Wie das Kabarett die Stimmung in der Bevölkerung spiegelt
Der bayerisch-katholische Kabarettist Christian Springer hat derzeit leichtes Spiel, wenn er auf der Bühne die CSU aufs Korn nimmt. Lacher sind ihm sicher. Doch wen sonst am kommenden Sonntag wählen? Im Publikum herrscht Ratlosigkeit.
Ein politischer Kabarett-Abend in Mühldorf am Inn. Anderthalb Stunden Zugfahrt von München entfernt. Auf der Bühne im ausverkauften Kleinkunst-Theater Haberkasten: Christian Springer.
"Vielen Dank, einen schönen guten Abend. Was haben Sie angestellt? Als ich das letzte Mal hier war, war die CSU bei 47% Prozent. Wahnsinn, oder? Bayern hat darauf gewartet, dass die CSU eines Tages abstürzt. Und jetzt ist es uns auch wieder nicht recht."
Damit trifft Springer die Stimmung in Bayern. Besonders in der Provinz, wie hier in Mühldorf. Eine Publikums-Umfrage kurz vor Beginn der Vorstellung zeigt: die Bayern haben Angst vor der eigenen Courage. Viele zweifeln, wem sie ihre Stimme geben sollen.
"Ich weiß es noch nicht."
"Ich weiß es auch nicht. "
"Ich weiß nicht, was ich wählen soll!"
"Keine Ahnung. Weil das, was man lange Zeit gewählt hat, kann man kaum mehr wählen."
"Das war die CSU?"
"Ja."
"Und was wählt man stattdessen?"
"Ich weiß es nicht!"
"Ich weiß es auch nicht. "
"Ich weiß nicht, was ich wählen soll!"
"Keine Ahnung. Weil das, was man lange Zeit gewählt hat, kann man kaum mehr wählen."
"Das war die CSU?"
"Ja."
"Und was wählt man stattdessen?"
"Ich weiß es nicht!"
Mühldorf am Inn ist eigentlich eine der wenigen roten Flecken in der oberbayerischen Provinz, klärt ein Kabarett-Besucher auf.
Die SPD wird auch in "roten" Städten abstürzen
"Mühldorf gilt als rote Stadt, weil wir hier in der Vergangenheit ganz hervorragende Kommunalpolitiker hatten. Speziell Bürgermeister. Hat aber wenig mit der Landespolitik und den Landtagswahlen zu tun."
"Also auch hier wird die SPD abstürzen?"
"Vermutlich ganz schwer, ja."
"Also auch hier wird die SPD abstürzen?"
"Vermutlich ganz schwer, ja."
Aber an diesem Abend geht es nicht um die bitteren 11% der Stimmen, die die Bayern-SPD bei der Landtagswahl am Sonntag laut Umfragen bekommt. Es geht um den desaströsen Absturz der CSU – der bayerischen Staatspartei, als die sich die Christsozialen jahrzehntelang fühlten.
Und irgendwie auch fühlen durften, mit ihrer absoluten Mehrheit. Und jetzt? Mit – laut Umfragen – gerade mal 33%? Der Kabarettist Christian Springer hat gegoogelt.
"'CSU' und 'Demut'. Da gibt’s Treffer. 70.000 Treffer, wenn du CSU und Demut eingibst. Und dann hab‘ ich 'CSU' und 'Macht' eingegeben. Da gibt’s über elf Millionen Treffer."
Das nahende Ende des Absolutismus in Bayern – 100 Jahre nach dem Untergang der Monarchie – verunsichert nicht nur die CSU, sondern den ganzen Freistaat. In den Städten mögen Zehntausende erwartungsfroh demonstrieren. Auf dem Land mischt sich in die politische Zeitenwende Beklommenheit. Gar Ratlosigkeit.
"Es ist schwierig geworden mit Bayern. Weil: Wo san unsere Werte? Söder hat Plakate aufgehängt: Jeder, der bei uns lebt, soll sich nach unseren Werten richten. Aber was sind das für Werte? Geben Sie mal 'Werte' im Internet ein, da kommen 1500 Werte. Und Politiker kommen mit drei oder vier Werten daher, der Fußballverein auch. Vielleicht haben Sie in der Familie auch Werte. Du weißt ja gar nicht mehr, von welchen Werten die Rede ist. Im Grundgesetz haben wir schon Werte. Gleich im ersten Satz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber mei: Würde, würde, würde. Geht schon mit einem Konjunktiv los. Vielleicht haben wir Werte, vielleicht auch nicht."
