Lau, flau, mau
Mit seiner Installation "Sender Freies Düsseldorf" wendet sich der Sänger, Autor und Theaterregisseur Schorsch Kamerun gegen Reizüberflutung. Unser Kritiker ist jedoch enttäuscht: Der Abend ist harmlos; eine differenzierte Kritik an der Verflachung der Medien unterbleibt.
Schorsch Kamerun nennt seine neue Produktion "Sender Freies Düsseldorf" eine "Konzertinstallation". Sie wendet sich gegen die Reizüberflutung heute, dauert nicht einmal 80 Minuten, aber leider kann das Publikum sie nicht betreten wie so viele andere Installationen. Die Rampe trennt ganz traditionell Bühne und Zuschauerraum.
Die "Konzertinstallation" beginnt mit einem Misston - langgezogen und intensiv wie eine Sirene, nur nicht ganz so laut. Wir Zuschauer bekamen Zeit, uns zu orientieren. Bühnenbildnerin Katja Eichbaum hatte die Szene sehr voll gestellt. Vorn stand ein Zimmer, wie eine Wabe mit dem Grundriss eines regelmäßigen Sechsecks. Die Waben setzten sich nach links und nach rechts fort, sie erinnerten entfernt an einen Bienenstock. Links war noch Platz für drei Tonstudios, ein ganz altes mit einem Tonband, aus der gerade vergehenden Epoche des analogen Funks. Dahinter hatte das kleine Orchester Platz, ein Klavier, ein Synthesizer und ein Mikrofon für den Sänger. Links und rechts gab es wie in der Mitte oben Leinwände, auf die Videos projiziert wurden, teilweise vorproduziert, teilweise Vergrößerungen von Ausschnitten dessen, was gerade auf der Bühne geschah.
Dort passierte allerhand - über 25 Darstellerinnen und Darsteller traten auf. Es bildeten sich Gruppen und es war unmöglich, den Überblick zu bewahren, es geschah einfach zu viel gleichzeitig. Lemuren fielen auf, die Darsteller trugen Trikots, die nicht nur den Torso und die Gliedmaßen, sondern auch den Kopf und das Gesicht bedeckten, Alltagsmenschen, die alle Individualität verloren hatten. Und Miranda Duck trat auf, eine Figur aus Entenhausen mit riesigem Schwellkopf und gelbem Schnabel. Hübsch anzuschauen aber allzu beliebig zu deuten. Und der Humor hielt sich in Grenzen, es wurde wenig gelacht bei der Uraufführung - das Befremden überwog.
Hinten, kaum zu erkennen, saßen eine Frau und ein Mann, offenbar interviewte einer den anderen. Aber sie waren stumm geschaltet, das Gewirr von Anderem trat in den Vordergrund, um dann wieder im allgemeinen Chaos zu verschwinden. Auf einmal aber kann man das Paar, das im Hintergrund miteinander spricht, verstehen, die Mikros werden laut gedreht: Dieter Süverkrüp, der alte Barde, ist ins Theater auf die Bühne gekommen und beantwortet Fragen. Haben seine kritischen Lieder Folgen gehabt, waren sie politisch wirksam?
Das ist eine Zentralfrage. Schorsch Kamerun ist skeptisch. Da so viele Stimmen durcheinander klingen, kann keiner sich mehr erinnern, was wer gesagt hat, was was bedeutet. Durch die Kakophonie wird der Hörer davon abgehalten, selbst nachzudenken, sich selbst eine Meinung zu bilden.
Kurz vor Schluss tanzen alle in einer Polonaise durch das Bühnenbild und singen: "Das ist das Fatale! Das Unnormale ist das Normale!" - Was soll das bedeuten? Egal - der Rhythmus macht Spaß, das reicht.
"Sender Freies Düsseldorf" ist eine Variation von Schorsch Kameruns altem Thema. Er ist selbst Autodidakt und wendet sich gegen Kunst, die professionell, virtuos ist und deswegen Laien einschüchtert. Er möchte jeden ermuntern, selbst Kunst zu machen, statt Selbstbewusstsein einzubüßen, sich nicht beeindrucken zu lassen von anderen, Courage zu bekommen, sich selbst zu äußern, zu orientieren.
Der Abend ist harmlos; eine differenzierte Kritik an der Verflachung der Medien, auch des Radios, unterbleibt. Schade. Gleichzeitig sind die Texte wenig reizvoll, weil sie meistens im Unverständlichen, Absurden verbleiben. Und die Musik ist flau, kein Ohrwurm, nirgends.
