Laumann: Krankenkassen müssen für Schweinegrippe-Impfung zahlen

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, fordert von den gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Impfung gegen Schweinegrippe zu übernehmen. "Wir reden hier über 14 Euro die eine solche Impfung pro Mensch kostet", sagte der CDU-Politiker.
Marcus Pindur: 600 Millionen Euro soll die erste Impfkampagne kosten. Wer soll es denn nun bezahlen?

Karl-Josef Laumann: Ja, nun, ich meine, die Gesetzeslage ist eindeutig und ganz klar: In dem Moment, wo die Bundesregierung eine Verordnung erlässt, dass die Impfung gegen die neue Grippe eine Regelleistung der Krankenkasse ist, ist die Krankenkasse gesetzlich ohne Wenn und Aber verpflichtet, dieses zu bezahlen, und wir reden hier über 14 Euro, die eine solche Impfung pro Mensch kostet. Ich bin ja auch Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Wenn ich meiner Krankenkasse bei einer heraneilenden Pandemie nicht einmal mehr 14 Euro wert wäre, würde ich mir überlegen, ob ich noch in der richtigen Krankenkasse bin.

Pindur: Gute Frage, ja. Wird die Schweinegrippeimpfung denn in die normale Grippeimpfung dann integriert oder wie geht das vonstatten?

Laumann: Nein, es handelt sich ja um unterschiedliche Substanzen, und da ja die Menschen auch gegenüber dieser neuen Grippe noch überhaupt keine Antikörper gebildet haben, sind ja auch im Abstand von vier Wochen zwei Impfungen notwendig. Wir sehen jetzt ja an dem Verlauf der neuen Grippe zunächst einmal das Gute, dass der Verlauf – bis jetzt auf jeden Fall – für die Menschen, die betroffen sind, sehr flach verläuft, das heißt, dass die Grippe gut behandelbar ist. Wir haben auch Gott sei Dank ja bis jetzt in Deutschland noch keine Todesfälle. Auch die normalen Grippemedikamente wie zum Beispiel Tamiflu, wovon ja Nordrhein-Westfalen für 30 Prozent der Bevölkerung Medikamente auf Kosten des Landes eingelagert hat, schlagen gut an, das ist erst mal das Erste. Das Zweite ist, und das ist das Schwierigere: Die Grippe ist sehr ansteckend. Wir haben das ja auch in Düsseldorf zum Beispiel an einer japanischen Schule gesehen, wo Kinder krank geworden sind, die gemeinsam auf einer Klassenfahrt waren, wo das also sehr stark dann auch in der Klasse um sich gegriffen hat. Daran sieht man ja ganz praktisch, wie ansteckend diese Grippe ist. Deswegen, glaube ich, ist eine Impfung dann, wenn uns der Impfstoff zur Verfügung steht, unabdingbar notwendig, und ich kann nur sagen, die Menschen sollen sich mit diesem Thema auseinandersetzen und sich auch dann für sich entscheiden, ob sie sich impfen lassen oder nicht. Denn Sie müssen ja immer eins sehen: Bei der ganz normalen Wintergrippe, die wir bislang seit 40 Jahren kennen, lassen sich ja nur etwa 20 bis 22 Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen impfen, obwohl das eine Grippe ist, die bislang im Krankheitsverlauf schlimmer ist wie die neue Grippe.

Pindur: Herr Laumann, die meisten Infizierten sind bislang natürlich im bevölkerungsreichsten Bundesland auch, in NRW. Wie sind Sie denn organisatorisch darauf vorbereitet? Wer muss da zusammenarbeiten, wie hat man sich das praktisch vorzustellen?

