Landwirtschaft

Besseres Grundwasser dank Hightech auf dem Feld

07:02 Minuten
Ausbringen von Gülle auf dem Feld – aufgenommen in den Niederlanden.
Das sogenannte Precision Farming ermöglicht, die Menge des Düngers je nach Bedarf der Pflanze passgenau zu regulieren. © imago images / blickwinkel
Von Annegret Faber · 04.06.2019
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Die Überdüngung in der Landwirtschaft hat dramatische Folgen: Das Grundwasser ist immer stärker mit Nitrat belastet. Laut Umweltbundesamt überschreiten in Deutschland viele Brunnen die Grenzwerte. Hilfe verspricht auch moderne Technik aus dem All.
Wolfgang Grübler ruft laut in sein Handy: "Wo bist Du denn, Mathias?", fragt der Geschäftsführer eines sächsischen Agrarunternehmens seinen Mitarbeiter. Die Verbindung ist schlecht. "Unten an der Wasserstelle am Teich? Ich komme!"
2000 Hektar Land bestellt Grübler: Pflanzt Rüben, Raps, Wintergerste und Weizen. Die Pflanzen brauchen Stickstoff, damit die Ernte gut wird. Den Dünger bringen getunte Traktoren aufs Feld, ausgestattet mit Sensortechnik und Kameras. Fahrer Mathias König macht gerade Mittagspause unter einem Baum. Am Feldrand steht der Hightech-Traktor: Grünes Führerhaus, Hinterräder auf dicken, roten Felgen, die so groß sind wie Wolfgang Grübler.

Düngerbedarf per Messung

"Da oben ist die Kamera", erklärt der Geschäftsführer des Agrarbetriebs und deutet auf die Spitze des Führerhauses. Über die gesamte Breite ist ein weißer, geschwungener Plastikaufbau montiert. An den Enden, rechts und links über den Seitenfenstern, sind ein kleines und ein großes Objektiv eingebaut.
Die Kameras scannen die Pflanzen und bestimmen den Chlorophyllgehalt. Aus dem lässt sich errechnen, wie viele Nährstoffe die Pflanze gerade braucht. Die nötigen Informationen bekommt der Fahrer im Führerhaus auf einem Bildschirm angezeigt. Ein Computer entscheidet in Sekundenschnelle, wie viel Stickstoff Rübe, Raps oder Weizen benötigen und regelt an der Hinterseite des Traktors einen Schieber. "Das wird alles elektronisch gesteuert", so Grübler. Damit lässt sich die Menge des Düngers passgenau regulieren.
Wie viel Dünger er dadurch spart, könne er nicht in Zahlen ausdrücken, so der Landwirt. Die Preise seien von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und das Wetter spiele ebenfalls eine Rolle. Aber eines sei sicher: "Wir haben eine bessere Qualitätsernte und wir haben die Pflanze so versorgt, wie sie es benötigt." Das schone letztlich auch die Umwelt.

Nitratwerte außer Kontrolle

Denn auf dem Acker landet nur die wirklich nötige Menge an Stickstoffverbindungen. Genau so viel, dass die Pflanze alles aufnimmt und deshalb nichts überflüssiges ins Grundwasser gelangt. Aus dem Dünger wird dort Nitrat, das vor allem für Säuglinge gefährlich ist. Laut Umweltbundesamt überschreiten in Deutschland fast alle Brunnen die Grenzwerte. 50 Milligramm pro Liter ist die Obergrenze. Die Wasserwerke haben sich aber verpflichtet schon bei 37,5 Milligramm zu reagieren und gegenzusteuern. Und das ist häufig nötig: In den meisten Brunnen werden Nitratwerte von mehr als 40 Milligramm gemessen.
Kurt Jürgen Hülsenberg kennt das Problem der Überdüngung. "Wir haben im Durchschnitt Stickstoffüberschüsse von 100 Kilogramm Stickstoff je Hektar und Jahr", sagt der Agrarwissenschaftler der Technischen Universität München. Das ist Stickstoff der sich nicht in den landwirtschaftlichen Produkten wieder findet und so ins Grundwasser gelangt. Politisch lautet das Ziel, den Überschuss auf etwa 70 Kilogramm zu reduzieren. "Wahrscheinlich aber muss man noch deutlich mehr sparen", so Hülsenberg. Nur so lasse sich die Nitratbelastung wirksam reduzieren.

