Popmusikalische Emanzipation
Mit ihrem Debüt-Album "Sing to the Moon" wurde die englische Soulsängerin Laura Mvula als Genie gefeiert. Dabei empfand sie es eher als Kompromiss. Jetzt erscheint ihr zweites Album, auf dem sie sich selbstbewusst zu ihren Wurzeln bekennt.
"I'll be honest, with the first campaign, Sing to the Moon, for lots of complicated reasons, I was determined to come across as non-menacing and as pleasant as possible."
Zur Zeit ihres ersten Albums "Sing to the Moon", sagt Laura Mvula, habe sie so unbedrohlich und lieblich wie möglich erscheinen wollen. Ihr damals gerade wegen der Eigenwilligkeit ihrer Songs viel bejubelter Einstieg ins Popgeschäft war in Wahrheit bloß ein Kompromiss.
"Ich fühlte mich schon in der Grundschule so, wenn du ein dunkelhäutiges Mädchen in einer See von Leuten bist, die sich nicht so fühlen und nicht so aussehen wie du, aber du dazugehören und akzeptiert werden willst. Um den Leuten keine Angst zu machen, ging ich unbewusst sogar so weit, weiße Kleidung und hellhäutiges Make-Up zu tragen. Alles, was mich heller machte."
Tribut an die eigene Kraft
Auf ihrem neuen Album "The Dreaming Room" will Laura Mvula sich nicht mehr künstlich blass machen. Der Schluss-Song "Phenomenal Woman" ist nach einem Gedicht der afrikanisch-amerikanischen Poetin und Bürgerrechtsaktivistin Maya Angelou aus dem Jahr 1978 benannt, einem Tribut an die eigene Kraft und Unwiderstehlichkeit als eine Frau, die zu ihrem Körper steht.
"Ich wachte eines Tages auf, ich hatte das Maya Angelou-Gedicht gelesen. Es war ein Moment der Erleuchtung. Ich tanzte eine halbe Stunde lang nackt durch meine Wohnung, stellte mich vor den Spiegel ohne zu blinzeln, und ich spürte: Der Kern meines Seins ist in Ordnung, weder gut noch schlecht, er ist einfach."
"Phenomenal Woman" ist einer von zwei hervorstechenden Momente der Pop-Euphorie auf The Dreaming Room. Der andere ist eine Nummer namens "Overcome".
Wie an Klang und Groove der Gitarre hier unschwer zu erkennen, beteiligte sich Nile Rodgers von "Chic" am Arrangement dieses Songs.
"Er sagte: 'Deine Sache steht schon so klar für sich selbst, bitte lass mich was Einfühlsames dazu machen'. Ich vertraute ihm und er mir. Er ermutigte mich, keine Angst vor seiner Legende zu haben. Wer will schon Nile Rodgers sagen, dass man etwas anders haben will, als er es spielt. Aber er sagte nur: 'In Ordnung, cool.' Das war für mich eine Meisterlektion."
Intelligenz und Experimentiergeist
"Ich glaube ja nicht, dass ich so ein Genie bin, wie manche behaupten. So sieht das einfach aus, wenn jemand kreativ ist, so wie Millionen andere Leute auf dieser Welt auch. Bloß ist unsere kommerzielle Welt so aufgestellt, dass Musik nicht mehr Musik, sondern nur mehr ein Bedarfsartikel ist."
Laura Mvulas Kulturpessimismus sei ihr unbenommen. Ironischerweise ist aber gerade ihr eigener Erfolg der beste Beweis, dass sich im Pop trotz allem immer noch so einiges an Intelligenz und Experimentiergeist an der Marketingabteilung vorbeischmuggeln lässt.
"Einen Popsong zu schreiben kann sich wie die schwerste Bürde der Welt anfühlen. Alles muss dem Publikum zuliebe vereinfacht werden. Aber für mich bedeutet der Auftrag, einen Song zu schreiben, dass man buchstäblich alles tun kann, was man will."