Sicher ist, dass die Umfrage-Werte der Volksparteien in den Keller gerutscht sind. Christian Springer sinniert vor dem Auftritt in seiner Garderobe darüber, dass die Zeit großer Volksparteien auch in Bayern abgelaufen sei.
"Das Strauß’sche Mia-san-mia-Denken ist vorbei!"
"Das Strauß’sche, das boarische Mia-san-mia-Denken – das ist vorbei! Sie finden in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr, wo eine katholische Frau und ein katholischer Mann verheiratet sind, und die ziehen katholische Kinder groß und leben in einem Ort, an dem die Familie schon seit 400 Jahren lebt. Das ist komplett vorbei. Sondern da kommt die Frau aus Hannover, und er hat polnische Eltern gehabt. Und die ziehen irgendwohin. In den Speckgürtel von München. Und die haben ganz normale Alltagsprobleme, die man aber in einem Dorf in Frankreich ganz genauso hat."
Der gebürtige Münchner Christian Springer ist katholisch. Einer der letzten noch lebenden katholischen Kabarettisten, scherzt er. Springer glaubt, dass einer der wichtigsten Gründe für den Umfrage-Absturz der CSU die Entscheidung Markus Söders war, in bayerischen Amtsgebäuden wieder Kreuze aufhängen zu lassen.
"Das war ein Versuch. Er wollte sehen, ob es noch dieses christlich-katholische Bayern gibt. Man hat gesehen, das gibt es nicht mehr so. Jeder zweite glaubt an gar nichts mehr. Wenn das Kind geboren wird und die Oma ist dabei und sagt, das müsst’s schon taufen lassen, dann lässt man’s taufen. Aber dann stellt man sich doch eher vom IKEA den Buddha ins Regal, weil der in der Wohnung für eine gute Stimmung sorgt. Das ist unser Glaube. Und das Hufeisen noch, das hat mit Christentum nichts zu tun, das ist reiner Aberglaube. Und solche Leute ködert man nicht, indem man sagt, da muss ein Kreuz aufgehängt werden."
"Söder, Söder, wer heißt denn Söder hier? Niemand, das ist ein ungewöhnlicher Name. Da waren wir im Süden von Bayern schon 400 Jahre christlich-abendländisch, da haben die in dem Dorf, wo der Söder herkommt, noch 300 Jahre lang die Fußnägel vom Warzenschwein angebetet."
Wohin nur mit dem Kreuzl?
Am Ende des Kabarett-Abends, vor dem Haberkasten, ist das Kreuz wieder ein Thema. Genauer: das Kreuzl auf dem Wahlzettel.
"Ich glaube schon, dass die CSU bei der Landbevölkerung schon noch gesetzter ist. Sie werden ganz speziell in der Stadt die Probleme haben, bei den Jungwählern. Bei den Urbanen kommen sie nicht an. Auf dem Land sind sie stärker."
"Glaube ich auch. Auch bei den älteren Wählern ist die CSU mehr verankert. Schauen Sie mal die Bierzelte an, wie die bei Söder-Reden befüllt sind. Da finden Sie wenig junge Leute drin. Das Programm kommt bei denen nicht an. In der Stadt gibt’s halt mehr Querdenker."
Städtische Querdenker wie Christian Springer. Der auch die Leute auf dem Land zum Lachen bringt. Vor allem dann, wenn er die CSU an ihrem wundesten Punkt trifft: dem Zank ihrer Alphatiere Seehofer und Söder.
"Und dann auf dem CSU-Parteitag vor zwei Wochen: die große Versöhnung! Sagt Horst Seehofer von der Bühne zu Markus Söder herunter: 'Markus Söder ist das Beste, was Bayern zu bieten hat.' Da hab‘ ich gedacht: Uiuiui! Der war schon lang nicht mehr im Freistaat."