Landwirtschaft

Nebulöse Sicht auf Nachhaltigkeit

Von Johannes Kaiser |
Die Autoren Anita Krätzer und Franz-Theo Gottwald kritisieren in ihrem Buch, dass der Biotechnologie pauschal Umweltverträglichkeit attestiert werde. Mit PR-Tricks versuche man, die Bioökonomie grün zu waschen.
Der Begriff suggeriert Naturnähe und Nachhaltigkeit, doch hinter "Bioökonomie" steckt keineswegs die Absicht, die Wirtschaft nach ökologischen Kriterien auszurichten, sondern die Natur kommerziell auszubeuten. Davon sind jedenfalls der Dozent für politische Ökologie Franz-Theo Gottwald und die Umweltjournalistin Anita Krätzer überzeugt und liefern auf den gut 160 Seiten ihres Buches genügend Beweise, um ihre Vorwürfe auch zu untermauern. Ihre Literaturliste enthält die wichtigsten kritischen Studien zum Thema.
Durch die Bioökonomie erhofft man sich von genetisch modifizierten Organismen weitreichende Veränderungen für die Nahrungsmittel-, Chemie- und Pharmaproduktion. Dabei werden die Biotechnologien als 'Motor für eine ökologisch nachhaltige Produktion‘ angepriesen. Ungerechtfertigt, so die Autoren, denn Nachhaltigkeit werde undifferenziert sowohl genetisch veränderten Pflanzen als auch der energetischen Nutzung landwirtschaftlicher Abfälle zugesprochen. Sie bemängeln insbesondere, dass der Biotechnologie pauschal Umweltverträglichkeit attestiert werde, obwohl Risikoforschung fehle. Mit PR-Tricks versuche man, die Bioökonomie grün zu waschen, so die Autoren. Etwa indem man Gentechnik durch das Wort Biotechnologie ersetzte.
Die personellen Verflechtungen zwischen Vertretern der Biotechnologieunternehmen, Forschungsorganisationen und staatlichen Stellen, die im Buch genannt werden, sind beunruhigend. So gehören dem Bioökonomierat, dem wichtigsten Beratungsgremium der Bundesregierung, Forscher aus der Gentechnik und Biotechnologie an, die zugleich in den Aufsichtsräten entsprechender Unternehmen sitzen.
Risikoarm und verantwortungsbewusst
Zu den Bereichen der Bioökonomie gehören auch gentechnische Eingriffe in Pflanzen sowie gentechnische Entwicklung von Medikamenten und Therapien. Noch einen Schritt weiter geht die synthetische Biologie, die künstliche Organismen im Labor entwirft. Eine beunruhigende Entwicklung, denn sind schon die Folgen der Gentechnik kaum überschaubar, so weiß bis heute niemand, wie künstliches Leben in der Umwelt agiert.
Kritisch sehen die Autoren auch die technologische Hochrüstung der Landwirtschaft, die die Schädigung des Bodenlebens durch Pestizide und Kunstdünger nicht behebt oder die Entwicklung von Biokunststoffen, die in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion geraten kann.
Die Autoren beklagen vehement, dass für die Erforschung ökologischer Landwirtschaft wie auch alternativen Wirtschafts- und Produktionsformen viel zu wenig Geld zur Verfügung steht. Dabei gibt es durchaus vorbildliche Ansätze: So nutzt ein Fischzucht- und Treibhaus-System den Kot von Fischen als Dünger für Pflanzenbeete, die wiederum das Wasser filtern und so die Gesundheit der Fische erhalten.
Der Gegenentwurf einer nachhaltigen Wirtschaft mag idealistisch klingen, ist aber risikoärmer und verantwortungsbewusster, Natur- und Umweltschonender als die Bioökonomie. Franz-Theo Gottwald und Anita Krätzer ebnen mit ihrem starken Plädoyer der "Blue Economy" den Weg. Gut so.

Franz-Theo Gottwald und Anita Krätzer: "Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz"
edition unseld/Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
176 Seiten, 14 Euro

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