Laurence C. Smith: „Weltgeschichte der Flüsse“
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Ohne Wasser keine Zivilisation
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Laurence C. Smith
Übersetzt von Jürgen Schröder
Weltgeschichte der Flüsse. Wie mächtige Ströme Reiche schufen, Kultur zerstörten und unsere Zivilisation prägenSiedler, München 2022448 Seiten
26,00 Euro
Flüsse haben in der Geschichte der Menschheit eine bedeutende Rolle gespielt. Das beschriebt der US-amerikanische Geowissenschaftler Laurence C. Smith. Eindrucksvoll folgt er die verschlungenen Wasserläufen durch die Jahrtausende.
Heute leben fast zwei Drittel aller Menschen nahe einem Fluss. An Flussufern entstanden auch die ersten Hochkulturen. Das jährliche Nilhochwasser war beispielsweise entscheidend für das Werden des ägyptischen Pharaonenreiches. Man beobachtete mit Messsteinen den Wasserstand des Stromes und wusste daher frühzeitig, ob die Ernte eines Jahres reich oder mager ausfiel.
Blühende Landwirtschaft und Städte
So war eine landwirtschaftliche Planung möglich. Das bewirkte, dass das Reich der Pharaonen etwa 3000 Jahre bestand.
Auch im Zweistromland waren die Flüsse für die Entstehung hochkomplexer hierarchischer Stadtgesellschaften verantwortlich, ebenso wie in Nordwestindien und Pakistan, wo sich entlang von Indus, Ghaggar und ihren Nebenflüssen zwischen 7000 und 1900 v. u. Z. Stadtkulturen bildeten.
Es waren blühende Städte mit bewässerter Landwirtschaft und einer geschlossenen Kanalisation. Sie gingen unter als der Monsun ausblieb.
Anekdoten mischen sich mit Forschung
Laurence C. Smith belegt mit einer Fülle von Beispielen, welch wichtigen Einfluss Flüsse auf die Entwicklung unserer Zivilisation hatten. Dabei ist er ein guter Erzähler, der mit leichter Hand Fakten referiert, sie mit Anekdoten seiner persönlichen Forschungsarbeit garniert und in beeindruckender Manier durch die Jahrtausende springt.
Flüsse bildeten natürliche Grenzen, sie waren oft strategisch wichtig. Sie dienten als Entdeckungs- und Handelswege. Die Kraft der Flüsse wurde genutzt, um zunächst Mühlen und später auch Webstühle anzutreiben. Flüsse waren im Wortsinn treibend für die industrielle Revolution.
Ökologische Folgen
Doch wurden sie auch als Abwasserkanäle oder zur Müllentsorgung missbraucht. Sie wurden durch Dämme eingehegt, durch Kanäle miteinander verbunden oder umgeleitet. Ein ausgeklügeltes System von Staubecken und Leitungen versorgt heute Los Angeles, nachdem Anfang des 20. Jahrhunderts als erstes der Owens River in Richtung der Metropole umgeleitet wurde.
Die Ökologie ist dabei oft zweitrangig, wie sich am deutlichsten am nicht im Buch vorkommenden Aralsee in Zentralasien zeigt: Der ehemals riesige See trocknete wegen der übergroßen Entnahme von Wasser aus seinen Zuflüssen seit den 1960er-Jahren fast vollständig aus.
So beschreibt der Autor zwar an zahlreichen Punkten, dass sich menschliche Eingriffe in Flusssysteme negativ auf die biologische Vielfalt auswirken, doch bleibt er dabei oft unkonkret: Für ihn scheinen Flüsse vor allem für Menschen, weniger als eigenständige Ökosysteme wichtig zu sein. Vielleicht das einzige Manko dieses beeindruckenden Buchs.