Leben und schreiben in der DDR
Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann galten Anfang der 60er-Jahre als herausragendes Autorenduo der DDR. Ihre Ehe hielt aber nur sechs Jahre: Die Beziehung war von tiefer Liebe und Leidenschaft, aber auch von Konkurrenz geprägt, wie ein jüngst veröffentlichter Briefwechsel belegt.
Am 2. Juni 1958 schreibt Brigitte Reimann (1933 - 1973) an ihren Geliebten, den Schriftsteller Siegfried Pitschmann (1930 - 2002): "Ich bin sicher, dass Du und nur Du, jene andere Hälfte bist, nach der ich gesucht habe." Zu dieser Zeit sind beide noch mit anderen Partnern verheiratet. Doch bereits am 10. Februar 1959 geben sie sich in Petzow, Werder, das Ja-Wort. Trauzeuge ist der Cheflektor des Aufbau-Verlags, Günter Caspar, der mit "einer in rotes Ziegenleder gebundenen Boccaccio-Ausgabe" gratuliert.
In Petzow, wo seit 1955 das Schriftstellerheim "Friedrich Wolf" existiert, waren sich Reimann und Pitschmann zum ersten Mal begegnet. Das Heim, dessen Atmosphäre, wie Reimann schreibt, zuweilen "überhitzt" wirkt ("wir sind ja alle überempfindliche Leute"), wird zu einem magischen Ort, wo gearbeitet, geliebt, gelitten, aber auch immer wieder Abstand voneinander gesucht wird. Knapp sechs Jahre hält die Ehe. Und sie ist dank der zahlreich erhalten gebliebenen Briefe (Reimann 85 und Pitschmann 63) gut dokumentiert.
In Petzow, wo seit 1955 das Schriftstellerheim "Friedrich Wolf" existiert, waren sich Reimann und Pitschmann zum ersten Mal begegnet. Das Heim, dessen Atmosphäre, wie Reimann schreibt, zuweilen "überhitzt" wirkt ("wir sind ja alle überempfindliche Leute"), wird zu einem magischen Ort, wo gearbeitet, geliebt, gelitten, aber auch immer wieder Abstand voneinander gesucht wird. Knapp sechs Jahre hält die Ehe. Und sie ist dank der zahlreich erhalten gebliebenen Briefe (Reimann 85 und Pitschmann 63) gut dokumentiert.
Reimann glaubt, "niemals eine richtige Schriftstellerin" zu werden
Der Briefwechsel gibt Einblick in eine "Wahnsinns-Liebe" (Reimann), die allerdings vom ersten Tag an auch als Konkurrenz zwischen den Schreibenden erlebt wird. Während Reimann betont, ihr Mann sei ein "großer Dichter" und "hundertmal begabter" als sie, glaubt sie, "niemals eine richtige Schriftstellerin" zu werden. Doch sie arbeiten an gemeinsamen Hörspielprojekten und werden bald als intellektuelles Autorenduo gefeiert.
Als das Paar 1960 beschließt, nach Hoyerswerda zu ziehen, um am Entstehen der neuen Stadt teilzunehmen, wird ihr Liebesalltag von der Arbeit im Braunkohlekombinat "Schwarze Pumpe" stark belastet. Aus den Briefen erfährt man, dass chronischer Geld- und Zeitmangel, die physisch harten Schichtbedingungen – Reimann arbeitet bei den Rohrschlossern, Pitschmann in der Brikettherstellung – sowie die ehrenamtliche Arbeit, vor allem im "Zirkel Schreibender Arbeiter", der eigenen literarischen Produktion wenig Raum lassen.
Wirklich erschüttert aber wird ihre Beziehung durch die Schar männlicher Bewunderer, die Reimann selten auf Distanz zu halten versteht, und durch ihre intensive Beziehung zu einem anderen Mann, Hans Kerschek. Als Pitschmann sich auf eine Ménage à trois einlässt, ist die Liebe zu seiner Frau - für ihn "ein Ding auf Leben und Tod" - längst ernsthaft in Gefahr.
Dass der Leser nicht zum Voyeur wird, sondern teilhat an diesem Dialog in Briefen, liegt in der Offenheit begründet, mit der alle Lust- und Schmerzmomente mitgeteilt werden, die Seelenqual in der literarischen Produktion einander gebeichtet wird und Banalitäten wie Katastrophen des sozialistischen Alltags analysiert werden.
Sollte es ein Zuviel an Liebesleidenschaft geben, dann hatten Reimann und Pitschmann das seltene Glück, diesem Phänomen verfallen gewesen zu sein. Der Briefwechsel dokumentiert zwei Liebende, denen die Literatur auch Sinnbild für jene seltene Passion in Geist, Seele und Körper war.
Besprochen von Carola Wiemers
Kristina Stella (Hrsg.): "Wär schön gewesen!" Der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2013
312 Seiten, 24,80 Euro
Als das Paar 1960 beschließt, nach Hoyerswerda zu ziehen, um am Entstehen der neuen Stadt teilzunehmen, wird ihr Liebesalltag von der Arbeit im Braunkohlekombinat "Schwarze Pumpe" stark belastet. Aus den Briefen erfährt man, dass chronischer Geld- und Zeitmangel, die physisch harten Schichtbedingungen – Reimann arbeitet bei den Rohrschlossern, Pitschmann in der Brikettherstellung – sowie die ehrenamtliche Arbeit, vor allem im "Zirkel Schreibender Arbeiter", der eigenen literarischen Produktion wenig Raum lassen.
Wirklich erschüttert aber wird ihre Beziehung durch die Schar männlicher Bewunderer, die Reimann selten auf Distanz zu halten versteht, und durch ihre intensive Beziehung zu einem anderen Mann, Hans Kerschek. Als Pitschmann sich auf eine Ménage à trois einlässt, ist die Liebe zu seiner Frau - für ihn "ein Ding auf Leben und Tod" - längst ernsthaft in Gefahr.
Dass der Leser nicht zum Voyeur wird, sondern teilhat an diesem Dialog in Briefen, liegt in der Offenheit begründet, mit der alle Lust- und Schmerzmomente mitgeteilt werden, die Seelenqual in der literarischen Produktion einander gebeichtet wird und Banalitäten wie Katastrophen des sozialistischen Alltags analysiert werden.
Sollte es ein Zuviel an Liebesleidenschaft geben, dann hatten Reimann und Pitschmann das seltene Glück, diesem Phänomen verfallen gewesen zu sein. Der Briefwechsel dokumentiert zwei Liebende, denen die Literatur auch Sinnbild für jene seltene Passion in Geist, Seele und Körper war.
Besprochen von Carola Wiemers
Kristina Stella (Hrsg.): "Wär schön gewesen!" Der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2013
312 Seiten, 24,80 Euro