Peter B. Schumann stellt fünf der spannendsten Schriftstellerinnen aus Lateinamerika vor: Fernanda Melchor aus Mexico, Rita Indiana aus der Dominikanischen Republik sowie die Argentinierinnen Samanta Schweblin, Ariana Harwitz und Agustina Bazterrica.
Fiktionen ohne Hoffnung
56:39 Minuten
Der Machismo war lange das zentrale Problem von Autorinnen in Lateinamerika. Glaubt man den Büchern der vielen erfolgreichen Schriftstellerinnen, sind es heute die verheerenden gesellschaftlichen Zustände. Ob es sie ohne Machismo gäbe?
Auffallend viele Schriftstellerinnen prägen die literarische Öffentlichkeit in den lateinamerikanischen Ländern. Nicht nur ihre Zahl und Produktivität überrascht, auch die – trotz gewaltiger stilistischer und thematischer Unterschiede – Härte und Illusionslosigkeit ihrer fiktiven Welten.
Die vielen und nicht selten erfolgreichen Bücher sind Ausdruck eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins auf dem Kontinent und der gewachsenen gesellschaftlichen Bedeutung von Frauen. Sie haben sich zahlreiche Freiräume erkämpft und nutzen sie nun auch in der Kunst.
Skeptisch, düster, dystopisch
Auffällig oft werfen die Schriftstellerinnen einen skeptischen, mitunter dystopischen Blick auf die Verhältnisse. Gründlich räumen sie mit traditionellen Verhaltensmustern auf. Die Geschlechterverhältnisse, insbesondere der traditionelle Machismo, scheinen nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen. Doch sie haben wohl ausgestrahlt. Ohne sie ist der besorgniserregende Zustand der Gesellschaft in vielen Ländern nicht zu begreifen.
Ein Boom? Kein Boom?
Unterstützt von vielen neuen Verlagen, gegründet von jungen Menschen überall auf dem Kontinent, überzeugen die Schriftstellerinnen Jurys, Kritikerinnen und Leser. Dennoch scheut sich Linus Guggenberger, Lektor für spanischsprachige Literatur beim Berliner Verlag Klaus Wagenbach, von einem neuen Boom lateinamerikanischer Literatur zu sprechen.
"Die Rede vom Boom feminina, also vom weiblichen Boom, setzt diese Generation von Schriftstellerinnen gleich in Beziehung zum bekannten Boom der 70er-, 80er-Jahre mit Autoren wie García Márquez, Vargas Llosa, Carlos Fuentes. Das waren fast ausschließlich Männer. Seither ist man im spanischsprachigen Raum immer versucht, einen neuen Boom zu konstatieren, um auch den eigenen Literaturen wieder diesen globalen Stellenwert einzuräumen", erläutert Guggenberger.
"Trotzdem glaube ich, dass es dieser Generation von Autorinnen durchaus gelingen kann, etwas Ähnliches zu schaffen. Es ist jedenfalls so, dass die innovativsten, politisch und erzählerisch eindringlichsten Romane der letzten Jahre ausschließlich von Autorinnen geschrieben wurden."
(pla)
Das Manuskript zur Sendung können sie hier herunterladen.
Mit Maria Hartmann, Bettina Kurth, Inka Löwendorf, Lisa Hrdina, Anika Mauer
Ton: Alexander Brennecke
Regie: Friederike Wigger
Redaktion: Jörg Plath