Laura Poitras im Whitney Museum

Ausgerechnet New York

Die US-amerikanische Filmemacherin Laura Poitras
Die US-amerikanische Filmemacherin Laura Poitras © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Georg Schwarte |
Seit elf Jahren wird die Filmemacherin und Edward-Snowden-Vertraute Laura Poitras von den US-Geheimdiensten ausgespäht. In ihrer Ausstellung "Astro Noise" im New Yorker Whitney-Museum nimmt sie die totale Überwachung in den Blick. Die Schau ist auch als Weckruf gemeint.
Ein dunkler Raum. In der Mitte eine fünf Mal fünf Meter große Liegefläche. Besucher ausgestreckt auf dem Teppich bedeckten Podest. Ihr Blick geht an die Decke. Dort oben ein nächtlicher Sternenhimmel. Scheinbar. Kometengleich zischen todbringende Drohnen durch die Sternennacht. Die Ästhetik des Bösen. Der Besucher glaubt, er sei der Beobachter. Ein Irrtum. Einer von vielen.
"Du guckst nach oben, beobachtest den Himmel des Nahen Ostens. Nachher realisiert du. Du wurdest dabei beobachtet, wie du beobachtet hast."
Adam Weinberg, Direktor des New Yorker Whitney-Museums. Fasziniert von dem Trick, den die Künstlerin Laura Poitras wieder und wieder verwendet. Der Beobachter wird zum Beobachteten. Das Subjekt zum Objekt. Laura Poitras, die Vertraute Edward Snowdens, die preisgekrönte Enthüllungsjournalistin, Dokumentarfilmerin. Jetzt nimmt sie eine Ausstellung als Leinwand für ihre Botschaft, "Astro Noise" im Whitney-Museum:
"Für mich ist eine Verlängerung der Arbeit, die ich mache. Es ist Film mit anderen Mitteln, ich nutze hier Raum, die Besucher, es ist sehr experimentell, …"
Der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden
Laura Poitras schrieb das Drehbuch und führte Regie beim Dokumentarfilm über Edward Snowden. (Bild: picture alliance / dpa)© picture alliance / dpa
Laura Poitras. Ihre Botschaft: Totale Überwachung. Die Besucher, die liegend den Sternenhimmel bestaunten, im nächsten Raum sehen sie ihre liegenden Körper als Wärmebildaufnahme gespeichert und daneben ein Bildschirm, auf dem ihre digitalen Daten, die ihrer Handys beispielsweise, ausgelesen werden. Beängstigend. Der Titel der Installation: "Bed down Location". Der militärische Begriff der Drohnenkrieger für den Ort, an dem die zu tötende Zielperson schläft. Der Besucher als Zielperson, Teil der Überwachung.
"Am Ende geht es ums Beobachten und ums Beobachtet werden. Und es beunruhigt jeden hier. Wer schaut mich an, wer späht mich aus. Es ist tief verstörend für jeden Besucher."
Adam Weinberg hatte Laura Poitras eingeladen. Das Ergebnis: "Astro Noise". Eine Ausstellung über die totale Überwachung. Der Kurator Sanders spricht von des "Poesie des Konkreten". Dunkle Wände. Darin kleine Sehschlitze, wie in einem Sexkino. Dahinter Filme, Gesichter, Geschichten. Etwa die eines US-Gefangenen, eines vermeintlichen Terroristen, der – aufgehängt an den Beinen – verhört wurde und erzählt, wie ein Mitgefangener neben ihm starb:
"There was another guy he was hanging in front of me …"
Laura Poitras filmte im Irakkrieg
Der Besucher als Voyeur. Adam Weinberg nennt die Installationen und die großflächigen, in Farbbilder umgewandelten Signale von Drohnen "Dark Beauty". Düstere Schönheiten. Goyagleich.
Die Künstlerin selbst, seit elf Jahren nun von den US-Geheimdiensten überwacht, sie zeigt im Whitney als Videoinstallation, wann ihre persönliche Überwachung einst begann. Im November 2004. Als sie im Irakkrieg acht Minuten und 16 Sekunden lang filmte, wie US-Soldaten eine Moschee stürmten.
"Diese acht Minuten haben mein Leben verändert", sagt sie in der Videoinstallation. Damals aber ahnte sie das noch nicht. Astro Noise. Der Titel der Ausstellung, eine Anspielung auch auf eine Akte, die Edward Snowden, der Mann den sie in den USA offiziell einen Verräter nennen, einst Laura Poitras zuspielte. Weinberg nennt die Ausstellung einen Weckruf an die Gesellschaft, auch und besonders die amerikanische. "Freiheit und Unabhängkeit. Nur mehr Illusion".
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