„Es war kaum Wind, die Sonne hat geschienen. Man kommt so oben raus, sieht dahinter auf einmal Mount Everest, Lhotse, Nuptse, die großen Berge, die Achttausender, man sieht die Gebetsfahnen, wie sie im Wind wehen. Ein superschönes Gefühl.“
Bergsteigen
Nach ihrer Biathlon-Karriere hat Laura Dahlmeier das Bergsteigen für sich entdeckt. Jetzt erklomm sie einen Siebentausender und das in einer neuen Rekordzeit. © @terragraphy / Daniel Hug
Neue Herausforderungen für Ex-Biathletin Laura Dahlmeier
06:28 Minuten
Laura Dahlmeier wurde im Biathlon Weltmeisterin und Olympiasiegerin. 2019 beendete sie mit bereits 25 Jahren ihre Laufbahn. Mittlerweile hat sie das Bergsteigen für sich entdeckt. Auch dort gelingen ihr sportliche Höchstleistungen.
„Für mich ist es wichtig, dass ein Berg mich anspricht, dass er ästhetisch ist, dass er eine interessante Kletterroute ist, dass es net nur Schneestapfen ist.“
Mit der 6.812 Meter hohen Ama Dablam hat Laura Dahlmeier einen Gipfel der Superlative gewählt. Wegen seiner Form auch das „Matterhorn Nepals“ genannt. Ein Berg, von dem sie geträumt und mit dem sie noch eine Rechnung offen hatte. Vor acht Jahren hat es aufgrund schwieriger Bedingungen nicht geklappt. Jetzt, Ende Oktober, hätte der Aufstieg in drei intensiven Tagen anspruchsvoller Kletterei nicht schöner sein können:
Mit Vorsicht und Umsicht an die Gipfel
Dabei war der Aufstieg durchaus fordernd. Am Gipfeltag hatte es frisch geschneit. In einer Art Puderzucker-Schnee ist Laura Dahlmeier immer wieder weggerutscht, erzählt sie, und auch die Nacht in Lager II war alles andere als erholsam:
„Also im Lager II, das war so ein Zweieinhalb-Mann-Zelt. Ich bin in der Mitte auf so einem Felsen gelegen. Rechts ist das ganze Zelt schon kollabiert und so einen Hang runtergerutscht. Also ich hab‘ mir gedacht: Ich hoffe, es ist einigermaßen gut verankert.“
Die ehemalige Biathletin hat ihre ganz Ausrüstung selbst hochgetragen, aber für ein eigenes Zelt war der Lagerplatz zu klein. Sie ist mit Vorsicht und Umsicht an diesen großen, populären Gipfel herangegangen, hat sich drei Wochen Zeit genommen zum Akklimatisieren:
„Akklimatisation ist etwas ganz Wichtiges an den höheren Bergen. So gut wie diesmal hat’s noch nie geklappt. Ich weiß, dass ich mir ziemlich viel Zeit lassen muss im Vorfeld.“
Dahlmeier "lebt von der sportlichen Herausforderung"
Vor eineinhalb Jahren hat Laura Dahlmeier die Bergführerprüfung bestanden, nach zweieinhalbjähriger intensiver Ausbildung in Fels und Eis sowie im Winter. Und somit ein extrem hohes Allround-Können erreicht. Nach dem Gipfelerfolg am „Matterhorn Nepals“ hatte die bayerische Vorzeige-Athletin noch etwas Zeit übrig. Noch einmal aufsteigen vom Basislager zum 6.812 Meter hohen Gipfel, dafür im Alleingang und mit hohem Tempo? Das war die Frage.
„Es wäre nicht Laura Dahlmeier, wenn es sie dann nicht in den Fingern gejuckt hätte, um das auszuspielen, was sie schon immer gut gekonnt hatte: Gas geben. Sie war im Basislager. Was hätte sie denn Besseres tun können? Sie lebt von der sportlichen Herausforderung. Das war immer schon ein treibendes Element in ihr.“
Sagt Extremkletterer Alexander Huber, der jüngere der Huberbuam. Er kennt die mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Biathlon von einer anspruchsvollen Klettertour. Vor zwei Jahren haben sie gemeinsam mit Thomas Huber den Brouillard Pfeiler im Mont-Blanc-Gebiet bestiegen, der als wild, rauh und majestätisch gilt. Und Thomas Huber attestiert der Kletterpartnerin die Eigenschaften, die man für einen Traumgipfel wie die Ama Dablam benötigt:
„Das ist vor allem dieser Wille durchzuhalten, zu beißen an solchen Wänden. Das ist wie Biathlon.“
Probleme bereiten nur eiskalte Füße
Tatsächlich hat Laura Dahlmeier nach einem Ruhetag im Basislager einen zweiten Versuch gewagt. Sie hatte schon beim Abstieg ihre warmen Bergschuhe und Anziehsachen in Lager II deponiert und sich gedacht:
„Das sind jetzt 2.200 Höhenmeter. Wenn die Verhältnisse wirklich gut sind, müsste es doch fast schneller gehen. Ich kann’s ja mal probieren.“
Gesagt – getan: Die Akklimatisation stimmte, ihr Körper hatte sich noch besser an die große Höhe gewöhnt als beim ersten Versuch. Problematisch erwiesen sich nur ihre eiskalten Füße:
„I bin mit Zustiegsschuhen auf 6.000 Meter gegangen, da war’s mir in der Früh richtig kalt und ich hab‘ relativ lang gebraucht, bis ich die warmen Schuh' angehabt hab‘. Da hab‘ ich mir gedacht: Ich weiß net, ob das so sinnvoll ist und ob das gut passt.“
100 Prozent im Hier und Jetzt
Doch die Zweifel waren schnell verflogen. Ihr Rekordversuch glückte. Am Gipfel blieb die Uhr bei 8 Stunden und 24 Minuten stehen. Den höchsten Punkt hat Laura Dahlmeier – so erzählt sie – „kurz und intensiv genossen“, bevor sie sich wieder an den Abstieg machte, der an schwierigen Stellen durch ein Fixseil versichert war. Unten im Basislager nahm sie Kontakt auf mit Billi Bierling, der Leiterin der Himalayan Database. In dieser Datenbank werden alle Besteigungen und Rekorde im nepalesischen Himalaya erfasst. Billi Bierling zollte der Garmisch-Partenkirchener Bergsteigerin Respekt und hatte auch eine frohe Kunde:
„Die Ama Dablam ist und bleibt ein herausfordernder Berg. Was die Laura gemacht hat: Sie war zweimal hintereinander oben. Man darf nicht vergessen: Die Ama Dablam ist fast 7.000 Meter hoch. Ich finde das eine hervorragende Leistung. Und mich freut’s sehr für sie, dass sie die schnellste Frau bisher an der Ama Dablam war.“
Sechs Minuten schneller als die bisherige Rekordhalterin. Für Laura Dahlmeier war es kein Rekord um des Rekordes willen, sondern eine sportliche Herausforderung an einem großartigen Gipfel. Das Bergsteigen bedeutet ihr viel.
„Für mich ist es das Allerschönste, weil ich so 100 Prozent im Hier und Jetzt sein kann, weil man sich aufs Wesentliche konzentriert. Es geht darum, eine gute Zeit zu haben und die Tour zu schaffen, oben anzukommen und das kann ich so intensiv nur beim Bergsteigen erleben.“