Darüber spricht Gisela Steinhauer heute von 9:05 bis 11 Uhr mit Birgitta Neumann und Michael Rapp. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de oder auf Facebook und Twitter.
Zu Hause, im Heim oder in der Pflege-WG?
In Deutschland leben 1,5 Millionen Menschen mit Demenz-Erkrankungen. Ihre Zahl wird bis 2050 auf drei Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Wie können diese Patienten würdevoll versorgt werden?
Alzheimer – noch immer ist diese Form der Demenz unheilbar. Gerade deshalb trifft die Diagnose die Erkrankten und ihre Familien umso härter. Allein in Deutschland leben 1,5 Millionen Menschen mit Demenz-Erkrankungen, etwa 60 Prozent von ihnen leiden an Alzheimer.
Ihre Zahl wird bis 2050 auf drei Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Darauf macht auch der Welt-Alzheimertag am 21. September aufmerksam.
Wie können Menschen mit Demenz und Alzheimer würdevoll leben?
Wo ist dafür der beste Ort: Zu Hause, im Heim, in einer Demenz-WG?
Wo ist dafür der beste Ort: Zu Hause, im Heim, in einer Demenz-WG?
"Das Wichtigste ist, sich Beratung zu holen", sagt Birgitta Neumann von der Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg. Die Sozialarbeiterin und Demenzexpertin berät nicht nur Angehörige und Patienten; sie schult auch Fachpersonal und ehrenamtliche Helfer. Nach der Erkrankung ihres Vaters gründete sie 2009 zusammen mit anderen Angehörigen den Verein "Leben wie ich bin – Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Demenz e.V." – eine ambulant betreute Wohngemeinschaft.
"Unsere WG unterscheidet sich darin, dass sie selbstverantwortlich von den Angehörigen organisiert wird. Wir suchen als Angehörige die neuen Bewohner aus – nicht der Pflegedienst. Wir haben die Möbel besorgt – nicht der Pflegedienst; wir haben die Küche eingerichtet. Wenn der Pflegedienst nicht funktioniert, können wir ihn kündigen."
Den Patienten begleiten
Nach 30 Jahren Arbeit im Demenzbereich weiß sie, wichtig es ist, dass die Bedürfnisse der Patienten im Vordergrund stehen – und nicht die Regeln eines Heimes oder eines Pflegedienstes: "Jeder Mitarbeiter hat die Aufgabe, die Menschen bei dem zu begleiten, was sie selber möchten: Zum Beispiel beim Balkon pflegen, beim Staubsaugen, beim Kochen; dass sie es als ihr Zuhause empfinden und nicht als fremde Institution."
Ihre Erfahrung: "Wichtig ist, sich gut zu verstehen, gute Gefühle für einander zu entwickeln, das Verhalten zu akzeptieren. Man muss lernen – und das tut weh: Der Mensch, der eine Demenz hat, hat erst einmal Recht. Das ist eine der schwierigsten Übungen; aber, wenn man das hinkriegt, wird es viel leichter."
Ihr gesellschaftlicher Appell: "Wir müssen eine andere Kultur finden: Es funktioniert nicht mehr mit Pflegeheimen – wir brauchen andere Formen des Zusammenlebens."
Vorbeugen ohne Medikamente
"Man braucht Unterstützung", weiß auch Michael Rapp, Professor für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Potsdam. Er erforscht unter anderem die Prävention von altersbedingten Erkrankungen wie der Demenz. Sein Fokus liegt dabei auf der nicht-medikamentösen Vorbeugung, zum Beispiel durch Sport und Bewegung. "Bewegung kann präventiv sehr wirksam sein; es gibt eine ganze Reihe an Hinweisen, dass sie im frühen Stadium hilft. Sie führt zu einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und zu einer vermehrten Aktivität."
Der Mediziner beschäftigt sich seit langem mit der Behandlung von Demenzpatienten; unter anderem hat er das Gerontopsychiatrische Zentrum an der Berliner Charité mit aufgebaut, zuletzt war er Chefarzt am Asklepios-Klinikum in Brandenburg. Und er leitet die "Dyadem-Studie", ein bundesweites Pilotprojekt an der Charité: Hier wurden bisher 110 Paare begleitet, bei denen ein Partner an Demenz erkrankt ist. Das Ziel: "Wir erhoffen uns, dass die Lebensqualität der Betroffenen und der Angehörigen steigt, und dass die Zeit bis zur Einweisung in eine Pflegeeinrichtung verzögert wird."
Seine Hoffnung: "Wenn es gelingen könnte, mit der Erkrankung offen umzugehen und sie nicht als Stigma zu sehen, würde das dazu führen, dass sich auch in der Gesellschaft etwas verändert."
Zu Hause, im Heim oder in der Pflege-WG? – Leben mit Demenz