Last-Minute-Weihnachten

Garantiert gute Buchgeschenke auf den letzten Drücker

28:16 Minuten
Eine Frau auf einer Leiter angelt ein Buch aus den vollen Regalen einer Bibliothek. Die Bücher nehmen den ganzen Raum ein.
Kurz vor knapp: Die Auswahl ist riesig, wir haben fünf tolle Tipps. © Getty Images / fStop Images / Sven Hagolani
Moderation: Christian Rabhansl · 19.12.2020
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Unsere Geschenkideen in letzter Minute: Das Lesart-Team empfiehlt fünf Bücher, mit denen Sie garantiert richtig liegen. Fünf ganz besondere Bücher für Weltenbummler und Faulpelze, für Kunstbegeisterte und Politikinteressierte.
Zu sehen ist das Cover des Buches "Welt der Renaissance" von Tobias Roth.
Das perfekte Buch für alle, die auf dem Corona-Sofa eine Zeitreise nach Italien unternehmen wollen.© Galiani Verlag / Deutschlandradio
Maike Albath empfiehlt:

Tobias Roth: "Welt der Renaissance"
Galiani Verlag, Berlin 2020
640 Seiten, 89 Euro

Dieser großformatige Prachtband – ausgewählt, kommentiert und aus dem Italienischen und Lateinischen übersetzt von Tobias Roth – erschließt eine ganze Epoche. Man kann regelrecht einwandern in die Zeit zwischen 1300 und 1575, erotische Liebesgedichte und Schmähschriften lesen, sich durch Traktate belehren lassen, in Briefen spicken, Notizbücher inspizieren, die Hirtendichtung kennenlernen, sich über satirische Höhenflüge amüsieren und an Heiratsplänen teilhaben.
Roth gelingt ein ebenso unterhaltsamer wie gelehrter Querschnitt. Außerdem liefert er bündige und kluge Einführungen. Prägende Dichter der italienischen Literatur wie Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio und Ludovico Ariosto kommen vor, aber auch jemand wie Kardinal Bembo, der über die Sprachenfrage nachdachte, der Chefkoch am Hof von Ferrara Cristoforo di Messisbugo, der Verfasser des Verhaltenskatalogs für einen Hofmann Baldassare Castiglione und geistsprühende Frauen wie Tullia D’Aragona. Eine prächtig gedruckte und gebundene Entdeckungsreise!

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Homeland Elegien" von Ayad Akhtar.
Das perfekte Buch, um die USA besser verstehen zu lernen (und dabei immer wieder herzlich aufzulachen).© Claassen Verlag / Deutschlandradio
Kim Kindermann empfiehlt:

Ayad Akhtar: "Homeland Elegien"
Übersetzt von Dirk van Gunsteren
Claassen Verlag, Berlin 2020
461 Seiten, 24 Euro

Wie leben in diesem zerrissenen Land, in den USA, als Sohn pakistanischer Einwanderer, nach 9/11? Indem man darüber schreibt. Schonungslos und offen.
Ayad Akhtar schreibt aus der Sicht eines Menschen, der trotz allem nie wegwollte: "Ich bin hier, weil ich hier geboren und aufgewachsen bin. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben hier gelebt. In guten wie in schlechten Tagen habe ich nie irgendwo anders leben wollen. Ich habe nie auch nur daran gedacht. Amerika ist meine Heimat."
Das ist ein großes Glück für uns Lesenden. Akhtar schreibt über seine Familie und sein Land, über Politik, das Leben, die Gefühle, über Moral und Religion. Packend, bewegend, Augen öffnend, und vor allem: sehr komisch. Kurzum: Dieser Autor und dieses Buch sind das Beste, was uns passieren kann, wenn wir Amerika verstehen lernen wollen.

