Tee, Designerdrogen und ein Hauch von Heroin
Früher galt das "Goldene Dreieck" zwischen Laos, Thailand und Myanmar als größte Drogenküche der Welt. Dann übernahmen andere Regionen den zweifelhaften Spitzenplatz. Wirklich vertreiben ließen sich die Drogenbarone allerdings nie.
Irgendwo im thailändischen Urwald nahe der Grenze zu Myanmar. Apae Amor kämpft sich durch das Dickicht den Berg hinauf zu einer Lichtung. Die Luft flimmert, sie ist feucht und heiß. Grillen zirpen, Moskitos summen. Seine Vorfahren haben diesen Regenwald als Jäger durchstreift, sagt der Mann Ende 50, das Volk der Akha sei ein stolzes Volk der Jäger und Bauern gewesen. Doch das ist lange vorbei:
"Die Bergvölker dürfen nicht mehr frei durch den Urwald ziehen. Sie müssen sich an einem Ort fest niederlassen, dürfen den Urwald nicht mehr brandroden, um Reis anzubauen. Wir sind nur noch Bauern, die immer die gleichen Felder bestellen."
Weil das nicht wirklich viel abwirft, sind die Akha arm. Immer wieder verdingen sich Männer als Drogenkuriere zwischen Myanmar und Thailand, schmuggeln Opium, aber auch Amphetaminpillen oder Crystal Meth, Drogen, die vor allem im Nachbarland hergestellt werden. Erst vergangene Woche habe die Polizei wieder eine Gruppe erwischt, erzählt Apae Amor.
Dann hat er die Lichtung erreicht, der Blick über das Daen-Lao-Gebirge ist atemberaubend. Dichte Wälder, tiefe wolkenverhangene Täler, Dschungel, so weit das Auge reicht. Nur wenige Kilometer nördlich beginnt Myanmar, etwas östlich fließt der Mekong. Dort liegt Laos, das dritte Land, das mit dem Nordzipfel Thailands das Goldene Dreieck bildet. Eine rechtlose Region, in der Milizen und Drogenbarone das Sagen haben und die es als der Welt größtes Opiumanbaugebiet zu zweifelhaftem Ruhm gebracht hat.
Warlords und Milizen machten die Region unsicher
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts – während des Vietnamkriegs und danach – überschwemmte Heroin aus dem Goldenen Dreieck die Welt. In Laos, Birma, dem heutigen Myanmar, und in Teilen Nordthailands herrschten Chaos und Bürgerkrieg. Warlords und Milizen machten die Region unsicher, finanzierten sich durch den Drogenhandel und verdienten Millionen daran. Den Anbau des Schlafmohns, der zur Opium- und Heroinherstellung dient, übernahmen die Bergvölker, erklärt Apae Amor:
"Die hatten nicht genug Geld um ihre Familien zu ernähren. Also haben sie Drogen angebaut und verkauft, um zu überleben. Fast alle, die im Gebirge lebten, mussten das tun."
Zwar ist die Rauschgiftproduktion in Thailand inzwischen zurückgegangen, das Drogenproblem im Goldenen Dreieck jedoch bleibt ungelöst. Denn im Myanmar werde nicht nur wieder mehr Opium produziert, erzählt Apae Amor. Unzählige kleine Drogenlabore im unzugänglichen Gebirge in den Nachbarländern stellten auch immer mehr Amphetamintabletten und andere Designerdrogen her. Die werden dann über Thailand bis Singapur, Amerika und Europa geschmuggelt – auch von den Männern der Bergvölker:
"Die Menschen in der Region brauchen ganz einfach mehr Arbeit. Solange sie nicht genug Geld mit legaler Arbeit verdienen, wird das Drogenproblem nicht gelöst werden."
Drogenschmuggel auf dem Mekong
Das weiß auch Inspektor Thaninwat Hiranchawengsak von der thailändischen Wasserschutzpolizei. Seit einer guten Stunde tuckert er mit fünf Kollegen in einem alten Patrouillenboot den Mekong-Fluss hinauf und wieder hinunter. Der Dieselmotor röhrt und wackelt, das Schiff, ein Geschenk der Amerikaner, hat fast 50 Jahre auf dem Buckel. Wahrscheinlich hat es schon während des Vietnamkriegs den Fluss patrouilliert.
