Lebensentscheidungen in den Highlands und am Hochofen

Vorgestellt von Hannelore Heider |
"Hallam Foe" zeigt einen schrägen Teenager, der seine Umgebung observiert wie ein Detektiv, in einem Baumhaus lebt und seit dem Selbstmord seiner Mutter seinen Vater traktiert. Als er sich verliebt, gefährdet sein obskures Verhalten diese Liebe. "Karger" wurde mit Laienschauspielern in Risa gedreht und zeigt einen Stahlarbeiter, der wortkarg vor gewaltigen Entscheidungen steht.
"Hallam Foe - this is my Story"
GB 2007. Regie: David Mackenzie. Darsteller: Jamie Bell, Sophia Myles, Claire Forlani u.a. Länge: 96 min

"Hallam Foe" ist nach "Young Adam" der zweite Spielfilm von David Mackenzie und wieder wird eine Geschichte vom schwierigen Erwachsenwerden erzählt, wie es sie Hauptdarsteller Jamie Bell einst so beispielhaft mit "Billy Elliot" gelang. Seine Figur, Hallam Foe ist ein wütender, frustrierter junger Mann, der die Teenagerzeit eigentlich hinter sich hat. Doch er lebt auf einem Schloss in den schottischen Highlands wie ein feindlicher Fremder mit einer "bösen" Stiefmutter und seinem Vater, dem er den Selbstmord seiner Mutter nie verzeiht. Oder war es vielleicht Mord, damit der Vater die junge schöne Geliebte heiraten kann?

Hallam spioniert geschmückt wie ein Indianer allem hinterher, er hat keine Freunde und haust in einem Baumhaus, das niemand betreten darf und das mit den Devotionalien seiner Mutter geschmückt ist. So befremdlich das alles scheint, der Zuschauer versteht von Anfang an, was hinter dem merkwürdigen Gebaren steckt, auch wenn die Story im folgenden einige Thrillerelemente bereit hält.

Als Hallam wütend nach Edinburgh abhaut und sich als Küchenkraft verdingt, bleibt er bei seinen Gewohnheiten. Diesmal wird eine junge Frau, die ihn an seine Mutter erinnert, zum Objekt seiner obskuren Begierde, das er Tag und Nacht beobachtet. Doch unter der Hand wird eine echte Freundschaft aus dieser ungleichen Beziehung, die Hallam freilich mit seiner Spioniererei aufs Spiel setzt.

Hier ist einfach ein junger Mensch auf der Suche nach Liebe und Sicherheit, was uns Jamie Bell wieder mit emotionaler Kraft intensiv erleben lässt. Die Stadtbilder, aber auch schöne Naturaufnahmen sind so klar und realistisch, wie die intimen Szenen im Film, die funktional eingesetzte Musik kommt aus der aktuellen englischen Rockszene.

"Karger"
Deutschland 2007. Regie: Elke Hauck. Darsteller: Jens Klemig, Marion Kuhnt, Anja Dietrich u.a.

Das in Koproduktion mit dem MDR produzierte Spielfilmdebüt von Elke Haupt zeichnet einen präzis umrissenen Lebensabschnitt des 30-jährigen Rohrwalzers Karger aus Risa und zwar so glaubwürdig in Sprache und Atmosphäre, dass es ein kleines Glanzstück im deutschen Film geworden ist. Nach genauen Recherchen hat die junge Regisseurin ausschließlich Laien engagiert, die genau da leben, wo ihr Film spielt: in der sächsischen Klein- und ehemaligen Industriestadt Risa. Trotzdem bekommt man kein Laienspieltheater vorgesetzt und der Film ist auch mehr als eine gut recherchierte Sozialstudie, weil eine packende Geschichte dahinter steht.

Karger steht vor großen Veränderungen in einem Leben, das bisher ablief wie ein Räderwerk. Er war damit nie unzufrieden. Er ist ein Baum von einem Kerl, er weiß, was er am Hochofen zu tun hat, er hat Frau und Kind und am Samstag zieht er mit Jeansjacke aufs Konzert zu "Freygang", was Ostdeutschen durchaus ein Begriff ist.

Unversehens aber sitzt er vor dem Scheidungsrichter. Er muss befürchten, dass seine Frau mit einem andern Mann endgültig aus seinem Leben verschwindet und um den Umgang mit seinem Kind kämpfen. Es ist die Zeit der Abschiede, als auch der Vater stirbt und die ganze Belegschaft am Hochofen entlassen wird. Was macht da einer wie Karger? Dem Zuzusehen ist eine Freude, denn die Dialoge sind so glaubwürdig wie die Darstellerinnen der Frauen, die ihn auf diesem Abschnitt begleiten und mit Veränderungen viel besser klarkommen.

Karger ist kein Grübler und kein Zauderer, er redet wenig und sieht lieber zu, aber er jetzt muss er Entscheidungen treffen und das Unabänderliche anpacken. So authentisch und ehrlich wie möglich (wozu auch das "richtige" Sächsisch gehört), an Originalorten gedreht und mit wirklich talentierten Laien besetzt, kann dieser kleine Film ein wirklich großes Kinoerlebnis bescheren.