Lea Dräger über "Wenn ich euch verraten könnte"

Patriarchat, Psychatrie und Katholizismus

13:33 Minuten
Lea Dräger schaut in die Kamera. Sie hat rötliche Haarem trägt einen rosafarbenen Pullover.
Lea Dräger schreibt in ihrem Debütroman in drastischen Szenen über patriarchiale Familienstrukturen und katholische Prägung. © Paula Winkler
Lea Dräger im Gespräch mit Joachim Scholl |
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Festgefügte Familienstrukturen, patriarchale Gewalt und beinharter Katholizismus: Das sind die Themen in Lea Drägers Debütroman. Die Schilderungen sind sehr drastisch. Doch diese Härte sei nötig, um etwas zu ändern, sagt die Autorin.
Als Schauspielerin und auch als bildende Künstlerin ist sie schon bekannt, nun hat Lea Dräger auch einen Roman geschrieben: Es geht um Familienstrukturen, um Essstörungen und die Wirkungsmacht des Katholizismus.

Familiengeschichte über vier Generationen

„Wenn ich euch verraten könnte“ ist eine Familiengeschichte über vier Generationen und fängt mit dem Suizid des Urgroßvaters an. Erzählerin ist die 13-jährige Urenkelin, die in die Psychiatrie gebracht wird, weil sie weder isst noch spricht. Sie schreibt alles in ein kleines Notizbuch.
In ihr Gepäck für das Krankenhaus hat die junge Erzählerin eine Marienstatue eingepackt bekommen – und damit ist eine Verbindung einer schwierigen Familienstruktur hin zur Religion gezogen.Der Katholizismus spielt vor allen Dingen in der Generation von Urgroßvater und -mutter und von Großmutter und Großvater eine Riesenrolle“, sagt Dräger zu ihrem Figurentableau.
Die Angehörigen dieser beiden Generationen in ihrem Buch seien sehr katholisch aufgewachsen: „Was mir daran wichtig ist: Wie dieser Katholizismus benutzt wird, um patriarchale Gewalt zu begründen oder zu legitimieren.“
In der Generation der erzählenden Urenkelin sei der Katholizismus nicht mehr in dem Maß vorhanden, sagt die 1980 in Münster geborene Dräger. „Aber er ist noch in den Denkstrukturen.“

Männer und Frauen in einem patriarchalen System gefangen

Die Frauen sind Opfer des patriarchalen Systems und der gewalttätigen Männer. Sie schmieden ein geheimes Bündnis hinweg, um das auszuhalten. Die Männer sind aber nicht eindimensional beschrieben: „Wie und warum werden die überhaupt dazu?", stellt Lea Dräger als Frage in den Raum. "Und wie sind auch die darin gefangen?"
Sie selbst kenne das religiöse Denken noch aus der Generation ihrer Großmutter, sagt Dräger: „Aber es ist auch sehr viel über das Schreiben und die Recherche entstanden“, sagt sie zu dem Entstehungsprozess von dem Buch.
Lea Dräger ist auch bildende Künstlerin. Seit sieben Jahren zeichnet sie Päpste und Päpstinnen, um patriarchale Systeme und hierarchische Strukturen zu untersuchen, wie sie sagt. Dass sie nun ein Buch geschrieben habe, liege an ihrem Ziel, das Schweigen zu brechen, sagt Dräger: "Dafür muss ich Worte benutzen."

Triggerwarnung vorangestellt

Auch das zweite große Thema des Buches, psychische Krankheiten mitsamt Essstörungen und Selbstverletzung, das durchaus im Zusammenhang mit Familienstrukturen zu sehen sei, so Dräger, wird in dem Buch explizit behandelt.
"Es war mir wichtig, das in seiner Echtheit und Ehrlichkeit darzustellen," erklärt sie.
"Für mich ist so eine Härte total wichtig, um Dinge zu ändern. Ich denke, nur wenn man die Dinge auch auf den Tisch legt, kann man sie auch sehen und dann, im nächsten Schritt, wird es was anderes werden", sagt Dräger: "Es klingt paradox: Für mich ist total viel Hoffnung in diesem Buch.“
(mfu)

Lea Dräger: "Wenn ich euch verraten könnte"
Carl Hanser, München 2022
288 Seiten, 23 Euro

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