"Wenn es hoch kommt 150 Euro für den Monat"
Wenn sie mit ihrer Enkelin mal ins Kino geht, kommt Brigitte Köhler selbst kaum durch den Monat. Die 62-Jährige hat fast ihr ganzes Leben gearbeitet, wurde krank, nun lebt sie von Hartz IV. Auch bei anderen Beziehern dreht sich alles ums Geld - selbst für die Kinder.
"Ja, Tomaten, Paprika, keine Grüne und wenn es geht Suppengrün."
Jeden Donnerstag kommt Brigitte Köhler zu einer der 45 Lebensmittelausgabestellen der Berliner Tafel. Für den eher symbolischen Betrag von 1,50 Euro bekommt sie hier Lebensmittel.
"Na die ersten ein, zwei Male, da habe ich geweint. Ja, ja. Man muss erst mal diesen inneren Schweinehund überwinden, erst mal diesen ersten Schritt machen, wo viele sich sagen, ich gehe nicht betteln."
Die Bezüge reichen hinten und vorne nicht
Die 62-Jährige hat fast ihr ganzes Leben lang gearbeitet, dann wurde sie krank, nun lebt sie von Hartz IV. Das reicht vorne und hinten nicht.
"Ich muss von meiner Miete 70 Euro zuzahlen von meinem Hartz IV. Ich muss meinen Strom selber bezahlen, mein Telefon muss ich selber bezahlen. Meine Fahrkarte, die muss ich selber bezahlen, also ich habe so, ich würde mal sagen so gute 150, wenn es hoch kommt, für den Monat."
Brigitte Köhler kann sich einschränken, dass sei nicht das Problem, aber ihre Enkelin soll nicht allzu sehr darunter leiden, dass Omi ihr nichts bieten kann.
"Meine Enkelin kommt nächstes Wochenende. Ich habe es extra zum Monatsanfang, damit ich mit ihr wenigstens einmal ins Kino gehen kann. Und ich weiß, dass dieses Geld mir in der Woche darauf fehlt. Aber das ist mir egal, das muss das Kind nicht wissen. Denn viel kann ich leider Gottes für meine Enkel nicht tun."
Weihnachtspaket mit Süßigkeiten für die Kleinen von der Tafel
Auch das Weihnachtspaket mit Süßigkeiten für die Kleinen bekam Brigitte Köhler von der Tafel. Rund 180 Haushalte werden allein in dieser Ausgabestelle in Spandau jede Woche mit Lebensmitteln versorgt – manche dieser Haushalte bestehen aus über zehn Personen. Berechtigt sind alle, die Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder eine geringe Rente beziehen – und im Kiez wohnen – wie Carola Schliewe und ihre schwangere Tochter.
"Damals wollte ich hier erst gar nicht hin, ich hatte eigentlich Angst davor, was jeder hat, weil man schämt sich ja auch ein bisschen. Und ich hatte drei Kinder, und das hilft mir so sehr, ich bin so dankbar dafür, dass es die Leute überhaupt gibt. Ich habe mal ausgerechnet, ich zahle jetzt für meine Kinder, die bei mir noch leben und mit ihr zusammen sechs Euro und habe einen Wert von 30, 40 Euro in der Tasche. Wenn man sich das mal überlegt, da spart man richtig gut Geld."
Ortswechsel. In der Hellersdorfer Arche, einer ehemalige Plattenbauschule im Berliner Norden, gibt es keine Lebensmittel, aber an jedem Werktag ein kostenloses warmes Mittagessen für bedürftige Kinder und deren Eltern.
"Nudeln Bolognese, Paprika, Gurke, Melone... Wir packen immer 100 Teller raus und ich denke mal so 80 dürften das schon gewesen sein."
Zum Essen in die Arche
Die neunjährige Lina und ihre Mutter gehen täglich zum Essen hierher.
"Um Geld zu sparen, weil Mittagessen jeden Tag für vier Personen kostet ja auch, weil man muss ja Kartoffeln kochen und wenn es dann mal Fleisch oder irgendwas sein soll, bist du dann ja auch schon bei 10, 15, 20 Euro dabei, wenn es für alle reichen soll. Von daher gehen wir hier in der Woche essen. Und dafür gehen wir morgen ins Kino, dafür kann ich das dann mal mit den Kindern als Ausgleich machen."
Meist verbringen Lina und ihre Freundin Doreen ihre Nachmittage aber in der Hellersdorfer Arche. Dass sich alles immer ums Geld dreht, haben die beiden bereits verstanden.
"Ich finde schön, dass wir alles kostenlos haben, die Hüpfburgen – auch alles kostenlos. Weil die meisten kommen ja hierher weil sie nicht so viel Geld haben für Essen kaufen und so. – Und ich finde es schön, dass man sich da Kleider holen kann, also Sachen, wenn man nicht so viel hat."
"Wenn man mit Geld umgehen kann, dann reicht das"
Dennoch empfinden sich weder die Mütter von Lina und Doreen aus Hellersdorf noch Brigitte Köhler aus Spandau als arm. Jammern ist ihnen fremd.
"Wir müssen nicht knausern, wir müssen nicht hungern, soviel steht fest. Wir hungern nicht. – Wir haben so ein Budget 50 Euro die Woche, das reicht locker. Wenn man mit Geld umgehen kann, dann reicht das. Ich mach mir immer Umschläge jede Woche wie viel Geld ich habe. – Man kann nicht klagen, und wer klagt, der ist selber schuld, der erwartet zu viel."