Lebensmüde
Nick Hornby versammelt gleich vier Suizidkandidaten auf dem Dach eines Londoner Hochhauses. Sie treffen sich dort in der Silvesternacht, weil das Jahresende eine günstige Gelegenheit ist, um Schluss zu machen. Nachdem sie miteinander ins Gespräch kommen, verschieben sie ihren finalen Absprung bis zum Valentinstag.
Wer erst einmal mit dem Leben abgeschlossen hat, hat viele Möglichkeiten. Er lebt gewissermaßen nur noch zur Probe, muss also vor nichts mehr Angst haben. Das ist die Ausgangssituation im neuen Roman des britischen Erfolgsautors Nick Hornby, "A Long Way Down". Hornby versammelt gleich vier Suizidkandidaten auf dem Dach eines Londoner Hochhauses. Sie treffen sich dort in der Silvesternacht, weil das Jahresende eine günstige Gelegenheit ist, um Schluss zu machen. Doch nachdem sie miteinander ins Gespräch kommen, verschieben sie ihren finalen Absprung bis zum Valentinstag. Mal sehen, ob es dann immer noch Verzweiflungsgründe gibt.
Die vier, die sich so zufällig in Todesnähe begegnen, könnten kaum unterschiedlicher sein. Da ist zunächst der abgehalfterte Frühstücksfernsehmoderator Martin, der drei Monate Gefängnis hinter sich hat, weil er mit einer 15-Jährigen geschlafen hat. Er sitzt schon an der Dachkante und lässt die Beine baumeln, als Maureen auftritt, eine katholisch empfindende Mitfünfzigerin in cremefarbenen Bequemschuhen. Sie hat nicht mehr genug Kraft, ihren behinderten Sohn zu pflegen, der im Wachkoma vor sich hindämmert. Jess, die dritte im Bunde, ist eine pubertierende Nervensäge, Tochter eines hochrangigen Politikers. Sie kränkelt ein bisschen in Liebesangelegenheiten, leidet unter mangelnder elterlicher Zuwendung und darunter, dass ihre ältere Schwester eines Tages verschwunden ist. Und schließlich erscheint noch der Pizzabote JJ. Er ist Amerikaner und im Grunde seines Herzens ein von den Massen geliebter Popstar. Doch seine Band hat sich aufgelöst, seine Träume sind geplatzt, und die Freundin hat ihn verlassen. Weil ihm das als Selbstmordmotiv zu lächerlich vorkommt, erfindet er vor den neuen Kumpels eine unheilbare Krankheit, um damit anzugeben.
Die vier Lebensmüden haben nichts miteinander zu tun, müssen aber aus literarischen Gründen eine haltbare Notgemeinschaft bilden, deren Suizidentschlossenheit allmählich in kollektive Tatkraft überführt wird. Sonst gäbe es ja keinen Roman. Hornby erzählt monologisch, in stetem perspektivischen Wechsel. Das klingt, als sprächen seine Figuren direkt in ein Mikrophon, und ein Redakteur hätte anschließend ihre Berichte so geschnitten, dass sich aus den einzelnen Szenen eine fortlaufende Geschichte ergibt. Allerdings klingen die Stimmen ziemlich ähnlich. Alle geben sich locker-flockig, ironisch und ein bisschen böse, so wie Nick Hornby selbst, denn natürlich steckt der Autor mit seinen Erfahrungen in jedem von ihnen.
Wie Maureen hat er ein behindertes Kind, um das er sich kümmern muss. Wie Jess gilt auch er selbst als ewig Pubertierender, der nicht erwachsen werden will. Und auf die Pubertät folgt übergangslos die endlose Midlife-Krise, die bei ihm zu Literatur geworden ist. Mit Martin teilt er außerdem das zweifelhafte Vergnügen, als Prominenter auf der Straße permanent erkannt und angesprochen zu werden. Martin ist nach seiner Scheidung für seine Kinder ein abwesender, unbekannter Vater – auch das ist eine Erfahrung, die Hornby als Kind mit dem eigenen Vater machen musste. JJ, der so aussieht wie Rod Stewart in jüngeren Jahren, ist ihm jedoch von allen am nächsten. So war er selbst als junger, erfolgloser Schriftsteller mit Anfang Dreißig, als er nicht wusste, ob das Schreiben wirklich ein Lebensmodell für ihn wäre und was er ansonsten machen könnte.
