"Leaderchor"

Die singenden Chefs

Simon Halsey dirigiert den "LeaderChor Berlin".
Der Brite Simon Halsey dirigiert den "LeaderChor Berlin". © Foto: Matthias Heyde
Von Anne Boschan |
Im Berliner "LeaderChor" lernen Führungskräfte nicht nur, den richtigen Ton zu treffen, sondern auch, sich führen zu lassen. Entsprechende Workshops veranstaltet der Chefdirigent des Rundfunkchors Berlin, Simon Halsey, seit mehreren Jahren.
Einsingen am Morgen. In Turnschuhen und legerer Wochenendkleidung stehen sie im Probensaal des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin – 40 Frauen und Männer, Führungspersönlichkeiten. Sie sind Teilnehmer des LeaderChors, angereist aus ganz Deutschland und der Schweiz, um vier Tage gemeinsam zu singen. Mit einem Lächeln lockert Britta Delmas ihre Mundmuskulatur. Die dynamische Mittvierzigerin kommt aus der Schweiz. Sie arbeitet für die Finanzmarktaufsicht. Bereits das fünfte Mal nimmt sie an diesem Workshop teil und hat zwei Gründe, jährlich einige Tage nach Berlin zu kommen.
"Natürlich steht die Musik im Vordergrund, aber man lernt auch viel über Motivation. Simon Halsey ist der geborene Motivator und wenn ich davon etwas mitnehmen kann in meinen Arbeitsalltag, dann ist das schon ganz toll."
Mut zum eigenen Stil als Führungsqualität
Lernen von Simon Halsey, dem Chefdirigenten des Rundfunkchores Berlin. Der charismatische Brite trägt ein rosa Hemd und Jeans. Seine dunklen Haare sind mit einigen grauen Strähnen durchzogen. Dynamisch wippt er auf und ab, bewegt schwungvoll die Arme. Lächelt. Halsey hat die volle Aufmerksamkeit jedes einzelnen.
Britta Delmas: "Was Simon Halsey eben macht, schneidet Grimassen, macht hin und her, und man könnte denken: meine Güte! Aber das passt, das ist richtig, das ist sein Stil und ich denke diese Sicherheit den eigenen Stil zu haben und den zu verfolgen das ist einfach etwas, was man sich so als generelle Lebenshaltung und Führungshaltung abschauen kann."
Die Teilnehmer des LeaderChors singen auf unterschiedlichem Niveau. Einige proben regelmäßig im Chor, haben sich intensiv vorbereitet, andere bringen ihre Gesangskenntnisse noch aus Schulzeiten mit. Jedes Jahr aufs Neue setzt sich der Chefdirigent mit einer Gruppe von Laiensängern auseinander.
Simon Halsey: "Die Soprani in diesem Jahr sind ausgezeichnet gut, die Alti sind sehr freundlich und gut präpariert, die Tenore sind exzellent, sehr viele Bassi und hier das Niveau ist sehr unterschiedlich. Am ersten Tag ich habe gedacht, hier ist eine harte Arbeit und ganz ehrlich: nach zwei Tagen es geht viel besser."
Alle werden mitgenommen
Ganz so einfach ist es für Philip Bierbach nicht. Der 44-jährige Manager nimmt zum ersten Mal an diesem Chorworkshop teil.
"Hier wird man sehr gefordert. Hier ist das schon sehr an der Grenze, was ich leisten kann. Aber man wundert sich, was man hinbekommt, wenn man einen wirklich guten Trainer hat."
Bierbach leitet in Hamburg ein Team von 30 Mitarbeitern an. Im LeaderChor lässt er sich anleiten und lernt etwas für die Arbeit zu Hause.
"Zum einen nehme ich mit, dass es ganz wichtig ist, sich Zeit zu nehmen und auf der anderen Seite, dass es wichtig ist alle mitzunehmen, dass alle an einem Strang ziehen und keiner zurück bleibt."
Dass keiner zurückbleibt, dafür sorgt Simon Halsey – mit der Führungsqualität Begeisterungs- und Motivationsfähigkeit, sagt Britta Delmas.
"Man erinnert sich wie man eigentlich Führung leben sollte. nämlich in dem man alle einschließt und den Ton angibt, aber überzeugend und nicht Kraft Amtes sondern Kraft Überzeugung, Kraft Begeisterung, Kraft Enthusiasmus."
Lernen, wann man den Mund halten muss
Nach einer kurzen Mittagspause geht es weiter mit den Proben. Mit Unterstützung des Rundfunkchors Berlin und von Mitgliedern des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Die 40 Teilnehmer des LeaderChors sind hochkonzentriert, wirken elektrisiert. Immerhin singen sie hier mit absoluten Profis.
Nach vier harten Probentagen und einem Abschlusskonzert vor mehreren hundert Menschen kehren die Teilnehmer des Leaderchors in ihre Führungspositionen zurück. Vielleicht mit einer etwas heiseren Stimme, sicher aber mit zahlreichen neuen Erfahrungen und Eindrücken für die Arbeit. Philip Bierbach, der Manager aus Hamburg, hat dazugelernt.
"Es ist mehr Mut zur Lücke bei mir. Das ist vielleicht auch etwas, dass man lernt, wann man den Mund halten muss, damit man das ganze Ding nicht zum Schwanken bringt. Und man kann dann wieder einsetzen, wenn man das Gefühl hat, den Ton könnte ich kriegen. Ich lächele freundlich und halte den Mund."
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