Lasst uns froh und munter sein …
Hören wir doch auf mit dieser ewigen Meckerei! Mit dem jahraus jahrein gleichen Klagen über die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes! Mit der wohlfeilen Kapitalismuskritik am falschen Objekt!
Ja, es ist nun einmal so: Weihnachten ist ein gewaltiges Geschäft! Ein unbändiger Kaufrausch, der regelmäßig in den letzten Wochen des Jahres ausbricht, und der nach Angaben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels den Fachgeschäften, Kaufhäusern und Handelsketten rund ein Fünftel ihres Jahresumsatzes in die ansonsten wohl eher leeren Kassen spült.
Angesichts solcher Beträge mag es wie schlichte Spielverderberei wirken, wenn die katholische und die evangelische Kirche jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Regelung des Landes Berlin klagen, mit der die Öffnung der Geschäfte für alle Adventssonntage freigegeben wird. Die allzeit aktive hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann fasst die Unzufriedenheit der Kirchen in die prägnanten Worte: "Es ist wichtig, dass wir uns an den Sonntagen im Dezember darauf besinnen, worum es bei Advent und Weihnachten geht: um das Kommen Gottes in die Welt als Mensch. Darauf weisen die Engel, die Sterne, die Lichter hin. Wenn das verloren geht, wird das Ganze zu einem völlig sinnentleerten Winterwohlfühlfest."
Gut gebrüllt, Löwin! Aber haben wir dieses Winterwohlfühlfest nicht schon seit langem?
Wo ist er denn hin, der christliche Gehalt des Weihnachtsfestes, wenn nicht nur in den eher kirchenfernen Gebieten des deutschen Ostens weithin geglaubt wird, die Weihnachtsgeschichte stamme aus der Feder der Brüder Grimm und der Weihnachtsmann sei der Vater des Christkindes? Da ist es doch schon fast überzeugend christlich, wenn in den Anzeigen und Werbespots vor dem gabenintensiven Heiligen Abend wenigstens einmal im Jahr nicht auf die Steigerung des persönlichen Konsums, sondern auf die Freuden des Schenkens an andere hingewiesen wird. Schnöde Reklame als Vehikel der Nächstenliebe: Wann gibt es das schon außer in der Vorweihnachtszeit?
Und sehen wir es doch einmal so: Wo wäre denn unser Weihnachtsfest, wenn sich mit ihm nicht aufs Vorzüglichste zum Kaufen animieren ließe? Wahrscheinlich längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden wie der Buß- und Bettag, der 1995 als arbeitsfreier Tag vom Gesetzgeber gestrichen wurde, um mit der Mehrarbeit der Arbeitnehmer die Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die damals neu eingeführte Pflegeversicherung ausgleichen zu können.
Ironie? Sarkasmus? Gar Zynismus?
In jedem Fall kommen wir nicht umhin festzustellen, dass das allgemeine Wissen über den tatsächlichen Grund des Weihnachtsfestes gering ist. Erschreckend gering.
In einer der Kernregionen des vormals christlichen Abendlandes ist ein christliches Hochfest zu einer Art Folklore-Event mit kommerziellem Schwerpunkt verkommen und wir tun wenig, um diesen Zivilisationsverlust zu heilen. Man muss nicht Samuel Huntingtons problematischer These vom Kampf der Kulturen anhängen, um das prekär zu finden.
Unter den aus dem biblischen Morgenland stammenden ausländischen Mitbürgern dieses Landes wie unter jenen mit dem berühmten Migrationshintergrund finden sich mittlerweile viele, die ihre Religion in beredten Worten zu erklären und zu preisen vermögen. Sie sind theologisch belesen und kundig im Führen von Diskussionen. Sie sprechen über ihren Glauben mit der scheinbar unerschütterlichen Geduld und Freundlichkeit, wie sie namentlich das Bewusstsein eigener Überlegenheit zu verleihen vermag. Wenn es denn nicht gleich in Arroganz umschlägt.
Die Christen dieses Landes haben dem leider viel zu oft viel zu wenig entgegenzusetzen. Ihrer Religion sind sie vielfach nur noch auf dem Papier verbunden. Die Grundlagen ihres Glaubens und damit zum großen Teil auch ihrer Kultur sind ihnen fremd geworden. Eine Ortsbestimmung ihres geistigen Standortes ist für sie unmöglich, weil ihnen schlicht die Koordinaten dafür abhanden gekommen sind.
Ein gleichberechtigter und notwendiger Dialog zwischen den Religionen und Kulturen lässt sich so leider nicht führen. Das Unwissen über Weihnachten ist da freilich nur ein Symptom für ein tiefer gehendes Defizit, das bis an die Grundlagen unseres Gemeinwesens reicht. Wir müssen ihm entgegentreten, wenn wir uns nicht selbst aufgeben wollen. Auch wenn das unbequem sein sollte.
Als Alternative könnten wir das Weihnachtsfest andernfalls und entsprechend der gerade vorherrschenden Ideologie unserer Politik allerdings auch ganz liberalisieren. In einem weltoffenen Land mit vollzogener Trennung von Kirche und Staat sollte doch eigentlich jeder Weihnachten feiern können, wann, wo und wie er will. Eine in ihren Aufgaben stark erweiterte BfA – sprich: Bundesfestagentur – hätte dann nur noch die Aufgabe, entsprechende Coupons für mehrere freie Tage nach eigener Wahl an das werktätige Volk zu verteilen.
