Langfristige Hilfen oder Aktionismus?
"Vielfalt tut gut - Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie" lautet der wohlklingende Titel eines Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. 19 Millionen Euro stellt das Jugend- und Familienministerium dafür in diesem Jahr zur Verfügung.
"Immer wenn die Macht ganz oben zu verfliegen scheint,
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."
"Fahrenheit 212" heißt die Heavy-Metal-Band aus Fürstenwalde, die Rock gegen Rechts macht. Gegen die NGIs, die "National gesinnten Idioten", so heißen sie bei der Band und ihren Fans.
Carsten Hiller spielt Schlagzeug bei "Fahrenheit 212", Ray Kokoschko Gitarre. Beide rocken nicht nur in ihrer Freizeit gegen Rechts. Carsten Hiller berät Kommunen im Kampf gegen Rechtsextremismus. Ray Kokoschko gehört zum "Mobilen Beratungsteam", das in Brandenburg immer da zum Einsatz kommt, wo es brennt – wo Neonazis Dönerimbisse überfallen, wo die NPD versucht, eine Immobilie zu erwerben.
"Rechtsextremismus wird immer gerne als ein Jugendproblem dargestellt. Da sind wir schon lange von weg. Es ist in der Mitte angekommen das Thema, wir haben rassistische Vorurteile, antisemitische Vorurteile und wir haben nicht nur Protestwähler. Wir haben auch Leute, die der Meinung sind, die NPD ist eine Alternative."
Der frühere Zehnkämpfer mit dem narbigen Gesicht hat die rechtsextreme Szene in Fürstenwalde seit 15 Jahren fest im Blick. Massive Gewalttätigkeiten gegen Asylbewerber und der Versuch, sogenannte "national befreite Zonen" zu errichten, gehören zum Glück der Vergangenheit an, sagt Kokoschko, doch die Gefahr ist nach wie vor da.
"1992 hatten wir es mit einer Faust zu tun und heute haben wir es mit einem Rechtsanwalt zu tun und mit einer Hochglanzbroschüre."
Die Gefahr ist nach wie vor da – diese Meinung teilt auch Sven-Olaf Obst. Sei vielen Jahren arbeitet er im Familienministerin als Koordinator für Extremmusprävention. Aus seiner Feder stammt das neue Bundesprogramm gegen Rechts. In den kommenden drei Jahren fließen 19 Millionen Euro in die so genannten lokalen Aktionspläne. Für dieses Präventions-Programm konnten sich ausschließlich Kommunen bewerben. Nach zähem Ringen mit den Sozialdemokraten sagte das CDU-geführte Ministerium in Brandenburg dann schließlich weitere fünf Millionen Euro für die bereits bestehende Arbeit der Mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen zu. Ziel ist nach wie vor, die Zivilgesellschaft im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu stärken.
"Immer wenn die Macht ganz oben zu verfliegen scheint,
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."
Das Büro von Sven-Olaf Obst liegt im achten Stock eines Hochhauses, direkt am Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Mit dem neuen Programm "Lokale Aktionspläne" hat sich der Ressortleiter nicht nur Freunde gemacht. Vor allem freie Träger befürchten, ihre Projekte könnten bald vor dem Aus stehen. Die Gelder dafür können sie nämlich nicht mehr beim Bund, sondern nur noch bei den Kommunen beantragen. Kritiker glauben, den Städten und Gemeinden geht es in erster Linie um ihr Image. Zivilgesellschaftlicher Eigenwille würde da doch nur stören. Sven-Olaf Herbst schüttelt den Kopf. Die Programme Civitas und Entimon hätten gezeigt, dass es besser sei, eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Darum liegt der Schwerpunkt des Handlungskonzepts künftig bei den Kommunen. Doch auch die Länder sollen sich künftig im Kampf gegen den Rechtsextremismus mehr engagieren.
"Bisher ist es so gelaufen, dass wir Projekte gefördert haben in den Bundesländern mit sehr viel Geld, wir haben aber leider nicht in hinreichendem Maße erkennen können, dass sich die Länder mit dieser Arbeit identifiziert haben. Und mit der Neuausrichtung, indem wir die Verantwortung den Ländern übergeben und sagen, ihr müsst euch darum kümmern, was geeignete Beratung vor Ort sein wird, sein kann, erfolgt eine sehr viel stärkere Einbindung und auch Identifizierung der Bundesländer."
Das Familienministerium hat Gelder für insgesamt 90 lokale Aktionspläne zur Verfügung gestellt. Die ostdeutschen Bundesländer haben Anspruch auf jeweils zehn Aktionspläne. Für ihre Umsetzung bekommt jede Kommune, verteilt auf drei Jahre, insgesamt 300.000 Euro. Statt Einzelprojekte zu fördern, sollen künftig Bürgerbündnisse, freie Träger und andere zivilgesellschaftliche Initiatoren eng zusammenarbeiten. Sven-Olaf Herbst vom Familienministerium legt den Schwerpunkt dabei auf Prävention.
"Das Ziel muss sein, Wie kann man die Leute fit machen vor Ort, dass sie sich selbst dort helfen können."
