Frau Dr. mit 80
Mit 80 promovieren – Helga Schwarz hat es gemacht. Die Berlinerin hält wenig vom Ruhestand, dafür viel vom lebenslangen Lernen. Frau Dr. Schwarz ist die älteste Doktorandin, die die Humboldt-Universität in Berlin je betreut hat und die mit magna cum laude abgeschlossen hat.
Doktor Helga Schwarz ist Jahrgang 1936. Dass sie im hohen Alter einmal im Fach Bibliotheks- und Informationswissenschaft promovieren würde, war der Berlinerin so gar nicht in die Wiege gelegt: Die Mutter war Stenokontoristin, der Vater erst Kaufmann, später Banker.
"Als wir 1947 umgezogen sind, fiel mir das einzige Buch in die Hände, was meine Eltern damals hatten: Hitlers 'Mein Kampf'. Ich sage vollkommen entsetzt zu meiner Mutter: Wie kommt ihr denn zu diesem Buch? Und sie, ganz verlegen sagt sie: Ach weißt du, das hat uns der Standesbeamte zur Hochzeit geschenkt."
"Als wir 1947 umgezogen sind, fiel mir das einzige Buch in die Hände, was meine Eltern damals hatten: Hitlers 'Mein Kampf'. Ich sage vollkommen entsetzt zu meiner Mutter: Wie kommt ihr denn zu diesem Buch? Und sie, ganz verlegen sagt sie: Ach weißt du, das hat uns der Standesbeamte zur Hochzeit geschenkt."
Ihr Vorbild: Nobelpreisträgerin Marie Curie
Helga Schwarz trägt eine kunterbunte Bluse, hellroten Lippenstift, die weißen Haare kurz und schlicht. Ihr Ton ist stets freundlich, selbst wenn sie von den unschönen Erfahrungen in ihrem langen Leben berichtet. Etwa dass sie nach dem Abitur an einem naturwissenschaftlich-mathematischen Gymnasium am liebsten Physik studiert hätte. Ihr Vorbild war die Nobelpreisträgerin Marie Curie – aber es kam ganz anders:
"Ich war schlecht beraten. Ich habe gedacht, das ist für meine Eltern unerschwinglich, die Studiengebühren, andererseits wollte ich nicht so lange Zeit noch zuhause wohnen, ich wollte auch möglichst schnell selbständig sein. In meinem Elternhaus konnte mir niemand raten, da gab es niemanden, der studiert hatte, auch unter den Freundeskreisen nicht."
Sie hätte durchaus die Chance auf ein Stipendium gehabt, aber die Information bekam sie erst Jahre später. So lernte sie in den 50er-Jahren statt Kernphysik und Optik also einen Brot-und-Butter-Beruf: Bibliothekarin.
"Meine erste Stelle war in Oldenburg. An der pädagogischen Hochschule. Und als ich meinen Eltern sagte, dass ich diese Stelle angenommen habe, sagte meine Mutter als erstes: 'Na dann wirste wohl mal einen Lehrer heiraten!'"
"Ich war schlecht beraten. Ich habe gedacht, das ist für meine Eltern unerschwinglich, die Studiengebühren, andererseits wollte ich nicht so lange Zeit noch zuhause wohnen, ich wollte auch möglichst schnell selbständig sein. In meinem Elternhaus konnte mir niemand raten, da gab es niemanden, der studiert hatte, auch unter den Freundeskreisen nicht."
Sie hätte durchaus die Chance auf ein Stipendium gehabt, aber die Information bekam sie erst Jahre später. So lernte sie in den 50er-Jahren statt Kernphysik und Optik also einen Brot-und-Butter-Beruf: Bibliothekarin.
"Meine erste Stelle war in Oldenburg. An der pädagogischen Hochschule. Und als ich meinen Eltern sagte, dass ich diese Stelle angenommen habe, sagte meine Mutter als erstes: 'Na dann wirste wohl mal einen Lehrer heiraten!'"
Helga Schwarz ging ihren eigenen Weg
Geheiratet hat Helga Schwarz allerdings nie. Überhaupt beugte sie sich weder dem Zeitgeist noch dem – in Westdeutschland – gängigen Frauenbild. Sie ging einen emanzipierten eigenen Weg. So auch 1968. Da fing sie an, die Programmiersprache Fortran zu lernen.
"Damals beinhaltete das auch, dass man Lochkarten lochen musste, es gab ja noch keine Bildschirme, über die man hätte eingeben können, alles musste entweder ausgedruckt oder gelocht werden. Ich war dann in der Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik, wo ich das Fortran gut anwenden konnte."
