebiet zum Saarland. Fünf verschiedene Wappen sind es von französischer Verwaltung bis zum Bundesland, von 1920 bis 1957.
Sangeslust und Sangesgut. Wie sich der Saarländer besingt
Von Petra Ries
Ach, auch hier war es der Fußball, der die Saarländer mit einer Stimme singen ließ: "Ich weiß, wo ein liebliches, freundliches Tal, / Von waldigen Bergen umgeben …" In der nächsten Zeile dann "blitzen die Wellen im Sonnenstrahl" auf. Und im ersten Länderspiel der saarländischen Fußball-Nationalmannschaft, es war gegen die Schweiz, blitzte es könnerhaft auf - man schlug die Eidgenossen mit 5 zu 3 vom Felde. In Saarbrücken war es, man schrieb den 22.November 1950. In Amsterdam dann, 6 Jahre später, lief letztmalig eine saarländische Fußballnationalmannschaft auf, verlor gegen die Niederlande mit 3 zu 2 und löste sich auf. Was für einen Text die Saarländer da anstimmten, ist nicht überliefert, wohl aber die gemeine Sangeslust der "Menschen von kernigem Schlage".
Neulich im Saarbrücker Ludwigsparkstadion. Hunderte verzweifelter Fans singen für ihren 1. FC Saarbrücken – der es auch diesmal nicht schaffen wird, sich aus dem Tal der Bedeutungslosigkeit zu kicken. Aber so sind sie, die Saarländer, ihrer Heimat loyal ergeben. Wer in der Landeshauptstadt Saarbrücken wohnt, der lernt früher oder später auch die musikalische Selbstironie der Ureinwohner kennen:
"Mir sinn Saarbrigger, mir spiele Kligger und reesse Beem aus wo gar ken sinn."
Kurze Übersetzung gefällig? "Saarbrücker spielen Klicker und reißen Bäume aus, wo keine sind." Das mit dem Bäume ausreißen hat im Saarland aber noch nie so richtig geklappt. Unter anderem wegen der komplizierten Geschichte. Mal war es Deutsch, mal Französisch, dann wieder Deutsch. Und alle wollten immer nur das Eine: die Kohle. Und weil es im Saarland soviel davon gibt, wird darüber auch fleißig gesungen, und das schon seit dem 18. Jahrhundert.
Bergmannslieder pfeifen saarländische Spatzen von den ehemals verrußten Dächern. Nach dem mittlerweile fast jede Grube geschlossen ist, hat sich das mit den Dächern zwar gebessert, aber die Lieder sind geblieben. Schließlich besingt der Saarländer am liebsten seine Heimat, die Saar, die bewaldeten Hügel, den Fußball und die gute Stimmung. Der Saarländer ist nämlich immer "gudd druff". Entspanntes Dasein im Hier und Jetzt. Savoir Vivre – mit der Gitarre in der Hand – und keinesfalls Französisch.
Im Saarland kursiert der Spruch, es gäbe mehr Musikvereine als Fußballclubs. Das ist bis heute unwidersprochen. Was sagen die Zahlen? Insgesamt 434 Chöre gibt es allein im Saarländischen Chorverband. Da sind die Kirchenchöre noch gar nicht eingerechnet. Im katholisch geprägten Saarland steht an jeder Butterblume ein Gotteshaus und dort wird gesungen. Und das oft sogar sehr anspruchsvoll.
An fast jeder Dorfecke gibt es auch einen Männergesangsverein, Machart "halbe Lunge", der mit einem Durchschnittsalter von 79 die schwarzbraune Haselnuss schmettert. Die Jungen zieht es da natürlich nicht hin, die sitzen in den Nischen, machen Pop, Musical, Rock oder Jazz.