Zurück nach Fürstenwalde. Die Kleinstadt auf halbem Weg zwischen Berlin und Frankfurt/Oder ist eine der zehn Brandenburger Regionen, die sich am Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" beteiligt. Die 33.000-Einwohner-Stadt hat einen Lokalen Aktionsplan vorgelegt. Dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird, dafür soll Rui Wigand sorgen. Sohn einer mocambiquanischen Mutter und eines deutschen Vaters, aufgewachsen in Nordrhein-Westfalen, verheiratet mit einer Brandenburgerin, engagierter Katholik. Der 44jährige verkörpert geradezu das Motto des Bundesprogramms "Vielfalt tut gut". Seine derzeitige Aufgabe beschreibt er so:
"Zuhören, viel zuhören, viele Ideen raushören und möglicherweise auch zu verknüpfen."
Der kleine schmale Mann mit dem Vollbart und der Nickelbrille kümmert sich seit knapp zwei Monaten um den lokalen Aktionsplan in Fürstenwalde. Die Ideen, die es in der Kleinstadt zur Stärkung von Toleranz, Vielfalt und Demokratie gibt, gilt es nun in konkrete Projekte zu gießen. Einiges liegt schon auf dem Schreibtisch von Rui Wigand in der Stadtverwaltung. So will die Kulturfabrik ein Café der Kulturen organisieren, bei dem sich regelmäßig Deutsche und Migranten treffen.
"Ein anderes Beispiel ist die Korczak-Schule. Da möchte eine Lehrerin mit ihrer Klasse auf den Spuren Janus Korczaks wandeln, die pädagogischen Ansätze von Janus Korczak mit dieser Klasse erarbeiten und möglicherweise auch eine Exkursion an Stääten, wo er gewirkt hat, unternehmen."
Der Stadtsportbund will seine Trainer trainieren, damit diese für ausländerfeindliches und rassistisches Verhalten sensibilisiert werden und damit sich mehr Migranten in den Fürstenwalder Sportvereinen engagieren. Auch der Verein Jugendhilfe und Sozialarbeit will sich beteiligen.
Elf Jungs in weiten Schlabberhosen, auf dem Kopf Baseballkäppis, sitzen vor Computerbildschirmen. Es sind Schulverweigerer, die vom Verein Jugendhilfe und Sozialarbeit betreut werden, damit sie doch noch einen Abschluss schaffen.
Frauke Seeber kümmert sich um die Schulverweigerer und hat nebenbei ihre Ideen für das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" zu Papier gebracht.
Ein Open-Air-Konzert mit verschiedenen Bands aus unterschiedlichen Ländern, ein Fotoworkshop für Jugendliche, eine Aktion mit Fürstenwalder Einzelhändlern. Sie sollen Willkommens-Grüße für Ausländer in ihre Schaufenster kleben.
"Es heißt einfach in ganz Deutschland 'der rechte Osten', so steht es in den Schlagzeilen. Und ich glaube, die Leute haben an sich schon ein Interesse zu sagen: Hey, so ist es aber nicht. Nur weil wir jetzt in Fürstenwalde sind und das irgendwo im Osten liegt, heißt es nicht, dass Fürstenwalde Rechts ist. Wir sind da anders."
Die Stadt Fürstenwalde hat ein Interesse daran, zusätzliches Geld vom Bund zu bekommen. Einerseits. Andererseits will Fürstenwaldes Bürgermeister Manfred Reim nicht zugeben, dass die Stadt ein Problem mit dem Rechtsextremismus hat.
"Nein, ein Problem nicht. Wir sind da nicht mehr und nicht weniger betroffen als ganz normale andere Städte auch."
Die aktuellen Entwicklungen sprechen eine andere Sprache.
Der Landkreis Oder-Spree, zu dem Fürstenwalde gehört, ist eine NPD-Hochburg in Brandenburg. Allein drei Bundesvorstandsmitglieder sind dort aktiv. Die offen rassistische und verfassungsfeindliche Partei will bei Brandenburgs Kommunalwahlen im nächsten Jahr flächendeckend antreten und in möglichst viele Kommunalparlamente einziehen. Besondere Sorgen bereitet das dem Fürstenwalder Bürgermeister Manfred Reim nicht.
"Kann ich im Moment nicht erkennen, dass wir da irgendwie Befürchtungen haben müssen. Ich denke, dass wir im Moment den Boden in der Stadt ganz gut bereitet haben. Wir haben, wie gesagt, auch gute wirtschaftliche Faktoren, die so eine flächendeckende Unzufriedenheit nicht erkennen lässt."
Diese Einschätzung des FDP-Bürgermeisters wird in der Stadtverwaltung nicht von allen geteilt. Andreas Petzold leitet die Fachbereiche Bildung und Soziales. Er berichtet von einem Planspiel zu den Bundestagswahlen, bei dem 1000 Fürstenwalder Jugendliche nach ihren parteipolitischen Präferenzen gefragt wurden. Das Ergebnis: Mehr als zwölf Prozent hätten die NPD gewählt. Andreas Petzold widerspricht dem Bürgermeister. Natürlich haben wir ein Problem mit dem Rechtsextremismus, sagt das CDU-Mitglied.
"Ich kenne keinen Ort, der sagen kann so recht: Das Problem haben wir nicht, das Problem haben wir beseitigt, nun ist Schluss. Das Problem ist nie beseitigt, es ist überall da, es bleibt ein permanentes Aufgabenfeld, und so gehen wir es auch an."
