Leben auf Probe
Sie sind die "Generation Praktikum": junge Menschen, gut ausgebildet, willig und doch ohne Chance auf einen festen Arbeitsplatz. Nikola Richter beschreibt in ihrem Buch "Die Lebenspraktikanten" das Lebensgefühl einer Generation, die auf Probe lebt. Leider bleiben ihrer Figuren seltsam blass und oberflächlich, obwohl sich spannende Geschichten dahinter verbergen.
Sie heißen Jasmin, Linn, Anika und Giulia, Nils, Chris und Viktor. Junge Menschen, die sich durchs Leben schlagen: Fertig mit dem Studium, bereit, einzusteigen in die Arbeitswelt, bereit, die Zukunft zu gestalten.
Danke, der nächste bitte, so heißt es am Ende des Praktikums. Ein Leben in der Warteschleife, die große Lebensplanung wird verschoben - besser gesagt, ist gar nicht möglich. Die "Lebenspraktikanten" - so der Titel des Buches von Nikola Richter - sie können nur von Woche zu Woche planen.
"Wir strampeln uns ab und müssen mit dieser Existenzangst leben."
Erklärt Linn ihren Eltern, die nicht verstehen, warum sich ihre Tochter so schwer tut, mit dem Start ins richtige Leben.
"Ihr konntet wenigstens sparen, ihr hattet ein Ziel und habt es erreicht!, ruft sie neidisch. Am Ende jeden Monats, am Ende jeder Woche bleibt bei uns leider nichts für Anschaffungen oder als Ruhekissen übrig. (…) Die Eltern hatten damals wenigstens die Aussicht auf längerfristige Anstellungen und ein regelmäßiges Einkommen."
Die Aussichten heute hingegen: schlecht, das Lebensgefühl: wie in einem Zwischenreich gefangen. Was gestern als spießig verschrien war, ist nun erstrebenswert: Linn würde gern auf ein Auto und eine Eigentumswohnung sparen, stattdessen fährt sie Fahrrad, weil ihr Bus und U-Bahn zu teuer sind.
"Falls sie Urlaub machten, besuchten sie Freunde in den Städten, die mit Billigfliegern erreichbar waren, schliefen dort eine Woche auf einer Luftmatratze und schrieben keine Postkarten. Zu teuer."
Das sind die Dramen der jungen Menschen um die 30. Ein bisschen wehleidig, diese Generation, die droht in jahrelanger Dauerpraktikantenschaft hängen zu bleiben. 2005 waren die Zeitungen voll von Berichten über diese "Generation Praktikum", von der "Süddeutschen" über "Neon", dem Magazin für die, die immer jung bleiben wollen, bis zur "ZEIT", die schrieb:
"Die Wissenschaft hat diesen Jahren bereits einen Namen gegeben: die floundering period. Eine Phase, in der man zappelt wie eine Flunder. Vor zwei, drei Jahren war in den Zeitungen viel über die 'Generation arbeitslos' zu lesen, von jungen, gut ausgebildeten Menschen, die früh ihren Job verloren. Die Flundermenschen sind anders: Sie wurden nie arbeitslos, weil sie nie einen festen Job hatten."
Nikola Richter beschreibt in ihrem Buch, wie sie zappeln, wie sie verzweifelt nach dem Einstieg suchen, sich von Praktikum zu Praktikum hangeln, welche Strategien sie entwickeln, um in Bewerbungsgesprächen zu bestehen, wie sie versuchen, nach Niederlagen neue Anläufe zu nehmen: Linn kauft sich einen Visitenkarten-Ordner, Jasmin geht nach Polen, um von dort ihre Karriere zu starten, Victor pflegt sein Netzwerk mit Kontakten, jede Bekanntschaft kann mal nützlich sein:
"Jetzt sind wir alle noch kleine Fische, die durch die Maschen schlüpfen, aber wir sind der Nachwuchs. In zehn Jahren sind wir die Profis. Und dann ist unsere Zeit gekommen. Dann wird es sich auszahlen, dass wir uns kennen, dass wir unsere Namen und Positionsangaben haben."
Wer irgendwann dann doch drin ist im Boot, so wie Guilia, muss mit dem Neid derer leben, die noch draußen sind und versuchen, mit ins Boot zu steigen:
"Schick mir doch eine Liste mit deinen Qualitäten, und ich bau dich irgendwo ein. Ja, ich versuch das. Ich bin ja sozusagen ein Rädchen in der Institution."
Nikola Richter weiß, wovon sie schreibt, sie ist 1976 geboren, hat Germanistik, Anglistik und Komparatistik studiert und sich danach auf Praktika- und Jobmarathon begeben. Sie lebt in Berlin, wo es etwas leichter ist, ohne das große Geld zu leben. Sie leitet dort ein Online-Literaturmagazin. Auf dem Klappentext des Taschenbuches schreibt sie, dass sie "Geschichten schildern (will), die nicht fiktiv sind."
"Sie sind erlebt, ihnen liegt eine Wahrheit zugrunde."
Leicht, locker und temporeich sollen die Episoden sein - der Wille ist zu spüren, doch so richtig unterhaltsam sind die Erlebnisse der "Lebenspraktikanten" nicht, oft macht die Autorin einfach zu viel der Worte. Und ihre Figuren bleiben, trotz ihrer mitunter aufreibenden Lebenswege, über 190 Seiten seltsam blass und oberflächlich.
Dabei stecken richtige Geschichten hinter den Episoden. Am Ende beispielsweise macht Nils sich selbstständig, er besinnt sich auf einmal auf seine Wurzeln, seine Eltern stammen aus einem 400-Seelendorf "im fernen Südosten" - wie Nikola Richter schreibt. Er eröffnet einen Marktstand mit "Dönerkuchen", und alle Lebenspraktikanten dürfen ihm helfen. Schöne Aussichten: Aus der Generation Praktikum wird die Imbiss-Generation.