Lau, flau und mau - der "Sender Freies Düsseldorf" ist unter Kameruns Niveau. Am besten wäre die "Konzertinstallation" gar nicht herausgekommen. Sie hat die Bühnenreife nicht erreicht.
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Die "Konzertinstallation" beginnt mit einem Misston - langgezogen und intensiv wie eine Sirene, nur nicht ganz so laut. Wir Zuschauer bekamen Zeit, uns zu orientieren. Bühnenbildnerin Katja Eichbaum hatte die Szene sehr voll gestellt. Vorn stand ein Zimmer, wie eine Wabe mit dem Grundriss eines regelmäßigen Sechsecks. Die Waben setzten sich nach links und nach rechts fort, sie erinnerten entfernt an einen Bienenstock. Links war noch Platz für drei Tonstudios, ein ganz altes mit einem Tonband, aus der gerade vergehenden Epoche des analogen Funks. Dahinter hatte das kleine Orchester Platz, ein Klavier, ein Synthesizer und ein Mikrofon für den Sänger. Links und rechts gab es wie in der Mitte oben Leinwände, auf die Videos projiziert wurden, teilweise vorproduziert, teilweise Vergrößerungen von Ausschnitten dessen, was gerade auf der Bühne geschah.
Dort passierte allerhand - über 25 Darstellerinnen und Darsteller traten auf. Es bildeten sich Gruppen und es war unmöglich, den Überblick zu bewahren, es geschah einfach zu viel gleichzeitig. Lemuren fielen auf, die Darsteller trugen Trikots, die nicht nur den Torso und die Gliedmaßen, sondern auch den Kopf und das Gesicht bedeckten, Alltagsmenschen, die alle Individualität verloren hatten. Und Miranda Duck trat auf, eine Figur aus Entenhausen mit riesigem Schwellkopf und gelbem Schnabel. Hübsch anzuschauen aber allzu beliebig zu deuten. Und der Humor hielt sich in Grenzen, es wurde wenig gelacht bei der Uraufführung - das Befremden überwog.
Hinten, kaum zu erkennen, saßen eine Frau und ein Mann, offenbar interviewte einer den anderen. Aber sie waren stumm geschaltet, das Gewirr von Anderem trat in den Vordergrund, um dann wieder im allgemeinen Chaos zu verschwinden. Auf einmal aber kann man das Paar, das im Hintergrund miteinander spricht, verstehen, die Mikros werden laut gedreht: Dieter Süverkrüp, der alte Barde, ist ins Theater auf die Bühne gekommen und beantwortet Fragen. Haben seine kritischen Lieder Folgen gehabt, waren sie politisch wirksam?
Das ist eine Zentralfrage. Schorsch Kamerun ist skeptisch. Da so viele Stimmen durcheinander klingen, kann keiner sich mehr erinnern, was wer gesagt hat, was was bedeutet. Durch die Kakophonie wird der Hörer davon abgehalten, selbst nachzudenken, sich selbst eine Meinung zu bilden.
Kurz vor Schluss tanzen alle in einer Polonaise durch das Bühnenbild und singen: "Das ist das Fatale! Das Unnormale ist das Normale!" - Was soll das bedeuten? Egal - der Rhythmus macht Spaß, das reicht.
"Sender Freies Düsseldorf" ist eine Variation von Schorsch Kameruns altem Thema. Er ist selbst Autodidakt und wendet sich gegen Kunst, die professionell, virtuos ist und deswegen Laien einschüchtert. Er möchte jeden ermuntern, selbst Kunst zu machen, statt Selbstbewusstsein einzubüßen, sich nicht beeindrucken zu lassen von anderen, Courage zu bekommen, sich selbst zu äußern, zu orientieren.
Der Abend ist harmlos; eine differenzierte Kritik an der Verflachung der Medien, auch des Radios, unterbleibt. Schade. Gleichzeitig sind die Texte wenig reizvoll, weil sie meistens im Unverständlichen, Absurden verbleiben. Und die Musik ist flau, kein Ohrwurm, nirgends.
Lau, flau und mau - der "Sender Freies Düsseldorf" ist unter Kameruns Niveau. Am besten wäre die "Konzertinstallation" gar nicht herausgekommen. Sie hat die Bühnenreife nicht erreicht.
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