Deshalb hat sich Fürstenwalde erfolgreich um die Aufnahme in das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" beworben. Doch woran ist der Erfolg eines solchen, zunächst auf drei Jahre angelegten Programms zu messen? An weniger Hakenkreuzschmierereien? Am Scheitern der NPD bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr? Am Rückgang rechtsextremer Gewalttaten? Die Fragen sind falsch gestellt, sagt Andreas Petzold.
"Der positive Ansatz steht im Vordergrund, nicht die Vermeidung von negativen Dingen. Also wäre es doch viel sinnhafter, danach zu fragen am Ende eines solchen Programms: Was ist denn Positives passiert in der Zivilgesellschaft?"
Das sehen die Aktiven in Fürstenwalde ähnlich. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist eine langfristige Aufgabe, durch ein solches Bundesprogramm können keine kurzfristig messbaren Erfolge erzielt werden, sagen sie. Ihre Hoffnungen:
"Dass bei den Menschen ankommt, dass es eine Aufgabe ist, die uns alle angeht."
"Das man erkennt, dass Vielfalt eine Bereicherung ohnegleichen sein kann."
"Dass Unternehmen nicht nur wissen, dass sie Verantwortung haben für das Gemeinwesen, sondern dass sie daraus heraus auch aktiv werden."
"Wenn spürbar wird, dass ein größeres Toleranzbewusstsein da ist, dass Vielfalt eine Bereicherung ohne gleichen sein kann."
"Dass eine Identität entsteht, die heißt: Wir sind froh, Fürstenwalder zu sein, weil es hier so bunt und friedlich ist."
Im 150 Kilometer entfernten Wittenberg in Sachsen-Anhalt sitzen fünf Jugendliche und vier Erwachsene um einem langengestreckten Tisch. Der Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung von der evangelischen Akademie, Tobias Thiel, hat zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Thema der Runde: Rechtsextremismus. Die Zahl rechtsextremer Straftaten im Landkreis Wittenberg sind die höchsten in der ganzen Region. Trotzdem, sagt Tobias Thiel, habe die Kommune leider keinen Lokalen Aktionsplan abbekommen.
"Ich fand das erstmal schade, weil ich denke, dass es den Bedarf gegeben hätte. Und andererseits fand ich es in gewisser Weise, so was ich von der Antragsstellung mitbekommen habe, symptomatisch. Es gab nicht diesen ganz starken Willen aus meiner Wahrnehmung seitens des Landkreises gab. In anderen Landkreisen ist das deutlich professioneller angegangen worden."
Die Mitglieder in der Runde sehen das ähnlich. Städte wie Magdeburg, Halle, Dessau und Landkreise wie Bitterfeld, Sangerhausen und Harz erhielten stattdessen den Zuschlag. Kritiker des Programms "Vielfalt tut gut" bemängeln, dass die Vorbereitungszeit für die Bewerbung der Kommunen viel zu knapp bemessen war. Mit dem Ergebnis, dass nur die Städte und Gemeinden einen Lokalen Aktionsplan bekommen haben, die über eine breite Trägerstruktur verfügen. Tobias Thiel:
"Es hängt immer an zwei Seiten. Es hängt an der Kommune und es hängt auch an den Trägern, die vor Ort sind. Und ich habe das Gefühl, sie sind beide nicht wirklich so stark wie in den großen Städten. Das ist auch noch eine Frage, was heißt es für ländliche Regionen? Wenn man so einen Aktionsplan stellt, erfordert es einfach noch einmal mehr Kompetenz und mehr Engagement und Aufwand für so eine ländliche Region so was wirklich zu gestalten."
Arthur sitzt mit am Tisch, dreht sein Baseball-Käppi ungeduldig in den Händen. Der Jugendliche aus Lutherstadt Wittenberg war selber schon Opfer rechter Gewalt. Ein Neonazi hat ihm einfach eine Bierflasche über den Kopf geschlagen. Abends und an den Wochenenden meidet er bestimmte Plätze. Neubaugebiete und bestimmte Tankstellen, wo die Rechten gerne abhängen. Arthur und sein Freund Tobias finden, dass es in Wittenberg und Umgebung zuwenig Projekte gegen Rechtsextremismus gibt. Und das liege, betonen beide, auch an den Bürgern.
"Es besteht eine große Akzeptanz gerade in der breiten Gesellschaft, denke ich, gegenüber rechtsradikalen Denkweisen. Und in Wittenberg ist es halt so, dass es ne vermehrte Akzeptanz gegenüber Neonazis gibt. Es gibt halt Leute, wo man weiß, dass die eigentlich nicht diese Meinung vertreten, sich auch mit den Leuten abgeben. Wenn man die drauf anspricht, mit welchen Leuten sie sich abgeben, dass dann so ne Statements kommen: Na ja, er ist ja ein Nazi, aber er ist ja eigentlich ganz in Ordnung, es ist ja auch bloß ein Mensch."
