"Das heißt nicht, dass der Rassismus in der Bevölkerung weg ist"
Michael Nattke, Fachreferent im Kulturbüro Sachsen, begrüßt das Urteil gegen die rechtsterroristische "Gruppe Freital" als klares Zeichen. Nachdem die Angeklagten in Haft genommen wurden, habe die Gewalt in Freital abgenommen, auch wenn nach wie vor eine rassistische Stimmung herrsche.
Im Prozess gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" hat das Oberlandesgericht Dresden die acht Angeklagten zu Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt. Sie wurden der Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen und versuchten Mordes beziehungsweise Beihilfe dazu schuldig gesprochen. Die Gruppe hatte Anschläge auf Asylbewerberheime und politische Gegner verübt.
Michael Nattke, Fachreferent im Kulturbüro Sachsen, das eine mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus betreibt, begrüßt die Entscheidung des Gerichts. "Aus meiner Sicht war das ein ganz klares, richtiges Urteil." Es seien Sprengsätze an Fenstern befestigt worden, hinter denen Menschen wohnten. Und es seien Sprengsätze mit großer Kraft verwendet worden. "Ich weiß nicht, was man sonst tun wollte, außer töten, wenn man mit solchen Materialien unterwegs ist." Der Tod der Betroffenen sei einfach "mit eingeplant" worden.
"Das ist Feierabendterrorismus"
Die Verurteilten verübten in wechselnder Tatbeteiligung in einem Jahr fünf Anschläge: auf das Auto eines Linken-Stadtrats aus Freital, der sich für Flüchtlinge einsetzte; auf ein Parteibüro der Linkspartei; auf zwei Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt und auf ein linkes, alternatives Wohnprojekt in Dresden.
Die Angeklagten hatten weiterhin Berufe ausgeübt oder gingen zur Schule. Die Anschläge verübten sie nach Feierabend. Es sei richtig, solche Taten als "terroristisch" zu verurteilen, kommentiert Nattke das Urteil. Um terroristische Taten zu begehen, müsse man nicht im Untergrund leben. "Das ist Feierabendterrorismus."
Nachdem die Angeklagten in Haft genommen wurden, habe die Gewalt auf der Straße in Freital deutlich abgenommen, berichtet Nattke. "Das heißt nicht, dass der Rassismus in der Bevölkerung weg ist." Nach wie vor würden Frauen mit Kopftuch bedroht, Asylsuchenden würden die Einkäufe vom Fließband geschlagen. "Wir haben da nach wie vor eine rassistische Stimmung, aber die gezielten Gewalttaten, die auch zum Tod von Menschen hätten führen können, die sind doch in letzter Zeit zurückgegangen." Dies sei ein Resultat der Strafverfolgung.
Trotzdem hätten Geflüchtete Freital und Deutschland aus Angst verlassen. Die terroristische Gruppe habe also "teilweise ihr Ziel erreicht". Letztendlich brauche es "in Orten wie Freital viel, viel mehr als Strafverfolgung", wenn man die Situation wirklich verändern wolle.
Michael Nattke, der früher selbst in der rechten Szene aktiv war, arbeitet heute als Fachreferent im Kulturbüro Sachsen. Mit der dortigen mobilen Beratung versucht er, die demokratische Gesellschaft zu aktivieren, damit sie sich für demokratische Werte einsetzt. Denn auch in Freital sei die Mehrheit nicht rassistisch, sagt Nattke. "Aber die Mehrheit schweigt."
(lk)