Aber machen wir uns nichts vor: Der Durchschnittssaarländer hat ein ganz anderes Lebensmotto: Hauptsach Gudd gess. Dazu gehört die Lyoner. Diese Fleischwurst gewordene Lebenseinstellung hat zwar noch keine eigene Hymne bekommen, aber das stört wenig. Das saarländische Herz schlägt konservativ und daher geht fast nichts über altbewährtes Liedgut:
Sehr grenzwertig. Das Saarland
Von Detlev Schönauer
Wenig bekannt dürfte die Insellage des Saarlandes sein. Nein, nicht die politisch-geographische Lage ist gemeint, sondern die andere, die sprachliche Insellage. Ja, mehr noch, das Saarland ist ein Inselreich. Jedenfalls hat man uns das so erklärt, meinte es Dialektal und zeigte auf eine Landkarte mit vielen Inseln, auf denen noch einige Insulaner wohnen. Einheimische bezeichnen sie als Sprachinseln, noch genauer als Dialektinseln. Wir sagen nur Kleinblittersdorf-Bliesransbach und wie die Dialektinseln so heißen. Und wie es sich so bei Ansammlungen von Menschen verhält, halten sie hartnäckig an ihren Dialektinseln fest und verweisen so ganz nebenbei auf diverse Grenzlinien wie den Rheinischen Fächer. Bei ihm handelt es sich um die das-dat-so-ist-Linie, die sich von der datt-watt-so-ist-Grenze unterscheidet. Mit der Heimläufergrenze wollen wir ihnen nun nicht auch noch kommen, wohl aber mit einer naheliegenden Frage, jedenfalls im Saarland.
"Oh la – was is die Mittelpünkt von die Europa? Ihr werdt’s nischt glaube: die Sarrelande. Nix Wurmfortsatz von Deutschelande, oder gar die Fußabtreter vor Frankreische... die Herz von Europe. Saarlander sage sogar, sie wäre die Nabel von die Welt. Stimmt auch, zumindest, wenn mer kuckt von vorn, weil von hinten is nischt die Nabel iss dann, ehem... egal. Aber ein wischtischer Land, kommt wie oft in die Nachrischte, wemmer eine Größevergleisch brauch für eine Ölteppisch, oder eine Waldbrand… Aber is auch innerlisch kosmopolitisch. Gummo, wie viele Grenze es da gibt. Gut, die Saarlander kenne nur die Franzo’s auf die ein Seit, unn auf die anner die Pälzer: "im Reisch!" wie se heut noch sage. Hinner die Grenz' zwische Genie unn Wahnsinn, kurz vor Kaiserslautern. Aber gibt noch mehr: allein unser Tankstell Luxembursch. Unn mitte dursch die winzischer Sarrelande geht sogar noch ein Sprachgrenz: die "datt/watt"-Grenz. Auf die ein Seit mer sagt "das" unn "was" wie in die Palz, auf die anner Seit "datt" unn "watt"… schon wie in die rheinischer Raum. Wieviel verschieden Sprach… dafür könne die Saarlander keine Franzosisch, auch wenn mer das immer denkt. Wobei das praktisch wär, weil mer geht hier viel rüber nach die Frankreisch zum Einkaufe. Is so ein kleines Grenzverkehr. Wenn die Franzose Feiertag habe, falle die hier regelmäßisch ein. Unn die habe viel Feiertag: für jedes gewonnenens Kriesch habe die ja eine Feiertag gekrischt. In Deutschelande gibt jetzt wenischer Feiertag, aber wenn... dann gibt’s ein rischtisch Invasion drübe im franzosisch Hypermarchés. Oft komme die Franzos’ nischt mehr zu die Einkauf. Dann spiele die da alle halb Stunn die Saarlandischer Nationalehymne, dieser Bergmannlied "Glückauf die Steiger was kommt" - wenn der Saarlander das hört, steht automatisch stramm: unn in der Zeit könne dann die Franzos' auch mal einkauf."