So gehörte sie bald zu den Wegbereitern der Digitalisierung im Bibliothekswesen. Dieses mehrfache Talent: programmieren können, EDV verstehen und das Wissen um die Bedürfnisse und Strukturen von Bibliotheken prägte fortan ihr Berufsleben. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellte sie deshalb an, am Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin.
"Damals beinhaltete das auch, dass man Lochkarten lochen musste, es gab ja noch keine Bildschirme, über die man hätte eingeben können, alles musste entweder ausgedruckt oder gelocht werden. Ich war dann in der Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik, wo ich das Fortran gut anwenden konnte."
So gehörte sie bald zu den Wegbereitern der Digitalisierung im Bibliothekswesen. Dieses mehrfache Talent: programmieren können, EDV verstehen und das Wissen um die Bedürfnisse und Strukturen von Bibliotheken prägte fortan ihr Berufsleben. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellte sie deshalb an, am Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin.
"Das war eine ganz altmodische Bibliothek, die haben noch nach den preußischen Instruktionen von 1899 gearbeitet, und die Hauptverwaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte dieses Institut sozusagen verdonnert: Ihr müsst EDV einführen, ihr und das Geheime Staatsarchiv, ihr seid die letzten, die noch keine EDV haben, das geht so nicht, ihr müsst jetzt auf Datenverarbeitung umsteigen."
Doktorarbeit über "Deutsche Bibliotheksinstitut"
Davor hatte Helga Schwarz 17 Jahre lang am "Deutschen Bibliotheksinstitut" gearbeitet. Diesem renommierten Haus und den Gründen für seine umstrittene Schließung im Jahr 2000 hat sie ihre 500-seitige Doktorarbeit gewidmet.
Die Berliner Humboldt-Universität bewertete diese Leistung der 80-Jährigen mit magna cum laude, mit sehr gut. Seit Februar darf sich Helga Schwarz Doktor nennen.
"Natürlich schmeichelt es auch einem ein bisschen, dass man jetzt 'Doktor' ist, gebe ich ehrlich zu, ich bin ziemlich stolz, zumal die Universität dann auch gesagt hat: magna cum laude, das soll erstmal einer nachmachen."
Stolz kann die Pensionärin aber auch auf manch anderes sein. Denn sie ist trotz körperlicher Einschränkungen aktiver als manche Jungspunde. Tai Chi, Fitness-Studio und klassische Konzerte gehören ebenso dazu wie ihr allwöchentliches Engagement in einer Willkommensklasse, in der sie Grundschüler betreut: vor allem Kinder aus Syrien. Und aus Afghanistan:
"Ich habe im vorigen Sommer zwei elfjährigen Jungen erklären müssen, was ein Briefkasten ist. Da gibt es auch Briefe! Aber es gibt es keine Briefkästen. Da gibt man den Brief im Laden ab und da wird er abgeholt."
Auch selbst erkundet Helga Schwarz die Welt noch immer. Auf vielen Reisen, auch zu internationalen Konferenzen von Bibliothekaren, am liebsten aber auf Samoa. Dieser Südsee-Region gilt auch ihr neuestes Projekt:
"Ich würde so gerne richtig Polynesisch lernen. Ich kann ein bisschen schon, superinteressant! – 'Talofa' heißt 'Guten Tag', 'Tofasulfua' – 'Auf Wiedersehen'."
Stolz kann die Pensionärin aber auch auf manch anderes sein. Denn sie ist trotz körperlicher Einschränkungen aktiver als manche Jungspunde. Tai Chi, Fitness-Studio und klassische Konzerte gehören ebenso dazu wie ihr allwöchentliches Engagement in einer Willkommensklasse, in der sie Grundschüler betreut: vor allem Kinder aus Syrien. Und aus Afghanistan:
"Ich habe im vorigen Sommer zwei elfjährigen Jungen erklären müssen, was ein Briefkasten ist. Da gibt es auch Briefe! Aber es gibt es keine Briefkästen. Da gibt man den Brief im Laden ab und da wird er abgeholt."
Auch selbst erkundet Helga Schwarz die Welt noch immer. Auf vielen Reisen, auch zu internationalen Konferenzen von Bibliothekaren, am liebsten aber auf Samoa. Dieser Südsee-Region gilt auch ihr neuestes Projekt:
"Ich würde so gerne richtig Polynesisch lernen. Ich kann ein bisschen schon, superinteressant! – 'Talofa' heißt 'Guten Tag', 'Tofasulfua' – 'Auf Wiedersehen'."