Warum Wahlkampf moderner und bürgernäher sein sollte
Die Kampagnen für drei Landtagswahlen am 13. März laufen auf Hochtouren. Ob der Wahlkampf wirklich moderner geworden ist, wollte Felicitas Boeselager herausfinden – und hat unter anderem testweise die CDU Sachsen-Anhalt auf WhatsApp angechattet.
Wähl mich" beziehungsweise "wähl uns" – Die Berliner Bevölkerung bis September davon zu überzeugen: Das ist die Aufgabe von Dennis Buchner, dem Wahlkampfleiter und Landesgeschäftsführer der Berliner SPD. Aber wie?
"Ich glaube Wahlkämpfe werden nicht jedes Jahr neu erfunden, es kommt darauf an, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Unsere Strategie ist ganz klar, über unsere vielen Mitglieder mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Und das passiert am Küchentisch zu Hause, bei Sommerfesten in der Nachbarschaft, bei Sportvereinen und eben auch am Infostand, oder bei Veranstaltungen von Parteien, oder eben auch im Internet."
Buchners SPD setzt also auf den direkten Kontakt zum Wähler, sei es an Ständen, auf dem Marktplatz oder beim Klinkenputzen.
"Hallo ich bin Marian und das ist Lisa von der SPD und ich wollte fragen, ob wir vielleicht drei Fragen ganz schnell stellen dürfen?"
Auch Wahlkampfexpertin und Publizistin Kerstin Plehwe hält viel von der direkten Ansprache. Sie sieht allerdings noch Verbesserungsbedarf:
"Der Wahlkampf in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern immer noch relativ klassisch unterwegs. Heißt, es werden immer noch mehr Plakate geklebt, als der Dialog mit dem Wähler gesucht und der direkte Austausch mit dem Wähler. Wie wir das zum Beispiel aus den USA kennen. Insofern ist der Wahlkampf moderner geworden, aber nicht unbedingt interaktiver und schon gar nicht bürgernäher aus meiner Sicht."
Wenig Bürgernähe und Aussagekraft
Moderner, aber nicht näher am Bürger, nicht aussagekräftig genug. Das Problem bei Wahlkampfplakaten liegt oft auch darin, dass ihre Slogans so beliebig sind. Selbst einem politisch interessierten Menschen wird es schwerfallen, diese verschiedenen Plakatsprüche aus dem aktuellen Wahlkampf in Baden Württemberg, einer bestimmten Partei zu zuordnen:
"'Wissen ist unser Kapital' steht auf dem Einen. Auf dem nächsten: 'Bildung. Zukunft.' Und ein anderes verkündet: 'Riskieren wir, dass unsere Kinder schlauer sind als wir.'"
Für die meisten Wahlkämpfer in Deutschland aber, so auch für SPD-Wahlkampfleiter Buchner, haben Wahlplakate sowieso eine ganz andere Funktion:
"Bei der Plakatwerbung geht es im Wesentlichen darum, darauf aufmerksam zu machen, dass eine Wahl stattfindet. Wir plakatieren sieben Wochen vor dem Wahltermin Großflächenplakate, aber auch Kandidatinnen und Kandidatenplakate. Und im Wesentlichen geht es drum, deutlich zu machen: Jetzt ist bald eine Wahl und informiert euch, wer's sein könnte."
Diese Einstellung hält die die Publizistin Plehwe für eine verpasste Chance:
"Es reicht nicht mehr zu sagen, Leute, es ist Wahl. Wir sehen das ja jetzt in den drei Bundesländern, sozusagen was dann die Angebote der Parteien sind und für wen man sich aus Protest, oder Entscheidung, oder auch fehlender Entscheidung entscheidet, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Insofern, Wahlplakate müssen inhaltlich auch Aussagen machen und vor allem: Es muss viel, viel mehr passieren, um das Wahlplakat, es müssen Dialoge auf allen Ebenen aufgebaut werden, alle Medien bedient werden, noch mal die Kandidaten mit einer ganz anderen emotionalen inhaltlichen Aufladung auch den Mut haben, Themen nach vorne zu tragen. Und dieser Mut fehlt aus meiner Sicht ganz, ganz oft."