Türkischsprech? Nein, Saarländisch
Von Detlev Schönauer
Oh la la... "luu mo lòo, lòo leit datt" - klingt das nischt eine bißschen sehr exotisch? Aber nein: das is Deutsch. Gehört zu die noch lebender Idiome. Unn is auch nischt dieser neuer Comedy-Sprach: "Ej Alder, was guggst Du, bin isch Kino oder was?" – dieser "Deutsch mit Migrationshintergrund". Nix: "luu mo loo" hört man in ein ganz kleiner Region, das theoretisch auch noch zu Deutschland gehört, nämlich in die Sarrelande. Da war isch anfangs auch übergerascht, wie isch bin aus Frankreisch gekomm, weil isch hab rischtischer Deutsch gelernt. Totallement für umsonst. Hatt' isch ganz schön Problème mit die Integration. Weil isch hatt ja gelernt "ja" oder "nein"... das sagt mer hier nischt. Saarlander lege sisch nischt fest. Die sage nischt "ja" oder "nein", sondern was dazwisch: "och, pff". Selbst auf ein konkreter Frage: z.B. Wie is die Wetter? Da sagt der Saarlander zuerst mal: "oh leck!" Unn das is auch nischt russissch, non. Das heißt eigentlisch genaugenommen nix. Das sagt ein Saarlander, um ein Denkpaus' zu überbrück. Zum Antworte muß er denke, das dauert, unn damit der andere nischt merkt, daß er denkt, überbrückt der Saarlander dieser Denkprozeß mit ein Wort, wo er auswendzisch kennt: "oh leck" – dabei denkt er unn dann kommt die Antwort ganz schnell. So wie die Hesse sage: "ei horsche Mol", die Bayern: "Jo mei". Die Sachse habe ja immer dieser kieferbetonter Mundakrobatik: "Nuu, ei vrbibsch nochmol..." unn die Schwabe fange an, irgenwelsche Hauptstädte aufzulist: "Hanoi..:" - unn dann kommt die Antwort. Unn der Saarlander auf die Frage: "wie is die Wetter?" "Oh leck, pfff, joh!" Is kompliziert. Im Gegesatz zu die Begrüßung. Wo isch gelernt hab in die Deutschkurs: "Guten Tag, wie geht es Ihnen?" heißt hier ganz kurz: "Unn?" Das spart immens viel Zeit, weil das heißt ja so viel wie: Guten Tag, wie geht's, haste dein Beruf noch, was mache die Kinner, is die Frau noch gesund, kann se noch gut schaff? Das steckt alles in die kleine "unn". Die Antwort is dann genauso: "Och, pff!"
Müller’s Zunge. Die Sprache des MP
Von Tonia Koch
Außerhalb seiner Landesgrenzen gilt der Saarländer als zungenfertige Natur. Gut, bis auf den einen, den Dachdecker, der nach Berlin zog, um das Regieren zu lernen. Also Erich, nicht Oskar, obwohl der auch damals in Berlin … Aber er ist, im Unterschied zu dem anderen Saarländer, als schlagfertig bekannt. Und einer, der sich auch gerne mal zu Worte meldet, heißt Müller und ist der Übernachfolger von Lafontaine im Saarland, jedenfalls als Ministerpräsident. War der eine Physiker, so ist der andere studierter Jurist und saß als Richter zu Gericht, kennt sich also aus mit "legitimem Theater".
"Um es auf gut saarländische zu sagen, wenn ich so wenig Salz off de Gallier hätt’ wie die SPD und der Heiko Maas, dann wär’ ich aach fir eine gemeinsamen Wahltermin."
Autor Alles klar? Oder sollte zum besseren Verständnis die Formulierung des saarländischen Ministerpräsidenten doch noch einmal wiederholt werden?
"Salz off de Gallier hätt’."
Nein, nein, nicht dass sie denken, mit den Galliern seien die französischen Nachbarn gemeint, die dem Saarland freundschaftlich verbunden sind. Mitnichten. Wer in früheren Zeiten den Galliern überlassen wurde, dem hatte die Stunde geschlagen. Einmal festgezurrt, gab es kein Entrinnen. Zum besseren Verständnis Sprachwissenschaftler Wolfgang Haubrichs:
"Die Gallier sind die Hosenträger, der Plural von Galgen - nach der Form ist also einmal diese Bezeichnung gefunden worden. Und Salz auf den Galliern soll also heißen, derjenige hat also viel Kraft."
Müller gilt als domänenfest, d h. je nach Umgebung passt er die Standardsprache an. Hin und wieder lässt er Fragmente seines überwiegend moselfränkischen Dialektes einfließen. Dieser ist nicht immer eindeutig, da Müller unmittelbar an der sogenannten dat/das-Grenze aufgewachsen ist. Die Trennlinie zwischen Moselfränkisch und Rheinfränkisch verläuft entlang alter Bistumsgrenzen mitten durchs Saarland. Aber welche Form auch immer, der Ministerpräsident weiß sie zu benutzen. Müller gegenüber Bergleuten nach dem Beben im Februar.