Hornby sagt, er habe ein Buch schreiben wollen, das rockt. Das sagt er bei jedem seiner Bücher, denn das klingt nach Tempo, Rhythmus und Dynamik. Doch gerade daran mangelt es im neuen Roman. Die Depressionen erscheinen eher als Launen, denn als seelische Abgründe. Und wenn man schon die Eingangsverzweiflung nicht glaubt, dann ist der Entschluss zum Weiterleben auch nicht erstaunlich. "Warum machen wir das?" fragt Martin einmal, und Jess gibt ihm zur Antwort: "Keine Ahnung. Mal gucken. Bloß so zum Spaß. Dabei lernen wir doch was, oder? Über die anderen? Über uns selbst?" Die Frage aber, warum man so viel belangloses Gerede nachlesen sollte, ist damit noch nicht beantwortet.
Die vier, die sich so zufällig in Todesnähe begegnen, könnten kaum unterschiedlicher sein. Da ist zunächst der abgehalfterte Frühstücksfernsehmoderator Martin, der drei Monate Gefängnis hinter sich hat, weil er mit einer 15-Jährigen geschlafen hat. Er sitzt schon an der Dachkante und lässt die Beine baumeln, als Maureen auftritt, eine katholisch empfindende Mitfünfzigerin in cremefarbenen Bequemschuhen. Sie hat nicht mehr genug Kraft, ihren behinderten Sohn zu pflegen, der im Wachkoma vor sich hindämmert. Jess, die dritte im Bunde, ist eine pubertierende Nervensäge, Tochter eines hochrangigen Politikers. Sie kränkelt ein bisschen in Liebesangelegenheiten, leidet unter mangelnder elterlicher Zuwendung und darunter, dass ihre ältere Schwester eines Tages verschwunden ist. Und schließlich erscheint noch der Pizzabote JJ. Er ist Amerikaner und im Grunde seines Herzens ein von den Massen geliebter Popstar. Doch seine Band hat sich aufgelöst, seine Träume sind geplatzt, und die Freundin hat ihn verlassen. Weil ihm das als Selbstmordmotiv zu lächerlich vorkommt, erfindet er vor den neuen Kumpels eine unheilbare Krankheit, um damit anzugeben.
Die vier Lebensmüden haben nichts miteinander zu tun, müssen aber aus literarischen Gründen eine haltbare Notgemeinschaft bilden, deren Suizidentschlossenheit allmählich in kollektive Tatkraft überführt wird. Sonst gäbe es ja keinen Roman. Hornby erzählt monologisch, in stetem perspektivischen Wechsel. Das klingt, als sprächen seine Figuren direkt in ein Mikrophon, und ein Redakteur hätte anschließend ihre Berichte so geschnitten, dass sich aus den einzelnen Szenen eine fortlaufende Geschichte ergibt. Allerdings klingen die Stimmen ziemlich ähnlich. Alle geben sich locker-flockig, ironisch und ein bisschen böse, so wie Nick Hornby selbst, denn natürlich steckt der Autor mit seinen Erfahrungen in jedem von ihnen.
Wie Maureen hat er ein behindertes Kind, um das er sich kümmern muss. Wie Jess gilt auch er selbst als ewig Pubertierender, der nicht erwachsen werden will. Und auf die Pubertät folgt übergangslos die endlose Midlife-Krise, die bei ihm zu Literatur geworden ist. Mit Martin teilt er außerdem das zweifelhafte Vergnügen, als Prominenter auf der Straße permanent erkannt und angesprochen zu werden. Martin ist nach seiner Scheidung für seine Kinder ein abwesender, unbekannter Vater – auch das ist eine Erfahrung, die Hornby als Kind mit dem eigenen Vater machen musste. JJ, der so aussieht wie Rod Stewart in jüngeren Jahren, ist ihm jedoch von allen am nächsten. So war er selbst als junger, erfolgloser Schriftsteller mit Anfang Dreißig, als er nicht wusste, ob das Schreiben wirklich ein Lebensmodell für ihn wäre und was er ansonsten machen könnte.
Hornby sagt, er habe ein Buch schreiben wollen, das rockt. Das sagt er bei jedem seiner Bücher, denn das klingt nach Tempo, Rhythmus und Dynamik. Doch gerade daran mangelt es im neuen Roman. Die Depressionen erscheinen eher als Launen, denn als seelische Abgründe. Und wenn man schon die Eingangsverzweiflung nicht glaubt, dann ist der Entschluss zum Weiterleben auch nicht erstaunlich. "Warum machen wir das?" fragt Martin einmal, und Jess gibt ihm zur Antwort: "Keine Ahnung. Mal gucken. Bloß so zum Spaß. Dabei lernen wir doch was, oder? Über die anderen? Über uns selbst?" Die Frage aber, warum man so viel belangloses Gerede nachlesen sollte, ist damit noch nicht beantwortet.