Landtagswahlen

Union und SPD haben in den Abgrund geschaut

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht auf einer Pressekonferenz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Merkel ist es nicht gelungen, ihr "Wir schaffen das" mit Inhalt zu füllen, kommentiert Frank Capellan. © Imago / Stefan Zeitz
Von Frank Capellan · 14.03.2016
Die Unfähigkeit der Regierung Angela Merkels hat dazu beigetragen, dass sich große Teile des Volkes von den Volksparteien abgewendet haben, kommentiert Frank Capellan. Das schlechte Wahlergebnis könnte Union und SPD vorübergehend aber wieder etwas näher bringen.
"Es geht um den Bestand der Union!" Horst Seehofer findet heute wieder einmal besonders drastische Worte. Von tektonischen Verschiebungen im Parteienspektrum spricht der CSU-Vorsitzende. Rechts von der Union könnte sich auch bundesweit eine neue politische Kraft etablieren, und das katastrophale Abschneiden der SPD in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg lässt fragen, ob damit insgesamt das Ende der einst stolzen Volkspartei eingeläutet wird.
Sigmar Gabriel hat durch den in seiner Deutlichkeit kaum für möglich gehaltenen Erfolg in Rheinland-Pfalz zwar eine Atempause bekommen, aber: Der Chef muss liefern, den Niedergang der deutschen Sozialdemokratie irgendwie stoppen. Wohin die Reise gehen soll, hat er gleich gestern Abend klargemacht. Die Idee eines Sozialpaktes erneuert Gabriel, die SPD soll wieder das bekommen, was einmal ihr Markenzeichen war, die Partei des sozialen Ausgleichs, der sozialen Gerechtigkeit werden. Hört sich gut an, fragt sich nur, ob er damit die zurückholen kann, die sich einst wegen der Agenda-Politik Schröders von der SPD abgewendet haben.

Verlässlichkeit rentiert sich

Dass Gabriel erst jetzt unter dem Druck des AfD-Zuspruchs Investitionen fordert, macht ihn nicht unbedingt glaubwürdiger. Auch durch eine klare Linie in der Flüchtlingspolitik hat er sich nicht ausgezeichnet. Wie sehr sich Verlässlichkeit allerdings rentiert, haben gerade Malu Dreyer und Winfried Kretschmann eindrucksvoll bewiesen. Das zeigt nebenbei aber auch, wie sehr Politik von Persönlichkeiten mit Ausstrahlung lebt.
Ein einsamer Wolf, der im Südwesten der Republik den Populisten hinterher hechelt und jetzt auch noch die Chuzpe besitzt, gegen den klaren Wählerwillen eine Regierung an Kretschmann vorbei bilden zu wollen, eine Julia Klöckner, die sich nicht traute, ihren Flüchtlingsplan als einen Plan B zu bezeichnen - solche Protagonisten verschaukeln die Wähler und treiben sie der AfD in die Arme.

Es geht um die Spaltung der Gesellschaft

Die Kanzlerin macht es sich dennoch zu leicht, wenn sie Fehler und Schwächen der eigenen Kandidaten als Bestätigung ihrer Linie in der Flüchtlingspolitik wertet. Merkel ist es nicht gelungen, ihr "Wir schaffen das" mit Inhalt zu füllen. Statt dessen hat sie viel zu lange zugelassen, dass in Berlin über meist am Thema vorbeigehende Asylpakete gestritten und geredet wurde, statt wirklich zu handeln.
Diese Unfähigkeit ihrer Regierung hat dazu beigetragen, dass sich große Teile des Volkes von den Volksparteien abgewendet haben. Union und SPD haben jetzt in den Abgrund geschaut, das könnte sie vorübergehend noch einmal etwas näher zueinander bringen. Fragt sich nur, ob Seehofer mitspielt. Ihm dürfte noch klarzumachen sein, dass es auch um eine von ihm mit vorangetriebene Spaltung unserer Gesellschaft geht – und nicht nur um den Bestand der Union!
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