Als vor zweieinhalb Jahren ein Laden mit Thor-Steinar-Klamotten in Wittenberg aufmachte, nahm kaum einer Notiz davon. In Magdeburg protestierten dagegen engagierte Bürger wochelang vor dem Narvik-Shop im Hundertwasserhaus, sagt Heike Becker frustriert. Sie ist Jugendbetreuerin bei dem freien Träger Internationaler Bund. Aber nicht nur Desinteresse sei in Wittenberg das Problem, die freie Trägerlandschaft sei viel zu klein. Die Fluktuation der Mitarbeiter viel zu hoch. Eine Ursache liegt in den unsicheren Finanzierungsmodellen. Das Geld bei der Jugendhilfe reiche meist nur noch für Pflichtaufgaben. Informationen über rechtsextreme Tendenzen gingen da manchmal einfach verloren.
"Was wir dann beobachtet haben, dass natürlich gerade da diese Szene eine gute Plattform hat, ihren Fuß reinzukriegen. Indem wir dann vielleicht nicht so wissend sind, nicht so schnell auf bestimmte Aktionen reagieren können."
Zivilgesellschaftliche Strukturen lassen sich erfahrungsgemäß aber nur über einen langen Zeitraum etablieren. Ein lokaler Aktionsplan wäre darum für uns eine Art Lottogewinn gewesen, sagt Tobias Thiel. Das Programm "Vielfalt tut gut" zielt vor allem auf den Bereich Bildung ab. Und genau dort sieht Thiel auch die größten Defizite in der Stadt.
"Deutlich wurde das auf der Mitarbeiterschiene bei den Jugendmitarbeitern. Der Wunsch bestand, weil es eine ganze Reihe von Trägern gibt, wo es Jugendmitarbeiter gibt, die sagen: Wir wollen gerne so was machen, aber wir fühlen uns nicht fit, wir fühlen uns nicht in der Lage; wir wissen nicht, wie mache ich denn Demokratieerziehung, Zivilcouragetrainings?"
Einer, der weiß, wie das geht, ist Roman Ronneberg. Er ist Geschäftsführer des Vereins Miteinander. Der freie Träger konnte mit den Geldern des neuen Bundesprogramms gegen Rechts zwei neue mobile Beratungsteams mit vier Mitarbeitern in Sachsen-Anhalt etablieren. Trotzdem bleibt Ronneberg skeptisch. Denn die Beratungsstellen sollen künftig nicht mehr in der Prävention, sondern nur noch anlassbezogen und zeitlich befristet arbeiten. Gibt es in Sachsen-Anhalt also demnächst eine Krise mit rechtsextremistischem Hintergrund soll ein so genanntes Einsatzkommando zusammengestellt werden – mit Juristen, Psychologen, Polizisten und Mitarbeitern der Beratungsstelle Miteinander. Eine Koordinierungsstelle, die im Sozialministerium angesiedelt ist, soll diese mobilen Teams leiten. Roman Ronneberg hält das für falsch:
"Ich glaube, es ist ein Fehler, zu glauben, dass man sozusagen mit einem kurzfristig zusammen gestellten Team wie so ne Feuerwehr, wie so ne Task-Force irgendwo einfliegt, das Problem löst und wieder abreist. Es ist sozusagen der Wunsch der Politik, es möge sich doch möglichst schnell was ändern, damit das Image einer Stadt wieder hergestellt ist."
Ähnlich sieht es die Integrationsbeauftragte von Sachsen-Anhalt. Susi Möbbeck arbeitet für das SPD-geführte Sozialministerium. Hier entsteht demnächst die Koordinierungsstelle für die Interventionsteams. Sie empfindet es als Manko, dass Beratungsstellen wie "Miteinander" künftig nur noch auf Krisen reagieren dürfen. Aus ihrer Sicht hätte man ihre Erfahrungen in der Präventionsarbeit in das Programm der lokalen Aktionspläne, kurz LAP genannt, integrieren müssen. Susi Möbeck:
"Bei der Prävention wäre mir schon wichtig gewesen, dass neben der Frage kommunaler Anträge auch die Möglichkeit bestanden hätte, dort, wo Kommunen sich als überfordert darstellen, Projekten die Möglichkeit zu geben, ihre Anregungen, ihre Initiativen auch zu entwickeln. Das finde ich wirklich ist ein Problem, dass die Frage, ob in einem Landkreis nun ein LAP läuft oder nicht, hängt eben auch zu guten Teilen auch davon ab, wie gut ein Landkreis engagiert ist und wie gut er seinen Antrag formuliert hat."
Fazit: Geld für ihre lokalen Aktionspläne bekommen die Kommunen, die das Problem Rechtsextremismus für sich erkannt und die schon Vorarbeit geleistet haben. Das heißt: das Geld landet nicht zwangsläufig da, wo es am nötigsten gebraucht wird – siehe Wittenberg. Das zweite Problem: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht Verlässlichkeit und einen langen Atem – der Erfolg von Politik misst sich dagegen in Wahlperioden. Wir brauchen mehr Strategie und weniger Aktionismus, sagt deshalb Erardo Rautenberg. Brandenburgs Generalstaatsanwalt engagiert sich seit mehr als 10 Jahren im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
"Also der Bund macht was, die Länder machen was, die Kommunen machen was. Und das alles sollte aus meiner Sicht vielleicht ein bisschen mehr koordiniert werden. Und deshalb wäre es schon ganz gut, wenn man sich zwischen Bund und Ländern eine Gesamtkonzeption überlegt, und zwar parteiübergreifend."
