Lebensmittelqualität

Elektronische Nase für Gewürze

Frau mit Schutzmaske wiegt Gewürze ab
Die Mischung macht's - der Sensor kann die falsche Zusammensetzung von Gewürzmischungen erkennen © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Von Anja Thompson |
Schimmelbefall im Pfeffer, gestrecktes Paprikapulver: Ein neuer Sensor soll aufwendige Laboranalysen beschleunigen. Er wird gerade bei der Bundesanstalt für Materialforschung- und prüfung entwickelt.
Eine große Produktionshalle im Osten Berlins. Ein intensiv-würziger Geruch erfüllt bereits den Eingangsbereich. In der Halle selbst ist es laut - die fünf Meter hohe Pfeffermühle zerkleinert gerade schwarze Pfefferkügelchen. Daneben rumpeln vier Mischer vor sich hin, jeder verarbeitet 500 Kilogramm Gewürze.
Michael Socha: "Bei uns ist es so, dass wir aus Rohwaren Mischungen für die Fleisch- und Wurstwarenindustrie herstellen, für die Fischindustrie, für Bäckereien und so weiter, die aus einzelnen Rohwaren bestehen, und diese Rohwaren werden bei uns zusammengemischt und werden dann nachher bei dem Fleischer, Metzger, Bäcker, Fischproduzenten in sein Produkt reingegeben. Und diese bestehen aus bis zu 70, 80 verschiedenen Komponenten."
Michael Socha ist Geschäftsführer bei Kahler Gewürze. Er hat es heute eilig. Auch im Produktionsalltag wünscht er sich, dass die Dinge schneller vorangehen. Zum Beispiel bei der Kontrolle der produzierten Gewürzmischungen. Laboranalysen können gut zwei Wochen dauern. Zu viel, findet Michael Socha.
"Wenn man da ein Gerät hätte, das sagen kann: hier ist etwas verkehrt zu einer Mischung, die vorher schon mal in diesem Gerät eingespeist worden ist, dann wäre das eine große Hilfestellung, weil das eine sofortige Analyse wäre und sofortige Fakten und Daten wären, die uns zur Verfügung stehen würden."
Carlo Tiebe arbeitet an der Entwicklung eines solchen mobilen Analysegeräts. Im Berliner Labor der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung bereitet der Chemiker Gewürzproben vor. Damit simuliert er schlechte Lagerbedingungen, die die Gewürze schädigen können.
Carlo Tiebe: "Momentan führe ich einen Verschimmelungsversuch durch, das heißt, ich habe ungünstige Lagerbedingungen eines Gewürzes vorbereitet."
Was ein Gewürz ausmacht, sind seine Aromastoffe. Öffnet man einen Gewürzbehälter, entsteht ein intensiver Geruch - die Geruch gebenden Substanzen entweichen als Gase. Mit Hilfe von Gasanalyseverfahren wollen nun die Wissenschaftler der BAM in Zusammenarbeit mit dem Analysegerätehersteller Environics die Qualität von Gewürzen beurteilen - im Schnellverfahren.
Grafische Darstellung der Zusammensetzung
Pestizide, Schimmelpilze und billige Füllstoffe soll der Sensor genauso schnell und einfach erkennen, wie die falsche Zusammensetzung einer Gewürzmischung.
"Man muss ja dieses Gewürz einer Maschine irgendwie vorlegen. Dazu haben wir dieses Edelstahlgefäß entwickelt. Das hat ein Volumen von 1000 Milliliter. In dieses Edelstahlgefäß wird die Probe hineingestellt und verschlossen, die Ventile der Gasleitungen werden geschlossen, um erst einmal eine Sättigung des Aromas in der Kammer zu erreichen. Ja, nach etwa 20 Minuten können wir diese Ventile öffnen. Synthetische Luft strömt dann in die Kammer, vermischt sich mit den Aromastoffen und transportiert diese dann über einen Partikelfilter hinaus zu der Messapparatur."

Im Pfeffer stecken über 20 Aromastoffe. Diese sollen einzeln bewertet werden. Dazu trennt ein Gas-Chromatograf in der Messapparatur das Gasgemisch vor. Im elektrischen Feld des Ionen-Mobilitäts-Spektrometers driften die ionisierten Gasmoleküle unterschiedlich schnell auf einen Detektor, je nach Masse und Struktur. Der Bildschirm des angeschlossenen Laptops zeigt die Messergebnisse sehr anschaulich in einer Grafik - als dreidimensionale Berglandschaft. Je höher ein Berg ist, um so größer ist die Menge des nachgewiesenen Stoffs im Gemisch. Das Spektrometer arbeitet so genau, dass es ein Molekül unter einer Billionen entdeckt. Also weniger als die berühmte Stecknadel im Heuhaufen.
Im Labor der Bundesanstalt für Materialprüfung vergleicht Carlo Tiebe, ob die gerade gemessene Probe mit der Referenz übereinstimmt. Am Laptop neben der Messeinrichtung öffnet er eine zweite Grafik.
"Das wäre jetzt die gleiche Pfefferprobe ohne Feuchteeinfluss und was ich jetzt hier auf jeden Fall schon mal sehe, sind wesentlich mehr Signale vom Aroma her und gerade die Signale, die zu Beginn hier detektiert wurden, die fehlen bei der Gewürzprobe, die ungünstig gelagert wurde. Also da gab es auf jeden Fall schon eine Änderung. Nur die genaue Auswertung steckt noch in den Kinderschuhen und wir arbeiten daran. Momentan befinden wir uns in dieser Projektphase, dass wir eine Datenbank anlegen."
Denn das Messgerät weiß noch nichts über die Gewürze. Es muss erst lernen, welche Geruchsstoffe zum Pfeffer gehören und wie diese variieren können – je nach Anbauland, Erntezeitpunkt und Wettereinfluss. Deshalb wird der Sensor trainiert, indem möglichst viele unterschiedliche Proben gemessen werden.
Sensor muss Gewürze erst kennenlernen
Je mehr Daten zu einem Gewürz vorliegen, umso genauer weiß der Sensor, wonach er suchen muss. Mit Hilfe von mathematischen Verfahren lernt das System, die unterschiedlichen Signalmuster auszuwerten und erstellt dabei nach und nach eine Geruchsdatenbank. Der Vorteil des mobilen Gewürzsensors liegt in der Schnelligkeit: von der Probenahme bis hin zum Ergebnis vergehen maximal 30 Minuten.
"Also diese Screening-Methoden ersetzen keinesfalls hochpräzise Analysemethoden. Aber sie dienen dazu um wirklich im Vorfeld, beispielsweise bei der Anlieferung festzustellen, gibt es Probleme oder gibt es keine Probleme."
Im Frühjahr soll der Sensor vor Ort bei Kahler Gewürze getestet werden.
Michael Socha: "Wo wir dieses Gerät auf jeden Fall einsetzen würden wollen, wenn es fertig ist, ist bei den hergestellten Mischungen, die ja dann aus bis zu 70, 80 Komponenten bestehen. 04:03 Wir könnten die Mischung sofort herstellen und wüssten dann sofort ob diese Mischung analog der Mischung ist, die der Kunde vorher bekommen hat."
So vielversprechend das Gerät ist, Michael Socha hatte sich die Auswertung von Gewürzproben anfangs einfacher vorgestellt. Bis das Gerät sicher weiß, anhand welcher Muster es die 70 Gewürzkomponenten bewerten soll, muss es noch einiges lernen.