Hilfe aus dem All

Mit Hightech in der Landwirtschaft, dem sogenannten Precision Farming, könne man das erreichen, sagt auch Heike Bach. Sie ist Geschäftsführerin einer Firma, die Forschung und Entwicklung in die landwirtschaftliche Praxis bringt. Ihr Ansatz ist aber nicht der Sensor am Traktor, sondern Kontrolle aus dem All. "Es kommt vor, dass wir Landwirte anrufen und ihnen erklären, dass Teile ihres Ackers eine schlechte Stickstoffaufnahme haben", so Bach. Meist reagierten die Bauern zunächst ungläubig. "Aber dann schauen sie nach und räumen kleinlaut ein: Das ist mir entgangen, dass da etwas nicht funktioniert hat."
Für die Vermessung greift die Firma von Heike Bach auf Satellitendaten zurück. In 750 Kilometern Höhe kreisen sie um die Erde und messen aus dem All den Chlorophyllgehalt in den Pflanzen. Allerdings nicht auf den Punkt genau, wie vom Traktor aus. Die kleinste Messgröße ist eine zehn mal zehn Meter Fläche.

Strafzahlungen an die EU

Seit 2015 können alle EU-Länder kostenfrei auf die Daten zugreifen mit dem Ziel, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Bis zu zehn Prozent stickstoffhaltiger Dünger könnte damit eingespart werden, sagt Agrarwissenschaftler Hülsenberg. Aber nur jeder zehnte Landwirt arbeite mit Satellitentechnik. Etwa doppelt so viele nutzten Sensoren am Traktor: "Wir sind also weit entfernt von einem flächendeckenden Einsatz."
Ein Grund sind die Investitionskosten. Die Sensortechnik am Traktor kann mit bis zu 20.000 Euro zu Buche schlagen. Hülsenberg fordert, dass der Staat den Einbau der Technik subventioniert. Schließlich habe er ein Interesse daran, dass es weniger Stickstoff im Boden gibt.
Falls Deutschland die Grenzwerte weiterhin reißt, wären Strafzahlungen an die Europäische Union fällig. Im Erstverfahren wurde die Bundesregierung bereits verurteilt: Wegen nicht Einhalten der Gewässerschutzrichtlinien. Derzeit prüft die EU neue Vorschläge aus Deutschland, wie es besser werden könnte. Werden die nicht angenommen, drohen bis zu 861.000 Euro Strafe pro Tag, so lange, bis die Nitratwerte im Grundwasser wieder sinken.

Hightech-Traktor mit Tücken

Das sei sicher nicht im Interesse der Landwirte, sagt Wolfgang Grübler. Viele Landwirte wollte selbst etwas tun, um die Umwelt zu schützen. Er selbst habe die Sensor-Technik ohne Förderung angeschafft, für besseres Grundwasser und nebenbei leichteres Arbeiten auf dem Traktor.
Und tatsächlich sei es einfacher geworden, bestätigt Traktorfahrer Mathias König: Früher habe er sehr viel mehr manuell regulieren müssen. Nur eines könnte noch besser sein, sagt er. Der Fahrersitz: "Mal aufstechen und sich strecken während der Fahrt, wäre schön." Aber das gehe leider nicht: Die Sensoren haben nämlich nicht nur den Stickstoffeintrag unter Kontrolle, sondern auch seinen Fahrersitz. Wenn er aufsteht, bleibt der Traktor stehen.
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