Ein Test-Chat auf WhatsApp
Andere Ebenen bedienen Politiker heutzutage, indem sie verschiedene Kanäle für ihre Wahlkampfkommunikation nutzen. Viele Kandidaten sind direkt bei Twitter ansprechbar, die Parteien posten auf Instagram und Facebook, manche kann man sogar per WhatsApp anchatten:
"Liebe CDU Sachsen-Anhalt, was wollen Sie gegen den Ärztemangel auf dem Land tun? Viele Grüße, Felicitas Boeselager"
"Sehr geehrte Frau Boeselager, vielen Dank für Ihre Frage.
"Wir sichern auch in Zukunft die ärztliche Versorgung auf dem Land. Wir gehen weiterhin neue Wege durch den weiteren Ausbau der Telemedizin. Zum Erhalt der (primär-)ärztlichen Versorgung wollen wir auch angehende Landärzten im und nach dem Medizinstudium besonders unterstützen."
"Wir stehen Ihnen natürlich auch weiterhin für Ihre Fragen zur Verfügung."
"Ein schönes Wochenende wünscht ihn die CDU Sachsen-Anhalt."
Zwischen Frage und Antwort in diesem Chat vergingen einige Tage, gäbe es eine WhatsApp-Zeitrechnung, dann wären es Jahre. Und auch die formelle Sprache der Antwort scheint aus der Welt gefallen. Beim Messengerdienst WhatsApp geht's normalerweise umgangssprachlich bis salopp zu. Das Internet hat dem Wahlkampf also neue Möglichkeiten eröffnet und den Zugang zu Neuwählern erleichtert. Aber diese Möglichkeiten müssen eben auch adäquat genutzt werden – ein schmaler Grat zwischen Authentizität und Blamage.
"Mut zur Emotion"
"Man muss sich im Voraus gut überlegen, wie die eigenen Prozesse aussehen, also wie schnell wird eine E-Mail oder ein Post oder ein Kommentar zu einem Post dann auch beantwortet. Und in welcher Sprache, in welchen Jargon wird das gemacht. Die Krux dabei ist, dass es auf der einen Seite der Kultur und der Sprache der oftmals jungen Menschen entsprechen muss und dass es auf der anderen Seite auch natürlich authentisch sein muss auch für den Kandidaten."
Die Kandidaten im deutschen Wahlkampf und die deutsche Politik haben, laut Plehwe, ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Die Bevölkerung glaube nicht, dass amtierenden Politiker in der Lage sind, tatsächlich etwas zu ändern. So entstünden Protestwähler. Und deshalb hätten Parteien wie die AfD und andere im linken und rechten Spektrum im Moment einen verhältnismäßig großen Zuspruch.
Auch im Umgang mit diesen Parteien und deren Wählern empfiehlt Plehwe eine direkte Kommunikation. Eine klare Auseinandersetzung und einen Faktencheck. Den großen Zuspruch, den der rechte Rand in den sozialen Netzwerken erfährt, macht sie auch daran fest, dass deren Vertreter in den klassischen Medien, im Rundfunk und in den Zeitungen, keine beziehungsweise kaum eine Plattform bekommen.
Nicht nur im Umgang mit anderen Parteien, sondern auch im Wahlkampf plädiert sie für mehr Reibungsfläche:
"Mein Fazit zum Wahlkampf jetzt ist: Mut zur Klarheit, Mut zur Auseinandersetzung und auch was den Deutschen bisschen fernliegt: Mut zu mehr Emotionen, weil Emotion schafft Aktion. Und der Verstand aktiviert uns nicht wählen zu gehen. Sondern es aktiviert uns das Gefühl, dass es wichtig ist für mich, für mein Leben, für meine Familie jetzt wichtig ist an einer bestimmten Stelle ein Kreuzchen zu setzen und dafür muss ich Argumente und Gefühle geliefert bekommen."