"Ich habe ja wirklich viel, viel ausgehalten, damit es weitergeht, aber was da in Saarwellingen passiert ist, das geht nicht, …"
Auch dann, wenn er etwas nicht sagen möchte, bedient er sich hin und wieder der Mundart. Die Ablehnung klingt dann weniger schroff.
"Han se Zeit? (Gelächter) Also das ist sicher nicht das Thema des heutigen Tages."
Seine Sozialisation im moselfränkischen Sprachraum kann Müller nicht verleugnen.
"Ich zähle zu den seltenen Exemplaren in der Politik, die über persönliche und vertrauliche Gespräche nicht Auskunft geben, weder über Inhalte noch über Zeitpunkte."
Merkmale wie das gerollte "r" hat er in die Standardsprache übernommen. Wolfgang Haubrichs:
"Das ist typisch für das Moselfränkische, dies und auch ein leicht mouilliertes "l ", das auch ein wenig länger klingt."
Nach wie vor werden entweder rheinfränkisch oder die zahlreicheren Varianten des Moselfränkischen in saarländischen Haushalten gesprochen. Quer durch alle Schichten. Im benachbarten Luxemburg ist Moselfränkisch Amtssprache. Wer sich mühelos zurechtfinden möchte, zum Beispiel auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt, sollte Leetzebuerger Platt beherrschen. Und auch in Lothringen versuchen die Kulturvereine den entlang der Grenze gesprochenen Dialekten zur Renaissance zu verhelfen. Das Saarland feierte im vergangenen Jahr 50 Jahre Zugehörigkeit zur Bundesrepublik. Seine Sprachen sind sehr viel älter, gute Wünsche für beide aber können nicht schaden.
"50 Jahre Saarland sind noch lange nicht genug. Es gilt, was an jedem 50sten Geburtstag gewünscht wird, ad multos annos, auf viele weitere Jahre, alles Gute und Gottes Segen für unser Land."
Das 5. gilt. Die Kleine Wappenkunde
Von Claus Stephan Rehfeld
Was prangt auf dem Wappen des Saarlandes? Ein Schalmei, so eine wiederholt uns gegenüber geäußerte Vermutung, ist es nicht. Trotz Udo und Erich. Das Konterfei des kleinen Napoleon von der Saar ist es auch nicht, weil das Wappen wurde schon vorher beschlossen. Und eine bekannte Weinsorte ist es ebenso wenig, wäre auch zu süffisant. Nun, das Land zum Wappen auf der Karte zu finden, ist schon für manchen Mitbürger eine Aufgabe, da links außen auf der Landkarte. Dort, wo es nicht heißt Historischer Verein für das Saarland, wir ahnen, weshalb nicht, sondern "Historischer Verein für die Saargegend". Ja, so mancher kam und ging – und mit ihm auch das Wappen.
Mit dem Wappen des Saarlandes verhält sich wie mit Radio Jerewan. Im Prinzip ja, beides stimmt, obwohl.
Jener Mann, der das Wappen entwarf, ging im Landesarchiv in Saarbrücken beruflich ein und aus. Und er war zugleich Mitglied des Historischen Vereins für die Saargegend. Der Verein druckte es 1951 zuerst in einer Zeitschrift ab. Allerdings spiegelverkehrt. Eine Kleinigkeit, die wieder das Landesarchiv begünstigt. Die dort entworfene Fassung von 1956 wurde gültig - am 01. Januar 1957. Das Saarland war der Bundesrepublik beigetreten.
Das zehnte Landeswappen der BRD entspricht gestalterisch den anderen Wappen der Länder. Doch es erzählt eine saarländische Geschichte. Es ist die Geschichte eines politischen Spielballs. Das Wappen von 1957 greift auf die territoriale Gliederung zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurück.
Zwei Löwen, ein Kreuz und drei Adler. Die Symbole stehen für die vier wichtigsten Herrschaftshäuser an der Saar vor der Französischen Revolution.
Für das Fürstentum Nassau-Saarbrücken steht der weiße Löwe auf blauem Grund.
Für das Kurfürstentum Trier das rote Kreuz auf weißem Grund.
Für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken der goldene Löwe auf schwarzem Grund.
Für das Herzogtum Lothringen die drei weißen Adler auf rotem Schrägbalken.