Zumindest der Stress der Weihnachtseinkäufe hätte mit dieser Lösung ein für allemal seinen Schrecken verloren.
Uwe Bork, Journalist, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Sozialwissenschaften. Nach dem Studium arbeitete Bork zunächst als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und ARD-Anstalten. Seit 1998 leitet er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Bork ist außerdem Autor mehrerer Bücher.
Angesichts solcher Beträge mag es wie schlichte Spielverderberei wirken, wenn die katholische und die evangelische Kirche jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Regelung des Landes Berlin klagen, mit der die Öffnung der Geschäfte für alle Adventssonntage freigegeben wird. Die allzeit aktive hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann fasst die Unzufriedenheit der Kirchen in die prägnanten Worte: "Es ist wichtig, dass wir uns an den Sonntagen im Dezember darauf besinnen, worum es bei Advent und Weihnachten geht: um das Kommen Gottes in die Welt als Mensch. Darauf weisen die Engel, die Sterne, die Lichter hin. Wenn das verloren geht, wird das Ganze zu einem völlig sinnentleerten Winterwohlfühlfest."
Gut gebrüllt, Löwin! Aber haben wir dieses Winterwohlfühlfest nicht schon seit langem?
Wo ist er denn hin, der christliche Gehalt des Weihnachtsfestes, wenn nicht nur in den eher kirchenfernen Gebieten des deutschen Ostens weithin geglaubt wird, die Weihnachtsgeschichte stamme aus der Feder der Brüder Grimm und der Weihnachtsmann sei der Vater des Christkindes? Da ist es doch schon fast überzeugend christlich, wenn in den Anzeigen und Werbespots vor dem gabenintensiven Heiligen Abend wenigstens einmal im Jahr nicht auf die Steigerung des persönlichen Konsums, sondern auf die Freuden des Schenkens an andere hingewiesen wird. Schnöde Reklame als Vehikel der Nächstenliebe: Wann gibt es das schon außer in der Vorweihnachtszeit?
Und sehen wir es doch einmal so: Wo wäre denn unser Weihnachtsfest, wenn sich mit ihm nicht aufs Vorzüglichste zum Kaufen animieren ließe? Wahrscheinlich längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden wie der Buß- und Bettag, der 1995 als arbeitsfreier Tag vom Gesetzgeber gestrichen wurde, um mit der Mehrarbeit der Arbeitnehmer die Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die damals neu eingeführte Pflegeversicherung ausgleichen zu können.
Ironie? Sarkasmus? Gar Zynismus?
In jedem Fall kommen wir nicht umhin festzustellen, dass das allgemeine Wissen über den tatsächlichen Grund des Weihnachtsfestes gering ist. Erschreckend gering.
In einer der Kernregionen des vormals christlichen Abendlandes ist ein christliches Hochfest zu einer Art Folklore-Event mit kommerziellem Schwerpunkt verkommen und wir tun wenig, um diesen Zivilisationsverlust zu heilen. Man muss nicht Samuel Huntingtons problematischer These vom Kampf der Kulturen anhängen, um das prekär zu finden.
Unter den aus dem biblischen Morgenland stammenden ausländischen Mitbürgern dieses Landes wie unter jenen mit dem berühmten Migrationshintergrund finden sich mittlerweile viele, die ihre Religion in beredten Worten zu erklären und zu preisen vermögen. Sie sind theologisch belesen und kundig im Führen von Diskussionen. Sie sprechen über ihren Glauben mit der scheinbar unerschütterlichen Geduld und Freundlichkeit, wie sie namentlich das Bewusstsein eigener Überlegenheit zu verleihen vermag. Wenn es denn nicht gleich in Arroganz umschlägt.
Die Christen dieses Landes haben dem leider viel zu oft viel zu wenig entgegenzusetzen. Ihrer Religion sind sie vielfach nur noch auf dem Papier verbunden. Die Grundlagen ihres Glaubens und damit zum großen Teil auch ihrer Kultur sind ihnen fremd geworden. Eine Ortsbestimmung ihres geistigen Standortes ist für sie unmöglich, weil ihnen schlicht die Koordinaten dafür abhanden gekommen sind.
Ein gleichberechtigter und notwendiger Dialog zwischen den Religionen und Kulturen lässt sich so leider nicht führen. Das Unwissen über Weihnachten ist da freilich nur ein Symptom für ein tiefer gehendes Defizit, das bis an die Grundlagen unseres Gemeinwesens reicht. Wir müssen ihm entgegentreten, wenn wir uns nicht selbst aufgeben wollen. Auch wenn das unbequem sein sollte.
Als Alternative könnten wir das Weihnachtsfest andernfalls und entsprechend der gerade vorherrschenden Ideologie unserer Politik allerdings auch ganz liberalisieren. In einem weltoffenen Land mit vollzogener Trennung von Kirche und Staat sollte doch eigentlich jeder Weihnachten feiern können, wann, wo und wie er will. Eine in ihren Aufgaben stark erweiterte BfA – sprich: Bundesfestagentur – hätte dann nur noch die Aufgabe, entsprechende Coupons für mehrere freie Tage nach eigener Wahl an das werktätige Volk zu verteilen.
Zumindest der Stress der Weihnachtseinkäufe hätte mit dieser Lösung ein für allemal seinen Schrecken verloren.
Uwe Bork, Journalist, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Sozialwissenschaften. Nach dem Studium arbeitete Bork zunächst als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und ARD-Anstalten. Seit 1998 leitet er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Bork ist außerdem Autor mehrerer Bücher.