Wenn selbst ein Ei zum Luxusartikel wird
Etwa 270 Euro im Monat verdient Patrick als Tankwart in Kapstadt. Davon muss er eine siebenköpfige Familie ernähren. Und das bei Lebensmittelpreisen, die so hoch sind wie in Deutschland. "Ich kann meinem Kind nicht mal eine Tüte Chips kaufen", sagt er.
Patrick: "Siehst du, 18 Eier kosten wieviel? 39 Rand! Ich liebe Eier, aber bei diesen Preisen muss ich mich geschlagen geben."
Patrick und ich stehen in einem Supermarkt vor Bergen eiergefüllter Pappschachteln. Desillusioniert zeigt der 30-Jährige auf das Preisschild. Umgerechnet 2,40 Euro für eine große Packung Eier. In anderen Supermärkten kostet die gleiche Packung sogar bis zu 5 Euro.
Eine Woche zuvor habe ich Patrick bei seiner Arbeit als Tankstellenwart kennengelernt. Wir kommen ins Gespräch – über Südafrika und die hohen Lebensmittelpreise. Er lädt mich direkt in einen kleinen Seitenraum der Tankstelle ein, wo ein Kollege gerade das Mittagessen für das siebenköpfige Team zubereitet. Kahle Wände. Ein Werbeplakat hängt schlaff in den Raum hinein. Darauf das Versprechen: Wer hier tankt, dem geht es gut. Patrick sitzt unruhig auf seinem Stuhl, lässt sein Handy durch die Finger gleiten und erzählt:
"Um Lebensmittel für meine Familie zu kaufen, gebe ich ungefähr 1500 bis 1800 Rand im Monat aus. Von meinem Gehalt bleibt mir nichts, absolut nichts zum Ansparen übrig."
Für seine Arbeit an der Zapfsäule kommt Patrick mit Trinkgeldern auf 4500 Rand, umgerechnet 270 Euro im Monat. Das muss reichen für sich, seine Freundin, die eigenen drei Kinder und seine beiden Neffen. Patrick möchte mir zeigen, was es heißt, mit 270 Euro sieben Mägen zu füllen. In ein paar Tagen werde ich ihn wiedertreffen. Wir wollen zusammen einkaufen gehen.
Muss die Politik mehr tun?
Im Regierungsviertel von Kapstadt. Ich frage mich: Wissen die Politiker überhaupt, was der Supermarktbesuch für Südafrikaner wie Patrick bedeutet? Und tun sie etwas? Pieter van Dalen sitzt für die größte Oppositionspartei – die Demokratische Allianz – im Parlament und im Landwirtschaftsausschuss. Er verteidigt die Politik:
"Wir schauen genau auf die Faktoren, die die Preise beeinflussen. Wir diskutieren das Thema oft und wo wir helfen können, tun wir es."
"Können Sie mir sagen, was beim letzten Mal besprochen wurde?"
"Wir haben einige Empfehlungen gemacht, welche weiteren Produkte mehrwertsteuerfrei verkauft werden sollen. Außerdem haben wir geschaut, wie wir die Herstellungskosten verringern können."
Seit 1991 gibt eine Liste mit inzwischen 19 Grundnahrungsmitteln, die mehrwertsteuerbefreit verkauft werden. Dazu gehören Milch, Brot – und auch Eier.
Van Dalen nennt drei Gründe, weshalb die Preise dennoch so hoch sind: der Strompreis, die Ölkosten, und den schwachen Rand. Allerdings: Südafrika stellt die meisten Lebensmittel selbst her. Meine Nachfrage, ob nicht auch Gier im Einzelhandel eine Rolle spiele, weist er zurück:
"Jeder der meint, es gäbe keinen Wettbewerb, kann die Wettbewerbskommission beauftragen. So läuft es nun einmal im freien Markt. Jeder hat die freie Wahl, wo er einkauft."
Der freie Markt als Wächter gegen überhöhte Preise. Wie weit die Gehälter des freien Marktes den Preisen des freien Marktes gewappnet sind, wird für mich spürbar, als ich Patrick, den Tankstellenwart, wiedertreffe.
Der Trick mit den Tütensuppen
Der Familienvater lebt im Township. Dorthin laufen – für mich zu gefährlich. Er holt mich deshalb mit dem Auto eines Freundes ab. Diesen Monat wartet er noch auf sein Gehalt. Heute reicht das Budget nur für das Allernötigste. Patrick läuft zwischen den Gängen hin und her, vergleicht Preise und Mengenangaben. Die Dose mit den Bohnen mustert er, stellt sie zurück, dafür greift er einen Liter Milch für seine Tochter. Vor jedem Preisschild das Gleiche: innehalten, rechnen, grübeln, entscheiden:
"Das ist im Angebot! Lass das hier nehmen. Ich ziehe den Preis vom anderen Angebot ab. Dann bin ich bei circa 200 Rand."
Um ehrlich zu sein, das ist ganz schön viel Mathe. Ich bin total verwirrt.
"Ja, du musst das machen. Wer nicht nachrechnet, zahlt mehr."
Am Regal mit den Tütensuppen verrät Patrick mir einen Trick:
"Weißt du, was ich mache? Ich öffne alle diese Packungen und mische sie in einer Dose."
"Du mischst also die billigen Suppen mit den teureren?", frage ich.
"Ja! Das muss man machen. Dann schmeckt es fast wie die teuren Suppen."
"In meinem Viertel gibt es einfach keinen Fortschritt"
Und dann stehen wir vor dem Regal mit den Eiern. Ich erzähle Patrick von meinem Treffen mit dem Politiker und davon, dass Eier sogar ohne Mehrwertsteuer verkauft werden. Da grinst er spöttisch. Er kann es nicht glauben, davon hat er noch nie gehört. Wir verstauen seine Einkaufstaschen im Kofferraum. Darin: Mehl, Reis, Margarine, Suppen und Milch. Eier hat Patrick zuletzt Anfang des Jahres gegessen. Er ist frustriert:
"Das tut weh. Ich kann meinem Kind nicht einmal eine Packung Chips kaufen. Denn ich weiß, das Geld reicht nur fürs Wesentliche. Ich bin kein undankbarer Mensch. Aber bei mir im Viertel, da gibt es einfach keinen Fortschritt."