"Immer wenn die Macht ganz oben zu verfliegen scheint,
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."
"Fahrenheit 212" heißt die Heavy-Metal-Band aus Fürstenwalde, die Rock gegen Rechts macht. Gegen die NGIs, die "National gesinnten Idioten", so heißen sie bei der Band und ihren Fans.
Carsten Hiller spielt Schlagzeug bei "Fahrenheit 212", Ray Kokoschko Gitarre. Beide rocken nicht nur in ihrer Freizeit gegen Rechts. Carsten Hiller berät Kommunen im Kampf gegen Rechtsextremismus. Ray Kokoschko gehört zum "Mobilen Beratungsteam", das in Brandenburg immer da zum Einsatz kommt, wo es brennt – wo Neonazis Dönerimbisse überfallen, wo die NPD versucht, eine Immobilie zu erwerben.
"Rechtsextremismus wird immer gerne als ein Jugendproblem dargestellt. Da sind wir schon lange von weg. Es ist in der Mitte angekommen das Thema, wir haben rassistische Vorurteile, antisemitische Vorurteile und wir haben nicht nur Protestwähler. Wir haben auch Leute, die der Meinung sind, die NPD ist eine Alternative."
Der frühere Zehnkämpfer mit dem narbigen Gesicht hat die rechtsextreme Szene in Fürstenwalde seit 15 Jahren fest im Blick. Massive Gewalttätigkeiten gegen Asylbewerber und der Versuch, sogenannte "national befreite Zonen" zu errichten, gehören zum Glück der Vergangenheit an, sagt Kokoschko, doch die Gefahr ist nach wie vor da.
"1992 hatten wir es mit einer Faust zu tun und heute haben wir es mit einem Rechtsanwalt zu tun und mit einer Hochglanzbroschüre."
Die Gefahr ist nach wie vor da – diese Meinung teilt auch Sven-Olaf Obst. Sei vielen Jahren arbeitet er im Familienministerin als Koordinator für Extremmusprävention. Aus seiner Feder stammt das neue Bundesprogramm gegen Rechts. In den kommenden drei Jahren fließen 19 Millionen Euro in die so genannten lokalen Aktionspläne. Für dieses Präventions-Programm konnten sich ausschließlich Kommunen bewerben. Nach zähem Ringen mit den Sozialdemokraten sagte das CDU-geführte Ministerium in Brandenburg dann schließlich weitere fünf Millionen Euro für die bereits bestehende Arbeit der Mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen zu. Ziel ist nach wie vor, die Zivilgesellschaft im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu stärken.
"Immer wenn die Macht ganz oben zu verfliegen scheint,
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."
Das Büro von Sven-Olaf Obst liegt im achten Stock eines Hochhauses, direkt am Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Mit dem neuen Programm "Lokale Aktionspläne" hat sich der Ressortleiter nicht nur Freunde gemacht. Vor allem freie Träger befürchten, ihre Projekte könnten bald vor dem Aus stehen. Die Gelder dafür können sie nämlich nicht mehr beim Bund, sondern nur noch bei den Kommunen beantragen. Kritiker glauben, den Städten und Gemeinden geht es in erster Linie um ihr Image. Zivilgesellschaftlicher Eigenwille würde da doch nur stören. Sven-Olaf Herbst schüttelt den Kopf. Die Programme Civitas und Entimon hätten gezeigt, dass es besser sei, eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Darum liegt der Schwerpunkt des Handlungskonzepts künftig bei den Kommunen. Doch auch die Länder sollen sich künftig im Kampf gegen den Rechtsextremismus mehr engagieren.
"Bisher ist es so gelaufen, dass wir Projekte gefördert haben in den Bundesländern mit sehr viel Geld, wir haben aber leider nicht in hinreichendem Maße erkennen können, dass sich die Länder mit dieser Arbeit identifiziert haben. Und mit der Neuausrichtung, indem wir die Verantwortung den Ländern übergeben und sagen, ihr müsst euch darum kümmern, was geeignete Beratung vor Ort sein wird, sein kann, erfolgt eine sehr viel stärkere Einbindung und auch Identifizierung der Bundesländer."
Das Familienministerium hat Gelder für insgesamt 90 lokale Aktionspläne zur Verfügung gestellt. Die ostdeutschen Bundesländer haben Anspruch auf jeweils zehn Aktionspläne. Für ihre Umsetzung bekommt jede Kommune, verteilt auf drei Jahre, insgesamt 300.000 Euro. Statt Einzelprojekte zu fördern, sollen künftig Bürgerbündnisse, freie Träger und andere zivilgesellschaftliche Initiatoren eng zusammenarbeiten. Sven-Olaf Herbst vom Familienministerium legt den Schwerpunkt dabei auf Prävention.
"Das Ziel muss sein, Wie kann man die Leute fit machen vor Ort, dass sie sich selbst dort helfen können."
Zurück nach Fürstenwalde. Die Kleinstadt auf halbem Weg zwischen Berlin und Frankfurt/Oder ist eine der zehn Brandenburger Regionen, die sich am Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" beteiligt. Die 33.000-Einwohner-Stadt hat einen Lokalen Aktionsplan vorgelegt. Dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird, dafür soll Rui Wigand sorgen. Sohn einer mocambiquanischen Mutter und eines deutschen Vaters, aufgewachsen in Nordrhein-Westfalen, verheiratet mit einer Brandenburgerin, engagierter Katholik. Der 44jährige verkörpert geradezu das Motto des Bundesprogramms "Vielfalt tut gut". Seine derzeitige Aufgabe beschreibt er so:
"Zuhören, viel zuhören, viele Ideen raushören und möglicherweise auch zu verknüpfen."
