Leben mit den Vulkanen Islands

"Das Wichtigste – hab' niemals Angst!"

Eine Luftaufnahme vom 14.9.2014 zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt.
Eine Luftaufnahme zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt. © AFP / Bernard Meric
Von Carsten Schmiester |
Selten hat eine Naturgewalt so viele Menschen getroffen wie 2010, als der Eyafjallajökull ausbrach. Ganz Europa lag unter einer gigantischen Aschewolke. Die Isländer müssen täglich mit ihren Vulkanen leben - aber Angst haben sie trotzdem nicht.
Es klingt – und es ist bedrohlich! Als ob die Erde mit aller Gewalt krampfartig ausatmet, als ob sie keucht, mit Druck und mit Feuer und Asche! Island eben, 180 Vulkane, eine Handvoll davon weltweit bekannt, aber deutlich mehr, um die 30 nämlich, potenziell aktiv. Am wenigsten übrigens der bekannteste, der Eyjafjallajökull.
Inzwischen hat er sich beruhigt und sorgt trotzdem weiter für Aufregung. Unter Touristen, die sich den Vulkan unbedingt aus der Nähe anschauen wollen. Fast 80.000 waren es im vergangenen Jahr, es gibt ein kleines Museum und für Leute mit Geld die Chance, sich das Ganze von oben anzuschauen aus dem Hubschrauber. Sarah aus Australien hat diesen "Trip ihres Lebens" gerade hinter sich...
"Wir sind ganz oben direkt am Kraterrand gelandet. Da ist noch Dampf und man kann sehen, wo die Lava geflossen ist. Unglaublich, da bekommt man einen ganz anderen Eindruck."
Und mit diesem ganz anderen Eindruck fliegen sie dann alle schön wieder nach Hause. Jon Gudmunsson kann – und will das nicht. Er lebt am Fuß des benachbarten Vulkans, der Katla. Für die Isländer ist dieser Vulkan eine "sie", benannt nach einer Sagengestalt, keiner der besonders lieblichen. Der letzte große Ausbruch 1918 war derart gewaltig, dass im schlimmsten Moment mehr geschmolzenes Gletschereis zu Tal strömte und alles in seinem Weg zerstörte, als der Amazonas Wasser führt. Eigentlich wäre Katla mal wieder "dran" mit einem Ausbruch. Hoffentlich nicht, meint Jon, der den Ausbruch des Eyjafjallajökull aus der Nähe miterleben mußte.
Kleidung, Wasser, Dokumente - mehr darf niemand mitnehmen
"Ich war während des gesamten Ausbruchs wie betäubt. Erst hinterher fängst Du an, nachzudenken. Dass das schon eine tolle Erfahrung war, aber auch, dass diese eine Erfahrung völlig ausreicht."
Wobei ihm völlig klar ist, dass er wahrscheinlich weitere Ausbrüche erleben wird. Darauf sind alle Isländer vorbereitet. Es gibt Evakuierungspläne und ständige Übungen, die Routen stehen fest und es ist genau geregelt, was auf der schnellen Flucht vor Lava und Asche mitgenommen werden darf – nur das Nötigste natürlich, Kleidung, Wasser, Dokumente. Und auch für den Fall, dass ein etwas weiter entfernter Vulkan ausbricht, ist Jon gerüstet. Dann ist die Asche das Hauptproblem:
"Klar, ich habe immer eine volle Kiste mit hochfestem Klebeband im Haus. Damit kann ich die Fenster abdichten, im Fall des Falles. Denn die Vulkanasche ist so fein, sie kriecht förmlich ins Haus, durch jeden noch so kleinen Schlitz. Das kann hier jederzeit passieren."
Ohne große Vorwarnung. Natürlich werden die Gletscher und Vulkane Islands dauernd überwacht, jede kleine Erd- und Eisbewegung wird registriert und analysiert. Und trotzdem: Ausbrüche lassen sich nicht genau vorhersagen. Also sind die Isländer ständig auf den "worst case" vorbereitet, auf den schlimmsten Fall. Armann Höskuldsson ist Vulkanologe. Er hat weniger die Katla im Blick, eher die Bardarbunga, deren jüngste Aktivität erst im Februar vorüber war.
"Es wäre wirklich schrecklich, wenn es da zu einer großen Explosion käme. Denn dann hätten wir wieder eine riesige Aschewolke, die mit Sicherheit auch über Europa hinweg ziehen würde mit all' den bekannten Folgen. Und zusätzlich gäbe es noch eine wahre Sintflut aus geschmolzenem Gletscherwasser. Man sollte niemals Angst haben: Das ist unsere erste, zweite und dritte Priorität – hab' niemals Angst. Sie dir bewusst, was passieren kann und was du dann tun musst. Wenn du das alles weisst, dann passiert dir nichts."
Mehr zum Thema