Mühelos ziehen die modernen Speedboote mit riesigen Außenbordmotoren an den Polizisten vorbei. Schwer zu glauben, dass Drogenschmuggler sich von der Polizeistreife schrecken lassen würden. Inspektor Hiranchawengsak erklärt:
"Wir patrouillieren ständig auf dem Mekong, um die Sicherheit zu garantieren. Zur Zeit ist es eher ruhig, aber die Drogenmaffia hat viele Möglichkeiten und Wege, Rauschgift zu schmuggeln."
Irgendwie jedoch seien die Drogenbarone der Polizei immer einen Schritt voraus, gibt der Inspektor zu:
"Die Drogen werden auf dem Mekong oder einem seiner Zuflüsse auf Schiffe gebracht und dann aus Myanmar oder Laos nach Thailand transportiert. Da hier diese drei Länder zuständig sind, ist eine Kontrolle fast unmöglich. Von Thailand gehen die Drogen dann in alle Welt."
Selbst dafür, dass die Drogenbarone ihre Gewinne reinwaschen können, sei gesorgt, entrüstet sich der Polizist und zeigt auf einen riesigen weißen Betonklotz mit goldenen Kuppeln am laotischen Ufer des mächtigen Stroms – das Kings-Romans-Kasino.
"Es geht dort nur darum, Schwarzgeld zu waschen. Es gibt mehrere Casinos in Myanmar und dieses Casino in Laos. Wenn eines geschlossen ist, gehen die Drogenhändler eben in ein anderes, um ihr Drogengeld zu waschen."
Geldwaschmaschine Kasino
In der Tat: An Kasinos herrscht kein Mangel im buddhistischen und darum eigentlich glückspielspielfeindlichen Goldenen Dreieck. Das "Kings Romans" ist das größte. Es steht auf einer riesigen, eigens eingerichteten Sonderwirtschaftszone in Laos.
Boote bringen die thailändischen Besucher aus Chiang Saen kostenlos zu dem Kasino, das da mitten im Urwald steht. Eine Mischung aus Disneyworld und asiatischem Protz. Ein Geschäftsmann aus Hong Kong wolle hier ein Ferienparadies aufbauen, heißt es, über 500 Millionen Dollar investieren. Mehr ist nicht zu erfahren, der Casino-Geschäftsführer verweigert nach ursprünglicher Zusage alle Interviewbitten und lässt sich verleugnen.
Freundliche chinesische Empfangsdamen begrüßen die Besucher in der kitschigen, viel zu großen Empfangshalle, nebenan wird mit mäßiger Begeisterung gezockt. Ein paar Slot-Machines klingeln, doch die Mehrheit der Angestellten an den Spieltischen gähnt und langweilt sich, weil sie keine Kunden haben. Sicherheitsleute versperren den Zugang zu den sogenannten VIP-Räumen, wo ohne Limit und ohne Fragen nach dem Woher des Geldes gespielt werden kann. Kein Wunder, dass der thailändische Polizeiinspektor Thaninwat Hiranchawengsak sauer ist:
"Das Kasino ist die ideale Waschmaschine für Drogengeld. Dort wird aus schmutzigem Geld ganz einfach sauberes!"
Die europäischen Rucksacktouristen und die Reisegruppen aus Asien, die sich am Aussichtspunkt "Golden Triangle" drängen, haben von all dem keine Ahnung. Lautsprecher berieseln die Aussichtsplattform auf der thailändischen Seite des Mekong mit Musik, Kameras klicken. Ein Souvenirladen reiht sich an den anderen, das Goldene Dreieck ist zur Urlauberattraktion geworden. Die Andenkengeschäfte verkaufen überteuertes Pseudo-Kunsthandwerk, billige Massenware, die in Fabriken hergestellt wird: Tischdecken, Plastikelefanten, Wandbehänge. Und natürlich Opiumpfeifen in allen Größen; im Goldenen Dreieck wird auch die Gesetzlosigkeit vermarktet.