Erst seit 1920 gibt es das Saarland als politisches Gebilde. Am Anfang ist das Saargebiet, beschlossen im Versailler Vertrag. Das erste Wappen des Saargebietes unter französischer Hoheit ist eine Kombination mehrerer Stadtwappen. Es verschwindet 1935 mit der Angliederung an Deutschland.
18. Juli 1946. Das Saargebiet wird als eigene Verwaltungseinheit aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert. Ein abgewandeltes Stadtwappen von Saarbrücken ist nun das neue Zeichen.
1948. Das Saarland hat eine eigene Flagge, aber noch kein Wappen. Eine öffentliche Ausschreibung bringt zwar viele Entwürfe, aber wenig Klarheit. Die schafft ein Gesetz: Das Landeswappen stellt einen Schild mit einer Brückenkrone dar. Am 1. Januar 1957, mit dem Beitritt des Saarlandes, hat es ausgedient.
Mark, Franc, Reichsmark, Saarmark, Franc, DM. Sechs verschiedene Währungen markieren den Weg vom Saargebiet zum Saarland. Fünf verschiedene Wappen sind es von französischer Verwaltung bis zum Bundesland, von 1920 bis 1957.
Sangeslust und Sangesgut. Wie sich der Saarländer besingt
Von Petra Ries
Ach, auch hier war es der Fußball, der die Saarländer mit einer Stimme singen ließ: "Ich weiß, wo ein liebliches, freundliches Tal, / Von waldigen Bergen umgeben …" In der nächsten Zeile dann "blitzen die Wellen im Sonnenstrahl" auf. Und im ersten Länderspiel der saarländischen Fußball-Nationalmannschaft, es war gegen die Schweiz, blitzte es könnerhaft auf - man schlug die Eidgenossen mit 5 zu 3 vom Felde. In Saarbrücken war es, man schrieb den 22.November 1950. In Amsterdam dann, 6 Jahre später, lief letztmalig eine saarländische Fußballnationalmannschaft auf, verlor gegen die Niederlande mit 3 zu 2 und löste sich auf. Was für einen Text die Saarländer da anstimmten, ist nicht überliefert, wohl aber die gemeine Sangeslust der "Menschen von kernigem Schlage".
Neulich im Saarbrücker Ludwigsparkstadion. Hunderte verzweifelter Fans singen für ihren 1. FC Saarbrücken – der es auch diesmal nicht schaffen wird, sich aus dem Tal der Bedeutungslosigkeit zu kicken. Aber so sind sie, die Saarländer, ihrer Heimat loyal ergeben. Wer in der Landeshauptstadt Saarbrücken wohnt, der lernt früher oder später auch die musikalische Selbstironie der Ureinwohner kennen:
"Mir sinn Saarbrigger, mir spiele Kligger und reesse Beem aus wo gar ken sinn."
Kurze Übersetzung gefällig? "Saarbrücker spielen Klicker und reißen Bäume aus, wo keine sind." Das mit dem Bäume ausreißen hat im Saarland aber noch nie so richtig geklappt. Unter anderem wegen der komplizierten Geschichte. Mal war es Deutsch, mal Französisch, dann wieder Deutsch. Und alle wollten immer nur das Eine: die Kohle. Und weil es im Saarland soviel davon gibt, wird darüber auch fleißig gesungen, und das schon seit dem 18. Jahrhundert.
Bergmannslieder pfeifen saarländische Spatzen von den ehemals verrußten Dächern. Nach dem mittlerweile fast jede Grube geschlossen ist, hat sich das mit den Dächern zwar gebessert, aber die Lieder sind geblieben. Schließlich besingt der Saarländer am liebsten seine Heimat, die Saar, die bewaldeten Hügel, den Fußball und die gute Stimmung. Der Saarländer ist nämlich immer "gudd druff". Entspanntes Dasein im Hier und Jetzt. Savoir Vivre – mit der Gitarre in der Hand – und keinesfalls Französisch.
Im Saarland kursiert der Spruch, es gäbe mehr Musikvereine als Fußballclubs. Das ist bis heute unwidersprochen. Was sagen die Zahlen? Insgesamt 434 Chöre gibt es allein im Saarländischen Chorverband. Da sind die Kirchenchöre noch gar nicht eingerechnet. Im katholisch geprägten Saarland steht an jeder Butterblume ein Gotteshaus und dort wird gesungen. Und das oft sogar sehr anspruchsvoll.