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Atlas der verlorenen Sprachen".
Das perfekte Buch für Weltenbummler, die sich gerne in fremden Sprachen verlieren (und dabei Faszinierendes erfahren wollen).© Duden Verlag / Deutschlandradio
Florian Felix Weyh empfiehlt:

Rita Mielke (Autorin) und Hanna Zeckau (Illustratorin): "Atlas der verlorenen Sprachen"
Duden Verlag, Berlin 2020
240 Seiten, 18 Euro

Im Kaukasus gibt es die Legende: Als Gott die Sprachen verteilte, gingen die einfachen an die großen Völker, die kleinen mussten sich mit den schweren Sprachen zufriedengeben. Das fasst zusammen, warum Sprachen aussterben: Weil a) die Sprachgruppe zu klein und b) die Sprache zu schwer erlernbar ist.
Dieses Buch versammelt 50 dieser "verlorenen Sprachen" in Illustrationen und Texten. Die Artikel von Rita Mielke sind kleine, funkelnde Feuilletons, gut portioniert; vor allem aber ist in keiner der beschriebenen Sprachen nicht irgendetwas Staunenswertes dabei.
Beispiel: Das Zahlsystem der Oksapmin auf Papua-Neuguinea, das auf der Grundzahl 27 beruht. Die Illustration zeigt, dass sich das von 27 Zählpunkten am Oberkörper und Kopf ableitet, auf die man tippt.
Wir lernen insgesamt: Hinter dem Vorurteil der "primitiven Kulturen" lassen sich hochkomplexe Systeme entdecken, die einer anderen Logik folgen als unserer. So ergibt sich bei jeder Sprache eine Abzweigung in die Erkenntnisphilosophie: Wie sieht die Welt für mich aus, wenn mir meine Sprache dieses oder jenes anbietet? Und über die schönen Bilder von Hanna Zeckau rutscht vielleicht sogar ein Wenigleser ins Lesen rein.

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Die Kunst des Mittagsschlafs" von Thierry Paquot.
Das perfekte Buch für alle, die sich gerne auf die faule Haut legen (und dafür kluge Ausreden suchen).© Steidl pocket / Deutschlandradio
Shelly Kupferberg empfiehlt:

Thierry Paquot: "Die Kunst des Mittagsschlafs"
In der Übersetzung von Melanie Heusel und Sabine Dzuck
Steidl pocket, Göttingen 2020
96 Seiten, 9,80 Euro

Der Mittagsschlaf ist mehr als ein kurzes Durchschnaufen im Arbeitsalltag, mehr als eine Siesta. Der Mittagsschlaf ist politischer Widerstand! Das erklärt und begründet der französische Philosoph Thierry Paquot in seiner – wunderschön von Steidl pocket neu aufgelegten – "Kunst des Mittagsschlafs".
Paquot geht so weit, zu behaupten, die Siesta sei eine der letzten Bastionen der Selbstbestimmung moderner Menschen, die ansonsten in die Weltmaschine des globalen Kapitalismus eingepfercht seien. Er meint damit, dass wir mit unserer Dauerverfügbarkeit eine konsumfreundliche, weltweit gültige Zeitrechnung geschaffen haben, in der eine individuelle Zeiteinteilung einfach kaum noch möglich ist. Der Mittagsschlaf sei "die Insel des Widerstands", schreibt er, ein politischer Akt. Die kleine Mittagsruhe rufe ein "Gefühl vollkommener Freiheit" hervor. Er hat recht! Und gerade in Zeiten des Homeoffice lässt sich der Mittagsschlaf vielleicht auch wiederentdecken.

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Herzfaden" von Thomas Hettche.
Das perfekte Buch für alle, die mit dem Urmel aufgewachsen sind (und hinter die Spielbühne der Augsburger Puppenkiste blicken wollen).© Kiepenheuer & Witsch / Deutschlandradio
Dorothea Westphal empfiehlt:

Thomas Hettche: "Herzfaden – Roman der Augsburger Puppenkiste"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
280 Seiten, 24 Euro

Die Augsburger Puppenkiste ist eine kulturelle Institution. Wer kennt nicht deren Stars: das Urmel, Lukas den Lokomotivführer oder Jim Knopf? In "Herzfaden" erzählt Thomas Hettche ein Kapitel deutscher Nachkriegs- und Kulturgeschichte.
Und er erzählt von einem Mädchen, das auf einem Dachboden all den bekannten Figuren begegnet. "Jeder Roman ist ein Marionettenspiel", heißt es im Nachwort. Mit schwebender Leichtigkeit führt Hettche die beiden Erzählfäden im Wechsel – den informativen blau und den märchenhaften rot gedruckten. So erfährt man auch, dass der wichtigste Faden einer Marionette, der Herzfaden, gar kein richtiger Faden ist.

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