Le Grand Geste!
Unter dem Titel "Le Grand Geste!" hat das Düsseldorfer "museum kunst palast" jetzt eine umfassende Dokumentation der Informel-Bewegung zusammengestellt. Mehr als 150 Werke zeigen, wie in den 40er- bis 60er-Jahren vom Rheinland über Paris und New York die Lust an der Farbe und die schwungvolle malerische Geste triumphierten.
Groß, oftmals riesig sind die Bilder, und überall ereignen sich Explosionen von Farbe, in Strudeln, Nebeln, Clustern wirbelt sie über die Leinwand, manchmal so dick aufgetragen, hingespachtelt, mit den Fingern verschmiert oder zu reliefartigen Strukturen aufgeschichtet, dass die Malerei aus ihrer zweidimensionalen Flächigkeit herausgerissen wird und den Betrachter anzuspringen scheint. Wild, kraftvoll, energisch und mit einer elementaren, spielerischen Lust am Material kommen diese Bilder daher, wie in Farben geronnene Jazz-Improvisationen.
Wer im Düsseldorfer "museum kunst palast" den Blick an den Wänden der Säle entlang schweifen lässt, ohne sich noch einem Werk im Einzelnen zuzuwenden, stellt überrascht fest, wie sehr diese nunmehr rund 50 Jahre alten Bilder die allgemeine Vorstellung geprägt haben, die sich einstellt beim Begriff "moderne Malerei". Und natürlich auch die Vorurteile, die sich bis heute geltend machen, wenn diesen Arbeiten Beliebigkeit, genialische Kraftmeierei oder egomanisches Sichaustoben der Künstler unterstellt wird. Diese Ausstellung verspricht also spannend zu werden, weil sie den Betrachter an ein archetypisches Bild heranführen und die vielen, ganz unterschiedlichen Facetten zeigen wird, die sich auf den zweiten Blick dem Betrachter enthüllen. Und weil sofort klar ist, dass die Kunst, die sich unter den wenig griffigen Stilbezeichnungen Informel und Abstrakter Expressionismus versammelt, keineswegs musealen Staub angesetzt hat, sondern vital und gegenwärtig wirkt. Unmittelbar zu spüren ist der Aufbruch, zu dem die Künstler in der neu sich ordnenden Welt nach 1945 unterwegs waren.
"Das Charakteristische an diesen malern ist, dass ihre Bilder offene Strukturen darstellen, dass sie ganz unterschiedliche Teilaspekte bearbeiten und dass sie bedingungslos individualistisch sind. So individualistisch, dass man von individuellen Bildern sprechen muss und nicht nur von individuellen malern, und deswegen ist es so schwer, einen angemessenen Ausdruck zu finden."
Kurator Kay Heymer betont die Bedeutung, die der Begriff "Freiheit" in dieser Zeit gehabt hat: im Hinblick auf die Autonomie einer Kunst, die sich von politischer Unterdrückung durch den Faschismus oder ihrer Instrumentalisierung zu antifaschistischer Propaganda befreite, aber auch in der Überwindung von künstlerischen Traditionen, Stilen und Genres. Wohl nicht zufällig in zeitlicher und in Paris sogar in unmittelbarer Nähe zur Philosophie des Existenzialismus bildet sich auch in der Kunst ein neuer Begriff der Subjektivität, Autonomie und Vereinzelung des Künstlers und des schöpferischen Vorgangs. Die malerische Geste lässt das Bild aus dem Nichts entstehen.
"Deshalb haben wir 'Le Grand Geste!" als Titel genommen, weil es nur eine bestimmte Verhaltensweise beschreibt, aber keine konkrete Beschreibung gibt."
Und Kuratorin Susanne Rennert betont die Bedeutung dieses Aufbruchs ganz besonders für die deutschen Künstler, nach der Erfahrung der Diktatur, des Krieges und der Zerstörung und der Diskreditierung so vieler Ideen und Werte.