Der kleine schmale Mann mit dem Vollbart und der Nickelbrille kümmert sich seit knapp zwei Monaten um den lokalen Aktionsplan in Fürstenwalde. Die Ideen, die es in der Kleinstadt zur Stärkung von Toleranz, Vielfalt und Demokratie gibt, gilt es nun in konkrete Projekte zu gießen. Einiges liegt schon auf dem Schreibtisch von Rui Wigand in der Stadtverwaltung. So will die Kulturfabrik ein Café der Kulturen organisieren, bei dem sich regelmäßig Deutsche und Migranten treffen.
"Ein anderes Beispiel ist die Korczak-Schule. Da möchte eine Lehrerin mit ihrer Klasse auf den Spuren Janus Korczaks wandeln, die pädagogischen Ansätze von Janus Korczak mit dieser Klasse erarbeiten und möglicherweise auch eine Exkursion an Stääten, wo er gewirkt hat, unternehmen."
Der Stadtsportbund will seine Trainer trainieren, damit diese für ausländerfeindliches und rassistisches Verhalten sensibilisiert werden und damit sich mehr Migranten in den Fürstenwalder Sportvereinen engagieren. Auch der Verein Jugendhilfe und Sozialarbeit will sich beteiligen.
Elf Jungs in weiten Schlabberhosen, auf dem Kopf Baseballkäppis, sitzen vor Computerbildschirmen. Es sind Schulverweigerer, die vom Verein Jugendhilfe und Sozialarbeit betreut werden, damit sie doch noch einen Abschluss schaffen.
Frauke Seeber kümmert sich um die Schulverweigerer und hat nebenbei ihre Ideen für das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" zu Papier gebracht.
Ein Open-Air-Konzert mit verschiedenen Bands aus unterschiedlichen Ländern, ein Fotoworkshop für Jugendliche, eine Aktion mit Fürstenwalder Einzelhändlern. Sie sollen Willkommens-Grüße für Ausländer in ihre Schaufenster kleben.
"Es heißt einfach in ganz Deutschland 'der rechte Osten', so steht es in den Schlagzeilen. Und ich glaube, die Leute haben an sich schon ein Interesse zu sagen: Hey, so ist es aber nicht. Nur weil wir jetzt in Fürstenwalde sind und das irgendwo im Osten liegt, heißt es nicht, dass Fürstenwalde Rechts ist. Wir sind da anders."
Die Stadt Fürstenwalde hat ein Interesse daran, zusätzliches Geld vom Bund zu bekommen. Einerseits. Andererseits will Fürstenwaldes Bürgermeister Manfred Reim nicht zugeben, dass die Stadt ein Problem mit dem Rechtsextremismus hat.
"Nein, ein Problem nicht. Wir sind da nicht mehr und nicht weniger betroffen als ganz normale andere Städte auch."
Die aktuellen Entwicklungen sprechen eine andere Sprache.
Der Landkreis Oder-Spree, zu dem Fürstenwalde gehört, ist eine NPD-Hochburg in Brandenburg. Allein drei Bundesvorstandsmitglieder sind dort aktiv. Die offen rassistische und verfassungsfeindliche Partei will bei Brandenburgs Kommunalwahlen im nächsten Jahr flächendeckend antreten und in möglichst viele Kommunalparlamente einziehen. Besondere Sorgen bereitet das dem Fürstenwalder Bürgermeister Manfred Reim nicht.
"Kann ich im Moment nicht erkennen, dass wir da irgendwie Befürchtungen haben müssen. Ich denke, dass wir im Moment den Boden in der Stadt ganz gut bereitet haben. Wir haben, wie gesagt, auch gute wirtschaftliche Faktoren, die so eine flächendeckende Unzufriedenheit nicht erkennen lässt."
Diese Einschätzung des FDP-Bürgermeisters wird in der Stadtverwaltung nicht von allen geteilt. Andreas Petzold leitet die Fachbereiche Bildung und Soziales. Er berichtet von einem Planspiel zu den Bundestagswahlen, bei dem 1000 Fürstenwalder Jugendliche nach ihren parteipolitischen Präferenzen gefragt wurden. Das Ergebnis: Mehr als zwölf Prozent hätten die NPD gewählt. Andreas Petzold widerspricht dem Bürgermeister. Natürlich haben wir ein Problem mit dem Rechtsextremismus, sagt das CDU-Mitglied.
"Ich kenne keinen Ort, der sagen kann so recht: Das Problem haben wir nicht, das Problem haben wir beseitigt, nun ist Schluss. Das Problem ist nie beseitigt, es ist überall da, es bleibt ein permanentes Aufgabenfeld, und so gehen wir es auch an."
Deshalb hat sich Fürstenwalde erfolgreich um die Aufnahme in das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" beworben. Doch woran ist der Erfolg eines solchen, zunächst auf drei Jahre angelegten Programms zu messen? An weniger Hakenkreuzschmierereien? Am Scheitern der NPD bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr? Am Rückgang rechtsextremer Gewalttaten? Die Fragen sind falsch gestellt, sagt Andreas Petzold.