Straßenhändler grillen Snakefish aus dem Mekong, bieten gebratene Skorpione und Heuschecken an. Außer ein paar verfallenden Tempeln hat die Grenzstadt Chiang Saen wenig zu bieten. Also schlägt sie aus ihrer Lage am Goldenen Dreieck und dessen schauerlichem Drogenruhm Kapital. Ein paar chinesische Lastschiffe liegen am Mekong-Kai, Passanten flanieren auf der Uferpromenade. Ein Polizist steht – gleichsam zur Unterstützung der eigentlich überflüssigen Ampel – auf der Hauptstraßenkreuzung. Thailändisches Provinzidyll.
13 Tote aus dem Fluss gefischt
Es fällt schwer zu glauben, wenn Wasserschutzpolizei-Inspektor Hiranchawengsak von seiner Arbeit erzählt: Immer wieder seien Frachtschiffe überfallen und zu Drogenschmuggel oder Schutzgeldzahlungen gezwungen worden.
13 Tote haben er und seine Kollegen vor drei Jahren aus dem Fluss gefischt – chinesische Matrosen, die von einer gefürchteten Drogenbande ermordet wurden. Danach wurden in einer gemeinsamen Aktion mit dem Militär und chinesischen Spezialeinheiten der berüchtigte Bandenchef Naw Kham und seine Kumpane festgenommen. Der wurde 2013 in China zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Seitdem sind zumindest die Überfälle und Schießereien seltener geworden. Die Lage jedoch bleibe instabil, stellt der Polizeiinspektor fest.
Im Nachbarland Myanmar kontrollieren Milizen mehrere teilweise autonome Grenzstaaten. Sie tun und lassen dort mehr oder minder, was sie wollen. Und Laos, der dritte Staat des Goldenen Dreiecks, gehört noch immer zu den am wenigsten entwickelten und ärmsten Ländern Südostasiens.
Seit 25 Jahren versuchen die Initiatoren des ‚Doi-Tung'- Entwicklungsprojekts, den Teufelskreis von Armut und Drogen zu durchbrechen. Das Hochland im Grenzgebiet zu Myanmar rund um den fast 1400 Meter hohen Berg Doi Tung war eine Hochburg der Opiumproduktion, berichtet Thanit Kongkaew, einer der Projektleiter:
"Die Menschen wussten nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollten. Der Reisanbau reichte nicht zum Überleben. Sie brauchten Geld, darum produzierten sie Opium und verkauften es. Wir haben versucht, das zu ändern."
Zuerst stießen die Entwicklungshelfer auf großes Misstrauen. Bis zu ihrer Ankunft wurden die in der Region lebenden Angehörigen der Bergvölker von den Thais diskriminiert und sogar verfolgt. Doch die Projektmitarbeiter überzeugten die Angehörigen des Akha-Volkes, Kaffee anzubauen, statt Felder für den Schlafmohnanbau brandzuroden.
Den qualitativ hochwertigen Kaffee verkauft das Doi-Tung-Projekt in eigenen Läden. Inzwischen sind weitere Produkte dazu gekommen: Kleidung, handgeschöpftes Papier und sogar Schmuck. Alles teure Produkte, deren Verkauf den Bewohnern der Region zugute kommt:
"Wir versuchen, den Menschen Selbstvertrauen zu geben und ihnen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage zu bieten. Sie können, wenn sie wollen, hier relativ gut leben."
Auch das Städtchen Mae Salong, knapp 50 Kilometer von Doi Tung entfernt, ist durch wirtschaftliche Hilfe drogenfrei geworden. Hoh Cha Hwa, ein Mann Mitte 50, sitzt auf der Terrasse seiner Kneipe, trinkt Bier und sieht fern. Chinesische Schriftzeichen schmücken die Fassade seines roten Holzhauses, das den etwas pompösen Namen "Hotel" trägt. Rucksacktouristen laufen vorbei, Reisebusse suchen Parkplätze. Mae Salong, der 1800 Meter hoch gelegene thailändische Ort voller Chinesen, ist eine Touristenattraktion. In den 1960er Jahren seien rund 4.000 chinesische Soldaten ins thailändische Exil geflohen, erzählt Hoh. Auf abenteuerlichen Umwegen:
"Seit über 50 Jahren leben wir jetzt hier. Nachdem die Nationalisten den chinesischen Bürgerkrieg gegen Mao Tse Dung verloren hatten, flohen Teile der Armee nach Myanmar, wo sie zehn Jahre blieben, bis sie hierher kamen."