"Ich denke, dass die Geste selbstbewusstes und selbst entschiedenes Handeln ist. Da muss man sich die weiße Leinwand vorstellen, die mit Inhalt gefüllt wird und mit einer Geste erstmals wieder gefüllt werden darf nach zwölf Jahren mundtot sein und keine Geste mehr ausführen zu dürfen."
Diesen nach Meinung der Kuratoren noch immer unterschätzten deutschen Malern, denen in der ersten Nachkriegszeit internationale Anerkennung noch aus politischen Gründen versagt blieb, gibt die Ausstellung besonderen Raum. Und so, wie sie gehängt ist, bringt sie die Werke tatsächlich in einen Dialog: Emil Schumachers trockene, freskenhaft anmutende, zerkratzte und geritzte Oberflächen korrespondieren spannend mit den beinah reliefartigen, mit Steinchen, Sand, Gips und Bitumen komponierten Strukturen von Jean Dubuffet. Und Jackson Pollocks monumentale, wild bewegte "Komposition 32", die der Künstler, auf der Leinwand stehend, durch das Tropfen und Ausgießen schwarzer Farbe schuf, enthüllt Gemeinsamkeiten wie Unterschiede im Blick auf die ebenfalls strikt schwarz-weißen Bilder von Karl Otto Götz, auf denen sich rhythmisch bewegte Formen aus dem Dunklen ins Helle heben. Der 96jährige Maler nahm an der Eröffnung teil und erzählte von seiner Liebe zum Jazz.
Eine lebendige, emotionale, mitreißende Malerei ist da in Düsseldorf zu besichtigen, ein halbes Jahrhundert nach der legendären documenta 2 in Kassel 1959, die den Abstrakten Expressionismus endgültig als dominierende künstlerische Bewegung jener Jahre etablierte. Und vermutlich ist seitdem auch nie wieder ein so umfassender Überblick gegeben worden. Heute kann man aber außerdem sehen, wohin der Aufbruch von damals geführt hat.
"Kiefer, Baselitz, Polke, die haben alle profitiert von den Entdeckungen, die die informellen Lehrer gemacht haben und die unterschiedlichen Teilaspekte der Möglichkeiten, ein Bild zu machen, untersucht haben, einbringen fremder Materialien, gestisch zu arbeiten, körperlich zu arbeiten, diese Teilelemente als Klaviatur an Möglichkeiten aufzufassen, das ist etwas, was auch die Malerei insgesamt weitergebracht hat, und ich denke, sehr viele junge maler werden mit viel gewinn sich diese Ausstellung anschauen, weil sie sehen, wie lebendig man mit diesen Materialien umgehen kann."
Wer im Düsseldorfer "museum kunst palast" den Blick an den Wänden der Säle entlang schweifen lässt, ohne sich noch einem Werk im Einzelnen zuzuwenden, stellt überrascht fest, wie sehr diese nunmehr rund 50 Jahre alten Bilder die allgemeine Vorstellung geprägt haben, die sich einstellt beim Begriff "moderne Malerei". Und natürlich auch die Vorurteile, die sich bis heute geltend machen, wenn diesen Arbeiten Beliebigkeit, genialische Kraftmeierei oder egomanisches Sichaustoben der Künstler unterstellt wird. Diese Ausstellung verspricht also spannend zu werden, weil sie den Betrachter an ein archetypisches Bild heranführen und die vielen, ganz unterschiedlichen Facetten zeigen wird, die sich auf den zweiten Blick dem Betrachter enthüllen. Und weil sofort klar ist, dass die Kunst, die sich unter den wenig griffigen Stilbezeichnungen Informel und Abstrakter Expressionismus versammelt, keineswegs musealen Staub angesetzt hat, sondern vital und gegenwärtig wirkt. Unmittelbar zu spüren ist der Aufbruch, zu dem die Künstler in der neu sich ordnenden Welt nach 1945 unterwegs waren.
"Das Charakteristische an diesen malern ist, dass ihre Bilder offene Strukturen darstellen, dass sie ganz unterschiedliche Teilaspekte bearbeiten und dass sie bedingungslos individualistisch sind. So individualistisch, dass man von individuellen Bildern sprechen muss und nicht nur von individuellen malern, und deswegen ist es so schwer, einen angemessenen Ausdruck zu finden."