"Der positive Ansatz steht im Vordergrund, nicht die Vermeidung von negativen Dingen. Also wäre es doch viel sinnhafter, danach zu fragen am Ende eines solchen Programms: Was ist denn Positives passiert in der Zivilgesellschaft?"
Das sehen die Aktiven in Fürstenwalde ähnlich. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist eine langfristige Aufgabe, durch ein solches Bundesprogramm können keine kurzfristig messbaren Erfolge erzielt werden, sagen sie. Ihre Hoffnungen:
"Dass bei den Menschen ankommt, dass es eine Aufgabe ist, die uns alle angeht."
"Das man erkennt, dass Vielfalt eine Bereicherung ohnegleichen sein kann."
"Dass Unternehmen nicht nur wissen, dass sie Verantwortung haben für das Gemeinwesen, sondern dass sie daraus heraus auch aktiv werden."
"Wenn spürbar wird, dass ein größeres Toleranzbewusstsein da ist, dass Vielfalt eine Bereicherung ohne gleichen sein kann."
"Dass eine Identität entsteht, die heißt: Wir sind froh, Fürstenwalder zu sein, weil es hier so bunt und friedlich ist."
Im 150 Kilometer entfernten Wittenberg in Sachsen-Anhalt sitzen fünf Jugendliche und vier Erwachsene um einem langengestreckten Tisch. Der Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung von der evangelischen Akademie, Tobias Thiel, hat zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Thema der Runde: Rechtsextremismus. Die Zahl rechtsextremer Straftaten im Landkreis Wittenberg sind die höchsten in der ganzen Region. Trotzdem, sagt Tobias Thiel, habe die Kommune leider keinen Lokalen Aktionsplan abbekommen.
"Ich fand das erstmal schade, weil ich denke, dass es den Bedarf gegeben hätte. Und andererseits fand ich es in gewisser Weise, so was ich von der Antragsstellung mitbekommen habe, symptomatisch. Es gab nicht diesen ganz starken Willen aus meiner Wahrnehmung seitens des Landkreises gab. In anderen Landkreisen ist das deutlich professioneller angegangen worden."
Die Mitglieder in der Runde sehen das ähnlich. Städte wie Magdeburg, Halle, Dessau und Landkreise wie Bitterfeld, Sangerhausen und Harz erhielten stattdessen den Zuschlag. Kritiker des Programms "Vielfalt tut gut" bemängeln, dass die Vorbereitungszeit für die Bewerbung der Kommunen viel zu knapp bemessen war. Mit dem Ergebnis, dass nur die Städte und Gemeinden einen Lokalen Aktionsplan bekommen haben, die über eine breite Trägerstruktur verfügen. Tobias Thiel:
"Es hängt immer an zwei Seiten. Es hängt an der Kommune und es hängt auch an den Trägern, die vor Ort sind. Und ich habe das Gefühl, sie sind beide nicht wirklich so stark wie in den großen Städten. Das ist auch noch eine Frage, was heißt es für ländliche Regionen? Wenn man so einen Aktionsplan stellt, erfordert es einfach noch einmal mehr Kompetenz und mehr Engagement und Aufwand für so eine ländliche Region so was wirklich zu gestalten."
Arthur sitzt mit am Tisch, dreht sein Baseball-Käppi ungeduldig in den Händen. Der Jugendliche aus Lutherstadt Wittenberg war selber schon Opfer rechter Gewalt. Ein Neonazi hat ihm einfach eine Bierflasche über den Kopf geschlagen. Abends und an den Wochenenden meidet er bestimmte Plätze. Neubaugebiete und bestimmte Tankstellen, wo die Rechten gerne abhängen. Arthur und sein Freund Tobias finden, dass es in Wittenberg und Umgebung zuwenig Projekte gegen Rechtsextremismus gibt. Und das liege, betonen beide, auch an den Bürgern.
"Es besteht eine große Akzeptanz gerade in der breiten Gesellschaft, denke ich, gegenüber rechtsradikalen Denkweisen. Und in Wittenberg ist es halt so, dass es ne vermehrte Akzeptanz gegenüber Neonazis gibt. Es gibt halt Leute, wo man weiß, dass die eigentlich nicht diese Meinung vertreten, sich auch mit den Leuten abgeben. Wenn man die drauf anspricht, mit welchen Leuten sie sich abgeben, dass dann so ne Statements kommen: Na ja, er ist ja ein Nazi, aber er ist ja eigentlich ganz in Ordnung, es ist ja auch bloß ein Mensch."
Als vor zweieinhalb Jahren ein Laden mit Thor-Steinar-Klamotten in Wittenberg aufmachte, nahm kaum einer Notiz davon. In Magdeburg protestierten dagegen engagierte Bürger wochelang vor dem Narvik-Shop im Hundertwasserhaus, sagt Heike Becker frustriert. Sie ist Jugendbetreuerin bei dem freien Träger Internationaler Bund. Aber nicht nur Desinteresse sei in Wittenberg das Problem, die freie Trägerlandschaft sei viel zu klein. Die Fluktuation der Mitarbeiter viel zu hoch. Eine Ursache liegt in den unsicheren Finanzierungsmodellen. Das Geld bei der Jugendhilfe reiche meist nur noch für Pflichtaufgaben. Informationen über rechtsextreme Tendenzen gingen da manchmal einfach verloren.
