Literatur
Reuters: Green olives painted with copper sulphate seuized by Italian police. Guardian 3. Feb. 2016
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Farbstoffe Sudan I bis IV in Lebensmitteln: Stellungnahme des BfR vom 19. November 2003
Müller-Maatsch J et al: Adulteration of anthocyanin- and betalain-based coloring foodstuffs with the textile dye 'Reactive Red 195' and its detection by spectrophotometric, chromatic and HPLC-PDA-MS/MS analyses. Food Control 2016; 70: 333e338
Ashok V et al: Determination of adulteration of malachite green in green pea and some prepared foodstuffs by micellar liquid chromatography. Journal of AOAC International 2014; 97: 1387-1392
Genualdi S et al: Method development and survey of Sudan I–IV in palm oil and chilli spices in the Washington, DC, area. Food Additives & Contaminants Part A 2016; 33: 583–591
Gao F et al: Determination of Sudan I in paprika powder by molecularlyimprinted polymers–thin layer chromatography–surface enhanced raman spectroscopic biosensor. Talanta 2014; 143: 344–352
Olives painted with copper sulphate top largest-ever Interpol-Europol list of fake food. Sydney Morning Herald 31. March 2016
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Meldungen im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel der letzten Monate.
Wenn Fischmedizin die Erbsen grüner macht
Das Auge isst bekanntlich mit: Für Lebensmittelpanscher sind Farbstoffe eine wichtige Option, um unappetitliche Ware wieder in alter Frische erstrahlen zu lassen. In ihrem Ideenreichtum greifen sie sogar zu Textilfarbe oder färbender Medizin.
Endlich ist es der Lebensmittelüberwachung gelungen, raffiniert gepanschten Färbemitteln auf die Schliche zu kommen. Sie wurden unter der Bezeichnung "Fruchtkonzentrat" importiert. Darin konnte erstmalig eine sogenannte Reaktionsfarbe namens Reactive Red 195 dingfest gemacht werden. Bei den intensiv leuchtenden Fruchtextrakten handelte es sich in Wirklichkeit also um einen illegalen Farbstoff, der sich aufgrund seiner Chemie ideal für Produkte wie Fruchtdesserts oder Sojawürstchen eignet.
Reaktionsfarbstoffe aus der Textilindustrie
Damit den Betrug keiner merkt, denn Farben sind bekanntlich mit bloßem Auge erkennbar, wurde die rote Reaktionsfarbe mit "natürlichen Farbstoffen" vermengt, in diesem Falle mit Rote-Bete-Extrakt. Um den Eindruck einer besonders hochwertigen Naturfarbe zu unterstreichen, gaben die Panscher bei den Zutaten auch noch "Hibiskusextrakt" an. Aber der war gar nicht drin. Die Abnehmer sollten glauben, sie könnten mit dem vermeintlichen Naturprodukt die unbeliebten E-Nummern umgehen. Echte Naturfarbstoffe funktionieren nicht so gut, sie sind empfindlich und verblassen schnell.
Verbreitet sind derartige Reaktionsfarbstoffe in der Textilindustrie: Reactive Red 195 reagiert mit dem Gewebe, durch die chemische Bindung ist es fest an die Baumwolle gekoppelt und kann nicht mehr ausgewaschen werden. Setzt man diese Sorte von Chemikalien Lebensmitteln zu, gilt Vergleichbares: Der Analytiker kann den Farbstoff aus dem gefärbten Produkt nicht mehr extrahieren und damit auch nicht mehr zuverlässig identifizieren – auch dann nicht, wenn er ihn sieht. Ein solches Erzeugnis wird fachsprachlich als analysenfest bezeichnet.
Die Identifizierung ist sehr schwierig
Der Betrug flog nur deshalb auf, weil skeptische Unternehmen das Färbe-Produkt vor dem Einsatz analysieren ließen. Solange das Präparat noch nicht ins Lebensmittel eingerührt ist, besteht die Chance, den Reaktionsfarbstoff zu identifizieren. Die Frage nach den gesundheitlichen Risiken muss offenbleiben. Es wurde nicht untersucht, bei Textilien interessiert das niemanden. Es gibt übrigens eine große Zahl von Reaktionsfarbstoffen, deren Einsatz in Lebensmitteln bisher nicht kontrollierbar ist.
Textilfarbstoffe sind für Panscher ein unerschöpflicher Fundus - insbesondere in Ländern, in denen Kleidung gefertigt wird. So tauchte unlängst Rhodamin B in eingelegten roten Rüben auf, wie das europäische Schnellwarnsystem mitteilt. Wer damit Seide leuchtend rot färbt, reicht es gern seinem Kollegen, dem Gemüsehändler durch. Nichts anderes gilt für die problematischen orangeroten "Sudan-Farbstoffe" – ebenfalls populäre und spottbillige Textilfärbemittel. Sie werden seit vielen Jahren immer wieder mal in Paprikapulver, Chilis, Tomatenmark oder auch Palmöl angetroffen – weil bessere Öl-Qualitäten schön rot aussehen.
Fischmedizin für die Erbsen
Neben Rottönen erfreuen sich bei den Panschern vor allem Grünfarbstoffe steigender Beliebtheit, weil sich damit Gemüse auffrischen lässt: So identifizierten Analytiker unlängst auf grünen Erbsen Malachitgrün. Da kommt so schnell keiner drauf, denn bei Malachitgrün handelt es sich um ein färbendes Medikament, mit dem gewöhnlich kranke Forellen behandelt werden. Wer fahndet schon nach Fischmedizin im Mischgemüse?
Je teurer ein Produkt, desto attraktiver für Fälscher. Grüne Oliven zum Beispiel. Unlängst hat die italienische Polizei gleich 85.000 Tonnen konfisziert - offenbar der größte Fall von Lebensmittelbetrug, den Interpol-Europol bisher aufgedeckt hat. Beschlagnahmt wurden Oliven vom Vorjahr, deren unansehnliches Äußeres mit einem Pflanzenschutzmittel aufgefrischt worden war: Mit grünem Kupfersulfat, einem giftigen Schwermetall.
Eine ganze Malerpalette für Garnelen
Ziemlich bunt trieb es ein chinesischer Anbieter, bei dem die EU-Grenzkontrolle stutzig wurde: Der Produzent hatte eine ganze Malerpalette unzulässiger Farbstoffe aufgeboten: Tartrazin, Gelborange, Cochenillerot A, Allurarot AC und Brilliantblau FCF. Alles nur, um seinen Garnelen eine verführerische Optik zu spendieren. Damit der Appetit auch wirklich beim Essen kommt, denn das Auge futtert bekanntlich mit. Mahlzeit!