Kurator Kay Heymer betont die Bedeutung, die der Begriff "Freiheit" in dieser Zeit gehabt hat: im Hinblick auf die Autonomie einer Kunst, die sich von politischer Unterdrückung durch den Faschismus oder ihrer Instrumentalisierung zu antifaschistischer Propaganda befreite, aber auch in der Überwindung von künstlerischen Traditionen, Stilen und Genres. Wohl nicht zufällig in zeitlicher und in Paris sogar in unmittelbarer Nähe zur Philosophie des Existenzialismus bildet sich auch in der Kunst ein neuer Begriff der Subjektivität, Autonomie und Vereinzelung des Künstlers und des schöpferischen Vorgangs. Die malerische Geste lässt das Bild aus dem Nichts entstehen.
"Deshalb haben wir 'Le Grand Geste!" als Titel genommen, weil es nur eine bestimmte Verhaltensweise beschreibt, aber keine konkrete Beschreibung gibt."
Und Kuratorin Susanne Rennert betont die Bedeutung dieses Aufbruchs ganz besonders für die deutschen Künstler, nach der Erfahrung der Diktatur, des Krieges und der Zerstörung und der Diskreditierung so vieler Ideen und Werte.
"Ich denke, dass die Geste selbstbewusstes und selbst entschiedenes Handeln ist. Da muss man sich die weiße Leinwand vorstellen, die mit Inhalt gefüllt wird und mit einer Geste erstmals wieder gefüllt werden darf nach zwölf Jahren mundtot sein und keine Geste mehr ausführen zu dürfen."
Diesen nach Meinung der Kuratoren noch immer unterschätzten deutschen Malern, denen in der ersten Nachkriegszeit internationale Anerkennung noch aus politischen Gründen versagt blieb, gibt die Ausstellung besonderen Raum. Und so, wie sie gehängt ist, bringt sie die Werke tatsächlich in einen Dialog: Emil Schumachers trockene, freskenhaft anmutende, zerkratzte und geritzte Oberflächen korrespondieren spannend mit den beinah reliefartigen, mit Steinchen, Sand, Gips und Bitumen komponierten Strukturen von Jean Dubuffet. Und Jackson Pollocks monumentale, wild bewegte "Komposition 32", die der Künstler, auf der Leinwand stehend, durch das Tropfen und Ausgießen schwarzer Farbe schuf, enthüllt Gemeinsamkeiten wie Unterschiede im Blick auf die ebenfalls strikt schwarz-weißen Bilder von Karl Otto Götz, auf denen sich rhythmisch bewegte Formen aus dem Dunklen ins Helle heben. Der 96jährige Maler nahm an der Eröffnung teil und erzählte von seiner Liebe zum Jazz.
Eine lebendige, emotionale, mitreißende Malerei ist da in Düsseldorf zu besichtigen, ein halbes Jahrhundert nach der legendären documenta 2 in Kassel 1959, die den Abstrakten Expressionismus endgültig als dominierende künstlerische Bewegung jener Jahre etablierte. Und vermutlich ist seitdem auch nie wieder ein so umfassender Überblick gegeben worden. Heute kann man aber außerdem sehen, wohin der Aufbruch von damals geführt hat.
"Kiefer, Baselitz, Polke, die haben alle profitiert von den Entdeckungen, die die informellen Lehrer gemacht haben und die unterschiedlichen Teilaspekte der Möglichkeiten, ein Bild zu machen, untersucht haben, einbringen fremder Materialien, gestisch zu arbeiten, körperlich zu arbeiten, diese Teilelemente als Klaviatur an Möglichkeiten aufzufassen, das ist etwas, was auch die Malerei insgesamt weitergebracht hat, und ich denke, sehr viele junge maler werden mit viel gewinn sich diese Ausstellung anschauen, weil sie sehen, wie lebendig man mit diesen Materialien umgehen kann."