Verbotener Indie-Rock aus dem Iran
Im Iran ist Rockmusik streng verboten. Wer sich nicht daran hält, dem drohen harte Strafen. Die Langtunes aus Teheran haben deshalb ihre Heimat verlassen und in Deutschland ihr Debütalbum aufgenommen.
Der erste Höreindruck täuscht. Auch wenn Langtunes mit ihren schnellen Gitarren, Synthies und rockigen Sounds nach einer britischen Indie-Rock-Band klingen, kommen die vier Musiker aus der iranischen Hauptstadt Teheran. Gesungen wird bei ihnen ausschließlich auf Englisch, erklärt Sänger Behrooz Moosavi:
"Bevor wir uns in der Underground-Szene etabliert haben, haben wir ein oder zwei Songs auf Persisch gesungen. Aber die persische Sprache ist eine sehe romantische und komplizierte Sprache. Sie versperrt uns den Weg, wenn wir uns einfach ausdrücken wollen."
Langtunes haben sich vor fünf Jahren in Teheran gegründet, berichtet der 29-jährige Frontmann der Band, der in seiner Heimat als Software-Ingenieur arbeitet. Ausgerechnet 2009 - in dem Jahr, als es zu blutigen Auseinandersetzungen wegen der Wahlfälschung von Präsident Ahmadinedschad kam.
"Die ersten Songs von uns waren von der damaligen Stimmung im Land beeinflusst, sie waren politisch. Aber danach haben wir unseren Stil gefunden. Wir sind keine politische Band. Unsere Texte beschreiben unsere Erlebnisse im Alltag. Sie können romantisch sein und spiegeln zum Beispiel unsere Erfahrungen im Ausland wider. Für uns ist der Sound wichtiger. Wenn der Text dann dazu passt, schön, wenn nicht, sind wir nicht so empfindlich."
Rocker werden als Satanisten beschimpft
Für Langtunes ist es fast nicht möglich, im streng religiösen Iran aktiv zu sein. In einem Land, in dem westliche Musik verboten ist. In dem Frauen nicht singen dürfen und in dem persisch singende Alternativ-Musiker nur heimlich im Untergrund existieren können. Rocker werden als Satanisten beschimpft. Eine Genehmigung für öffentliche Auftritte gibt es nicht. CDs zu veröffentlichen, erlaubt das strenge Kulturministrium "Ershad" ebenfalls nicht. Deshalb ist die Band nach Deutschland gereist, um hier ihr Debütalbum "Teherantor" aufzunehmen, freut sich Gitarrist Kamyar Keramati:
"Wir haben es erst gar nicht versucht zum Kulturministerium zu gehen. Wir sind überhaupt froh, dass die uns weitestgehend in Ruhe gelassen haben und nicht meckern, dass wir Rock Musik machen und uns als Satanisten beschimpfen. Wir wollten es gar nicht so weit kommen lassen. Wir sahen auch keinen Hoffnungsschimmer. Es gab Bands, die auf Persisch gesungen haben und bekamen keine Genehmigung. Was sollen wir dann sagen, mit unseren englischen Texten? Außerdem diese schnellen, provakanten Rhythmen - es hat keinen Sinn gehabt, wir haben es gar nicht versucht."
Sänger Behrooz Moosavi bezeichnet sein Heimatland Iran als "Land der Gegensätze". Die Situation ist paradox, denn auf der einen Seite gäbe es strenge Regeln und Gesetze, auf der anderen Seite missachten die meisten Leute diese Vorschriften. Oft geht es gut. Wenn man erwischt wird, kann es aber auch böse Folgen haben.
"Einmal wollten wir mit Freundinnen zu einer Party. Wir hatten unsere Instrumente dabei gehabt und auch Alkohol. Unterwegs wurden wir angehalten und als sie unsere Gitarren und die Wodkaflasche entdeckt hatten, wurden wir verhaftet. Auch unser Aussehen und wie wir uns anziehen regt sie auf."
Neun Monate Haft und 160 Peitschenhiebe
Bass-Spieler Garen und Behrooz Moosavi wurden zu neun Monaten Haft und 160 Peitschenhieben verurteilt. Weil sie ihre Freundinnen dabei hatten und in einer nichtehelichen Beziehung lebten, Alkohol dabei hatten und zu westlich aussahen. Allerdings wird die Strafe erst dann vollzogen, wenn sie erneut erwischt werden. Unter solchen Umständen können die Langtunes in der geheimen Indie-Rock-Szene im Iran nicht musizieren. Übers Internet verbreiten sie ihre Musik und schicken ihre Demo-CDs an Festivalorganisatoren. Vor drei Jahren kamen sie dann das erste Mal nach Deutschland, erinnern sich Gitarrist Kamyar und Sänger Behrooz.
Behrooz: "Wir spielten auf einem Festival. Das Jahr danach wurden wir schon für 17, 18 Gigs gebucht. Immer mehr Menschen kannten uns, die Promoter haben uns weiterempfohlen. Unser Netzwerk wurde immer größer und größer. Diesen Sommer wurden wir für 27 Konzerte gebucht."
Kamyar: "In Deutschland gibt es die meisten Festivals im Sommer. Dann hat uns jetzt ein Label hier unter Vertrag genommen. Was wollen wir mehr? Ich glaube wir sind jetzt soweit, dass wir von Deutschland aus durchstarten können."
Tatsächlich gelten die Indie-Rocker aus dem Iran als Exoten. Immerhin touren Sie mit ihren Künstlervisa auf europäischen Festivals. Anfang Januar werden die Langtunes wieder in den Iran gehen. Die ersten Früchte ihres Erfolgs scheinen die vier Musiker mittlerweile in Deutschland zu ernten:
"Wenn man mir sagt, dass ich morgen sterben würde, dann bin ich nicht traurig. Ich sage, ich habe meine Arbeit getan und bin glücklich. Klar, gerne würden wir noch viel Geld verdienen und vor Tausenden im Stadion spielen. Aber ich denke, alle meine Wünsche sind jetzt wahr geworden und ich lebe jetzt in meinem Traum."