Laumann: Ja, gut, es ist jetzt erst mal so, wir haben jetzt ja nun entschieden auch zusammen mit den anderen Bundesländern, dass wir 50 Millionen Dosen Impfstoff bestellen, das heißt, Nordrhein-Westfalen wird aufgrund der Größe dieses Landes davon rund 10 Millionen Dosen haben. Wir können auch den Impfstoff nicht schneller bekommen, denn es handelt sich ja hier um eine Art Naturprodukt, was auch in der Produktion wachsen muss. Es ist ja kein chemisches Produkt, was man jetzt von heute auf morgen in beliebigen Mengen herstellen kann, deswegen bestehen ja auch die Firmen darauf, dass man quasi im Vorfeld bestellt, Produktionsanteile. Ich gehe davon aus, dass uns der erste Impfstoff im Oktober, Anfang Oktober zur Verfügung stehen wird, und da muss man natürlich entscheiden: Welche Bevölkerungsgruppen impft man zuerst? Und da denke ich natürlich, dass wir uns da auch an den Empfehlungen von Urologen, von Virologen halten müssen. Wir haben auch einen Beraterstab von den wesentlichen Virologen Nordrhein-Westfalens zusammengestellt, die uns da beraten. Das sind ja keine politischen Entscheidungen, aber, ich glaube, ganz sicherlich muss man sehen, dass das medizinische Personal nicht an Grippe erkrankt, das heißt, die müssen ganz vorne auf der Impfliste stehen. Natürlich müssen schwangere Frauen vorne auf der Impfliste stehen und natürlich müssen dann auch die Menschen, die chronisch erkrankt sind, die Vorerkrankungen haben – wo natürlich eine Grippe dann auch für den Menschen schwerer zu verarbeiten ist wie für einen gesunden Menschen –, auch vorne auf der Impfliste stehen. Aber ich gehe davon aus, dass auch mit den Optionen, die wir haben, wir dann schon zu einem späteren Zeitpunkt auch für alle Menschen, die sich impfen lassen wollen, auch den Impfstoff zur Verfügung stellen können.

Pindur: Sie haben gerade die Risikogruppen genannt. Wie hat man sich das vorzustellen, wird man von der Krankenkasse angeschrieben oder sagt der behandelnde Arzt: "Lassen Sie sich impfen"?

Laumann: Ich denke, dass wir einen Teil über die Gesundheitsämter machen können, also, das medizinische Personal ist ja nun relativ einfach zu organisieren. Dass natürlich Krankenhäuser ihre Mitarbeiter über diese Problematik aufklären können und Impfungen selber dann auch vornehmen können, das liegt ja auf der Hand. Bei den chronisch Kranken ist es ganz klar, dass ja auch die behandelnden Ärzte dann ihre Patienten ansprechen müssen, denn chronisch kranke Menschen sind ja immer in ärztlicher Behandlung, das ist dann Aufgabe der Hausärzte, aber auch der Fachärzte. Und ich sage mal, was dann andere Schnittstellen angeht, da gibt es ja auch noch in Nordrhein-Westfalen einen öffentlichen Gesundheitsdienst, die sogenannten Gesundheitsämter, die natürlich dann bei großen Impfaktionen selbstverständlich auch zur Verfügung stehen können.

Pindur: Herr Laumann, die WHO hat bereits im April die Schweinegrippe als sogenannte Pandemie, also eine weltweite Infektionswelle eingestuft. Kommt das jetzt nicht alles etwas spät mit der Impfung?

Laumann: Ja, aber es ist ja so, dass es ja nicht eine politische Frage ist, sondern man muss ja erst einmal den Virus haben. Die Wissenschaftler haben ihn identifiziert vor einigen Wochen. Es gibt sechs große Impfhersteller auf dieser Erde, die in der Lage sind, einen solchen Impfstoff herzustellen. Die müssen natürlich auch forschen, die müssen natürlich dann auch wissen, wenn der Impfstoff da ist, dass die Menschen ihn auch vertragen. Das heißt, man muss ja auch die Studien machen eben über die sogenannten Nebenwirkungen, und das geht eben nicht schneller. Hier sind wir in einem Prozess, wo wir völlig abhängig sind von den Erfolgen unserer Wissenschaft, da es sich dann eben auch um eine natürliche Produktion handelt, wo ja die Substanz des Impfstoffes heranwachsen muss, ist auch die Produktion nicht von heute auf morgen ins Unendliche aufbaubar, und deswegen ist natürlich zu Beginn einer solchen neuen Pandemie der Impfstoff auch knapp. Und dann müssen wir natürlich auch an eins denken: Wir reichen Länder dürfen auch nicht den ganzen Impfstoff jetzt aufkaufen, den es auf dieser Erde gibt. Ein bisschen Verantwortung hat man natürlich auch für Menschen in anderen Regionen, vielleicht auch Staaten, die eben nicht so in Vorleistung gehen können wie wir dieses können. Und wenn ich die Berichte zum Beispiel jetzt aus Argentinien höre, dann kann man sich ja vielleicht vorstellen, was, wenn Winter und diese neue Pandemie zusammenkommen, unter Umständen auch im nächsten Winter auf uns zukommt.

Pindur: Karl-Josef Laumann, CDU, Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen. Vielen Dank für das Gespräch Herr Laumann!

Laumann: Dankeschön. Wiederhören!