Brigitte Fehrle, 1954 in Stuttgart geboren, arbeitete nach dem Studium zunächst für den "Süddeutschen Rundfunk" und die "taz". In den 1990er-Jahren wechselte sie zur "Berliner Zeitung" und stieg dort 2001 zur stellvertretenden Chefredakteurin auf. 2006 ging sie in gleicher Position zur "Frankfurter Rundschau". Bis Februar 2009 leitete sie das Berliner Büro der "Zeit". Dann kehrte Fehrle als stellvertretende Chefredakteurin zurück zur "Berliner Zeitung". Von 2012 bis Oktober 2016 war sie dort Chefredakteurin. Heute ist sie als freie Autorin tätig.
Schaden für das Ansehen von Politik und Demokratie
05:24 Minuten
Mit Sorge blickt die Journalistin Brigitte Fehrle auf die Absage von Neuwahlen in Thüringen. Sie mahnt, Versprechen an die Wähler sollten eingehalten werden. Ministerpräsident Bodo Ramelow müsse jetzt im Landtag die Vertrauensfrage stellen.
Die Glaubwürdigkeit der Politik in Thüringen habe längst Schaden genommen, sagt die Journalistin Brigitte Fehrle über die jüngsten Entwicklungen in Erfurt. Dort sollte im Herbst eigentlich ein neuer Landtag gewählt werden, nun wurde das überraschend abgesagt.
"Chaostage in Thüringen mal wieder", kommentierte das Fehrle. Die jetzige Situation beruhe nach wie vor auf dem Chaos von 2020, als sich der FDP-Abgeordnete Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten habe wählen lassen. "Daraus ist diese instabile Situation entstanden."
Fraktionen nicht im Griff
Danach habe die CDU den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) mitgewählt, weil er versprochen habe, möglichst bald Neuwahlen zu organisieren. Es habe jetzt die Möglichkeit gegeben, dieses Versprechen einzulösen, denn die Parteienvereinbarung sei ausgelaufen, so Fehrle. "Dass das nicht passiert, ist natürlich ein großer Schaden für das Ansehen der Politik in Thüringen und ein großer Schaden für die Demokratie, denn wenn die Leute sich nicht mehr darauf verlassen können, dass das dann auch eintritt, was die Politiker versprechen, ist das absolut fatal." Da hätten Linke und CDU ihre Fraktionen nicht im Griff, denn es seien einzelne Abgeordnete, die nicht mitstimmen wollten.
Aus ihrer Sicht laufe das auf eine Art "Erpressungssituation" heraus für diejenigen, die möglichst bald Neuwahlen gefordert hätten. "Natürlich möchte man ein Parlament nicht mit den Stimmen der AfD auflösen", so Fehrle. Wenn es diese Abweichler bei CDU und Linke nicht gäbe, hätte der Landtag die nötige Zweidrittelmehrheit ohne die AfD. Dann könnte man den Wählerwillen erfüllen.
Aus ihrer Sicht laufe das auf eine Art "Erpressungssituation" heraus für diejenigen, die möglichst bald Neuwahlen gefordert hätten. "Natürlich möchte man ein Parlament nicht mit den Stimmen der AfD auflösen", so Fehrle. Wenn es diese Abweichler bei CDU und Linke nicht gäbe, hätte der Landtag die nötige Zweidrittelmehrheit ohne die AfD. Dann könnte man den Wählerwillen erfüllen.
Fehrle befürchte aber, die Abgeordneten stimmten nicht mit, weil sie Sorge hätten, nach der Wahl nicht wieder im Landtag zu sitzen und deshalb von einer Versorgungsregelung nicht profitieren zu können. "Das halte ich politisch für absolut unanständig, das geht nicht." Dafür seien die Parteichefs verantwortlich.
Es gehe darum, ob politische Versprechen und Regeln eingehalten würden, betont Fehrle. Ramelow brauche einen neuen Haushalt und habe versprochen, die Abstimmung darüber im Landtag mit einer Vertrauensfrage zu verbinden. Wenn eine Mehrheit für ihn stimme, habe der Ministerpräsident eine neue Legitimation. Sollte er die Vertrauensfrage jetzt nicht stellen, fände sie das "demokratisch unglaublich bedenklich".
(gem)