Nikola Richter: Die Lebenspraktikanten
Fischer Taschenbuchverlag 2005
192 Seiten, € Euro
Danke, der nächste bitte, so heißt es am Ende des Praktikums. Ein Leben in der Warteschleife, die große Lebensplanung wird verschoben - besser gesagt, ist gar nicht möglich. Die "Lebenspraktikanten" - so der Titel des Buches von Nikola Richter - sie können nur von Woche zu Woche planen.
"Wir strampeln uns ab und müssen mit dieser Existenzangst leben."
Erklärt Linn ihren Eltern, die nicht verstehen, warum sich ihre Tochter so schwer tut, mit dem Start ins richtige Leben.
"Ihr konntet wenigstens sparen, ihr hattet ein Ziel und habt es erreicht!, ruft sie neidisch. Am Ende jeden Monats, am Ende jeder Woche bleibt bei uns leider nichts für Anschaffungen oder als Ruhekissen übrig. (…) Die Eltern hatten damals wenigstens die Aussicht auf längerfristige Anstellungen und ein regelmäßiges Einkommen."
Die Aussichten heute hingegen: schlecht, das Lebensgefühl: wie in einem Zwischenreich gefangen. Was gestern als spießig verschrien war, ist nun erstrebenswert: Linn würde gern auf ein Auto und eine Eigentumswohnung sparen, stattdessen fährt sie Fahrrad, weil ihr Bus und U-Bahn zu teuer sind.
"Falls sie Urlaub machten, besuchten sie Freunde in den Städten, die mit Billigfliegern erreichbar waren, schliefen dort eine Woche auf einer Luftmatratze und schrieben keine Postkarten. Zu teuer."
Das sind die Dramen der jungen Menschen um die 30. Ein bisschen wehleidig, diese Generation, die droht in jahrelanger Dauerpraktikantenschaft hängen zu bleiben. 2005 waren die Zeitungen voll von Berichten über diese "Generation Praktikum", von der "Süddeutschen" über "Neon", dem Magazin für die, die immer jung bleiben wollen, bis zur "ZEIT", die schrieb:
"Die Wissenschaft hat diesen Jahren bereits einen Namen gegeben: die floundering period. Eine Phase, in der man zappelt wie eine Flunder. Vor zwei, drei Jahren war in den Zeitungen viel über die 'Generation arbeitslos' zu lesen, von jungen, gut ausgebildeten Menschen, die früh ihren Job verloren. Die Flundermenschen sind anders: Sie wurden nie arbeitslos, weil sie nie einen festen Job hatten."
Nikola Richter beschreibt in ihrem Buch, wie sie zappeln, wie sie verzweifelt nach dem Einstieg suchen, sich von Praktikum zu Praktikum hangeln, welche Strategien sie entwickeln, um in Bewerbungsgesprächen zu bestehen, wie sie versuchen, nach Niederlagen neue Anläufe zu nehmen: Linn kauft sich einen Visitenkarten-Ordner, Jasmin geht nach Polen, um von dort ihre Karriere zu starten, Victor pflegt sein Netzwerk mit Kontakten, jede Bekanntschaft kann mal nützlich sein:
"Jetzt sind wir alle noch kleine Fische, die durch die Maschen schlüpfen, aber wir sind der Nachwuchs. In zehn Jahren sind wir die Profis. Und dann ist unsere Zeit gekommen. Dann wird es sich auszahlen, dass wir uns kennen, dass wir unsere Namen und Positionsangaben haben."
Wer irgendwann dann doch drin ist im Boot, so wie Guilia, muss mit dem Neid derer leben, die noch draußen sind und versuchen, mit ins Boot zu steigen:
"Schick mir doch eine Liste mit deinen Qualitäten, und ich bau dich irgendwo ein. Ja, ich versuch das. Ich bin ja sozusagen ein Rädchen in der Institution."
Nikola Richter weiß, wovon sie schreibt, sie ist 1976 geboren, hat Germanistik, Anglistik und Komparatistik studiert und sich danach auf Praktika- und Jobmarathon begeben. Sie lebt in Berlin, wo es etwas leichter ist, ohne das große Geld zu leben. Sie leitet dort ein Online-Literaturmagazin. Auf dem Klappentext des Taschenbuches schreibt sie, dass sie "Geschichten schildern (will), die nicht fiktiv sind."
"Sie sind erlebt, ihnen liegt eine Wahrheit zugrunde."
Leicht, locker und temporeich sollen die Episoden sein - der Wille ist zu spüren, doch so richtig unterhaltsam sind die Erlebnisse der "Lebenspraktikanten" nicht, oft macht die Autorin einfach zu viel der Worte. Und ihre Figuren bleiben, trotz ihrer mitunter aufreibenden Lebenswege, über 190 Seiten seltsam blass und oberflächlich.
Dabei stecken richtige Geschichten hinter den Episoden. Am Ende beispielsweise macht Nils sich selbstständig, er besinnt sich auf einmal auf seine Wurzeln, seine Eltern stammen aus einem 400-Seelendorf "im fernen Südosten" - wie Nikola Richter schreibt. Er eröffnet einen Marktstand mit "Dönerkuchen", und alle Lebenspraktikanten dürfen ihm helfen. Schöne Aussichten: Aus der Generation Praktikum wird die Imbiss-Generation.
Nikola Richter: Die Lebenspraktikanten
Fischer Taschenbuchverlag 2005
192 Seiten, € Euro