An fast jeder Dorfecke gibt es auch einen Männergesangsverein, Machart "halbe Lunge", der mit einem Durchschnittsalter von 79 die schwarzbraune Haselnuss schmettert. Die Jungen zieht es da natürlich nicht hin, die sitzen in den Nischen, machen Pop, Musical, Rock oder Jazz.
Aber machen wir uns nichts vor: Der Durchschnittssaarländer hat ein ganz anderes Lebensmotto: Hauptsach Gudd gess. Dazu gehört die Lyoner. Diese Fleischwurst gewordene Lebenseinstellung hat zwar noch keine eigene Hymne bekommen, aber das stört wenig. Das saarländische Herz schlägt konservativ und daher geht fast nichts über altbewährtes Liedgut:
Sehr grenzwertig. Das Saarland
Von Detlev Schönauer
Wenig bekannt dürfte die Insellage des Saarlandes sein. Nein, nicht die politisch-geographische Lage ist gemeint, sondern die andere, die sprachliche Insellage. Ja, mehr noch, das Saarland ist ein Inselreich. Jedenfalls hat man uns das so erklärt, meinte es Dialektal und zeigte auf eine Landkarte mit vielen Inseln, auf denen noch einige Insulaner wohnen. Einheimische bezeichnen sie als Sprachinseln, noch genauer als Dialektinseln. Wir sagen nur Kleinblittersdorf-Bliesransbach und wie die Dialektinseln so heißen. Und wie es sich so bei Ansammlungen von Menschen verhält, halten sie hartnäckig an ihren Dialektinseln fest und verweisen so ganz nebenbei auf diverse Grenzlinien wie den Rheinischen Fächer. Bei ihm handelt es sich um die das-dat-so-ist-Linie, die sich von der datt-watt-so-ist-Grenze unterscheidet. Mit der Heimläufergrenze wollen wir ihnen nun nicht auch noch kommen, wohl aber mit einer naheliegenden Frage, jedenfalls im Saarland.
"Oh la – was is die Mittelpünkt von die Europa? Ihr werdt’s nischt glaube: die Sarrelande. Nix Wurmfortsatz von Deutschelande, oder gar die Fußabtreter vor Frankreische... die Herz von Europe. Saarlander sage sogar, sie wäre die Nabel von die Welt. Stimmt auch, zumindest, wenn mer kuckt von vorn, weil von hinten is nischt die Nabel iss dann, ehem... egal. Aber ein wischtischer Land, kommt wie oft in die Nachrischte, wemmer eine Größevergleisch brauch für eine Ölteppisch, oder eine Waldbrand… Aber is auch innerlisch kosmopolitisch. Gummo, wie viele Grenze es da gibt. Gut, die Saarlander kenne nur die Franzo’s auf die ein Seit, unn auf die anner die Pälzer: "im Reisch!" wie se heut noch sage. Hinner die Grenz' zwische Genie unn Wahnsinn, kurz vor Kaiserslautern. Aber gibt noch mehr: allein unser Tankstell Luxembursch. Unn mitte dursch die winzischer Sarrelande geht sogar noch ein Sprachgrenz: die "datt/watt"-Grenz. Auf die ein Seit mer sagt "das" unn "was" wie in die Palz, auf die anner Seit "datt" unn "watt"… schon wie in die rheinischer Raum. Wieviel verschieden Sprach… dafür könne die Saarlander keine Franzosisch, auch wenn mer das immer denkt. Wobei das praktisch wär, weil mer geht hier viel rüber nach die Frankreisch zum Einkaufe. Is so ein kleines Grenzverkehr. Wenn die Franzose Feiertag habe, falle die hier regelmäßisch ein. Unn die habe viel Feiertag: für jedes gewonnenens Kriesch habe die ja eine Feiertag gekrischt. In Deutschelande gibt jetzt wenischer Feiertag, aber wenn... dann gibt’s ein rischtisch Invasion drübe im franzosisch Hypermarchés. Oft komme die Franzos’ nischt mehr zu die Einkauf. Dann spiele die da alle halb Stunn die Saarlandischer Nationalehymne, dieser Bergmannlied "Glückauf die Steiger was kommt" - wenn der Saarlander das hört, steht automatisch stramm: unn in der Zeit könne dann die Franzos' auch mal einkauf."