"Was wir dann beobachtet haben, dass natürlich gerade da diese Szene eine gute Plattform hat, ihren Fuß reinzukriegen. Indem wir dann vielleicht nicht so wissend sind, nicht so schnell auf bestimmte Aktionen reagieren können."
Zivilgesellschaftliche Strukturen lassen sich erfahrungsgemäß aber nur über einen langen Zeitraum etablieren. Ein lokaler Aktionsplan wäre darum für uns eine Art Lottogewinn gewesen, sagt Tobias Thiel. Das Programm "Vielfalt tut gut" zielt vor allem auf den Bereich Bildung ab. Und genau dort sieht Thiel auch die größten Defizite in der Stadt.
"Deutlich wurde das auf der Mitarbeiterschiene bei den Jugendmitarbeitern. Der Wunsch bestand, weil es eine ganze Reihe von Trägern gibt, wo es Jugendmitarbeiter gibt, die sagen: Wir wollen gerne so was machen, aber wir fühlen uns nicht fit, wir fühlen uns nicht in der Lage; wir wissen nicht, wie mache ich denn Demokratieerziehung, Zivilcouragetrainings?"
Einer, der weiß, wie das geht, ist Roman Ronneberg. Er ist Geschäftsführer des Vereins Miteinander. Der freie Träger konnte mit den Geldern des neuen Bundesprogramms gegen Rechts zwei neue mobile Beratungsteams mit vier Mitarbeitern in Sachsen-Anhalt etablieren. Trotzdem bleibt Ronneberg skeptisch. Denn die Beratungsstellen sollen künftig nicht mehr in der Prävention, sondern nur noch anlassbezogen und zeitlich befristet arbeiten. Gibt es in Sachsen-Anhalt also demnächst eine Krise mit rechtsextremistischem Hintergrund soll ein so genanntes Einsatzkommando zusammengestellt werden – mit Juristen, Psychologen, Polizisten und Mitarbeitern der Beratungsstelle Miteinander. Eine Koordinierungsstelle, die im Sozialministerium angesiedelt ist, soll diese mobilen Teams leiten. Roman Ronneberg hält das für falsch:
"Ich glaube, es ist ein Fehler, zu glauben, dass man sozusagen mit einem kurzfristig zusammen gestellten Team wie so ne Feuerwehr, wie so ne Task-Force irgendwo einfliegt, das Problem löst und wieder abreist. Es ist sozusagen der Wunsch der Politik, es möge sich doch möglichst schnell was ändern, damit das Image einer Stadt wieder hergestellt ist."
Ähnlich sieht es die Integrationsbeauftragte von Sachsen-Anhalt. Susi Möbbeck arbeitet für das SPD-geführte Sozialministerium. Hier entsteht demnächst die Koordinierungsstelle für die Interventionsteams. Sie empfindet es als Manko, dass Beratungsstellen wie "Miteinander" künftig nur noch auf Krisen reagieren dürfen. Aus ihrer Sicht hätte man ihre Erfahrungen in der Präventionsarbeit in das Programm der lokalen Aktionspläne, kurz LAP genannt, integrieren müssen. Susi Möbeck:
"Bei der Prävention wäre mir schon wichtig gewesen, dass neben der Frage kommunaler Anträge auch die Möglichkeit bestanden hätte, dort, wo Kommunen sich als überfordert darstellen, Projekten die Möglichkeit zu geben, ihre Anregungen, ihre Initiativen auch zu entwickeln. Das finde ich wirklich ist ein Problem, dass die Frage, ob in einem Landkreis nun ein LAP läuft oder nicht, hängt eben auch zu guten Teilen auch davon ab, wie gut ein Landkreis engagiert ist und wie gut er seinen Antrag formuliert hat."
Fazit: Geld für ihre lokalen Aktionspläne bekommen die Kommunen, die das Problem Rechtsextremismus für sich erkannt und die schon Vorarbeit geleistet haben. Das heißt: das Geld landet nicht zwangsläufig da, wo es am nötigsten gebraucht wird – siehe Wittenberg. Das zweite Problem: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht Verlässlichkeit und einen langen Atem – der Erfolg von Politik misst sich dagegen in Wahlperioden. Wir brauchen mehr Strategie und weniger Aktionismus, sagt deshalb Erardo Rautenberg. Brandenburgs Generalstaatsanwalt engagiert sich seit mehr als 10 Jahren im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
"Also der Bund macht was, die Länder machen was, die Kommunen machen was. Und das alles sollte aus meiner Sicht vielleicht ein bisschen mehr koordiniert werden. Und deshalb wäre es schon ganz gut, wenn man sich zwischen Bund und Ländern eine Gesamtkonzeption überlegt, und zwar parteiübergreifend."
"Immer wenn die Macht ganz oben zu verfliegen scheint,
werden Sündenböcke rausgeholt,
´n gelber Stern wird aufgeleimt,
dann heißt es wieder mal:
Nord gegen Süd,
oder Moslem gegen Christ,
Soldat gegen Pazifist."