Damals waren die Chinesen nützlich
Während der Großteil der früheren Soldaten nach Taiwan ausgeflogen wurde, gingen Hohs Eltern mit dem Rest der Armee nach Nordthailand. Der Korea-Krieg war zu Ende, der Vietnam-Krieg hatte begonnen. Da waren die Chinesen nützlich, nahm die thailändische Regierung sie gern auf:
"Damals hatten sich Mitglieder der thailändischen kommunistischen Partei in den Bergen hier versteckt. Die Thais baten uns, ihnen beim Kampf gegen die Kommunisten zu helfen. Das taten wir. Und danach – das sag ich ganz ehrlich – haben wir hier Opium angebaut."
Inzwischen sind aus den Nachkommen der blutrünstigen Soldaten friedliche Teebauern entwickelt:
"Wir haben den Opiumanbau durch Tee ersetzt, weil die thailändische und die taiwanesische Regierung uns dabei geholfen haben. Taiwan hat Fachleute geschickt, die uns erklärten Tee statt Opium anzubauen."
Jetzt wird auf den ehemaligen Opiumfeldern Oolong-Tee produziert. Vom feinsten, denn im Bergklima von Mae Salong gedeiht der besonders gut. Steile Feldwege führen zu den Plantagen, die sich fast endlos grün durch das Gebirge ziehen - bergauf, bergab. Frauen mit Strohhüten und bunten Kopftüchern pflücken die Teeblätter, in den zahllosen kleinen Fabriken im Ort werden sie von den Männern weiterverarbeitet. Und in den Teestuben am Straßenrand kaufen Touristen begeistert den inzwischen berühmten Oolong-Tee aus Nordthailand. Hoh Cha Hwa ist zufrieden:
"Wir leben sehr gut hier, besser als die meisten Thais in dieser Gegend. Wir Chinesen arbeiten hart und sparen unser Geld. Uns fehlt es an nichts, inzwischen sind wir chinesische Thailänder geworden."
Integration nicht erfolgreich
Den meisten Angehörigen der Bergvölker gelingt es allerdings nicht, sich in die thailändische Gesellschaft zu integrieren. Die meisten der rund eine Million Menschen großen Minderheit leben noch immer in ihren armseligen Hütten im Gebirge, oft ohne Strom und fließendes Wasser, berichtet der Akha-Dorfchef Apae Amor:
"Für Angehörige der Bergvölker gibt es sogar einen eigenen Personalausweis. Sie gelten nicht als thailändische Staatsbürger. Dabei sollten doch alle Bürger gleich behandelt werden. Aber wer Thai ist, hat alle Rechte, wer zu den Bergvölkern gehört, ist nichts."
Es ist Abend geworden, Apae Amor sitzt mit den Männern seines Heimatdorfs auf der Straße. Er will die wirtschaftliche Lage verbessern, dabei hofft er auf den langsam zunehmenden Tourismus:
"Die Menschen brauchen mehr Jobs. Die Versuchung, für die Drogenbarone zu arbeiten ist einfach zu groß, wenn man hier im Gebirge keine andere Einkommensquelle hat."
Einfache Zimmer und Apartments für Touristen haben die Dorfbewohner unter Apae Amors Leitung bereits gebaut, jetzt sprechen sie über neue Projekte: Die Dorfbewohner sollen den im Urwald wachsenden wilden Tee an Besucher verkaufen, ein Dschungelpflanzen-Museum soll entstehen. Denn Apae Amor weiß:
"Das Drogenproblem im Goldenen Dreieck kann nur gelöst werden, wenn die Menschen hier bessere Arbeit haben und mehr Geld verdienen. Sonst wird es nur noch größer."
Vor allem jedoch müsse die thailändische Regierung endlich ihre Politik gegenüber den Bergvölkern ändern, sie besser in die Gesellschaft integrieren. Nur so könne das berühmt-berüchtigte Goldene Dreieck zwischen Thailand, Myanmar und Laos endlich drogenfrei werden, sagt der Dorfvorsteher.