"Rockmusik hat an Dampf verloren"
Er verkaufte 250 Millionen Tonträger und füllte die größten Stadien der Welt. Doch Robert Plant hat keine Lust mehr auf Rockmusik. Wofür sich der ehemalige Sänger von Led Zeppelin stattdessen interessiert, kann man auf seiner Solo-Platte hören.
"Rockmusik hat an Dampf verloren. Das damit verbundene Gedankengut hat seinen Höhepunkt überschritten und das Genre hat erreicht, was es erreichen konnte. Jetzt versuchen sich alle an einem Hybrid – was stellenweise auch gut klingt. Nur: Es ist kein Rock. Oder zumindest nicht das, was ich darunter verstehe."
Er klingt, als leide er unter Kulturpessimismus. Doch Robert Plant zieht lediglich einen Schlussstrich. Und zwar einen endgültigen. Unter die Zeit als Rock-Adonis und Frontmann von Led Zeppelin und unter die aktuellen Spekulationen über eine Reunion zum 50-jährigen Bandjubiläum 2018. Dem erteilt er eine deutliche Absage. Und wirkt sichtlich genervt. Genau wie bei der Frage nach einer Autobiografie, wie sie etliche Kollegen veröffentlicht haben.
"Früher waren Rockmusiker soziale Außenseiter, die auf offener Straße Leibesvisitationen der Polizei über sich ergehen lassen mussten. Und als ich 1969 mit John Bonham in Dearborn war, haben uns die Leute sogar angespuckt, weil wir Hippies waren. Weil wir eine Veränderung im System darstellten. Und das sind Geschichten, die ich nicht verkaufen will. Sie sind da, wo sie hingehören – zwischen den immer größeren Löchern meiner Ohren. Da werden sie auch bleiben."
Portale zu vergessenen Kulturen
Plant ist kein leichter Gesprächspartner. Der Mann, der wegen seiner Gesichtsfurchen, seinem weißen Bart und seiner grauen Locken etwas von einem grantigen, alten Löwen hat, redet am liebsten über Fußball, Blues-Helden, sein Interesse an Geschichte, Mystik und Legenden. Oder über magische Steine, Energiefelder, unterirdische Flüsse und antike Eichen. Das seien Portale und Türen zu einer vergessenen Welt:
"Durch sie können wir unser Bewusstsein schärfen und die Sachen um uns herum besser wahrnehmen. Wenn sie nicht mit dem Zug vom Flughafen gekommen, sondern zu Fuß gegangen wären, hätte das zwar Tage gedauert, aber sie hätten wahrscheinlich einige dieser wunderbaren geheimen Brunnen und Teile vom keltischen London entdeckt. Oder den Fluss Fleet überquert, der unter fünf Kilometer dickem Beton verläuft. Da sind so viele schöne Dinge, und ich schätze mich glücklich, dass ich genug Zeit habe, in solchen Sachen herumzustochern."
Zu "solchen Sachen" gehören auch die letzten drei Jahre, die er in Texas verbracht – und sich dort mit dem Indianerstamm der Comanchen angefreundet hat. Ein weiteres Portal zu einer vergessenen Kultur, die er auf "Carry Fire" thematisiert. Genau wie seine Trennung von Sängerin Patty Griffin. Und seine Ansichten zur modernen Welt, mit der er extrem unzufrieden ist. Sei es mit der Einwanderungspolitik der USA, einem Sicherheitswall wie ihn die Chinesen schon vor 2000 Jahren gebaut haben, aber auch mit dem Brexit, der Rückkehr zu Nationalstaaten und dem globalen Rechtsruck. Plant ist ein kritischer Beobachter, der deutliche Worte findet – und von einer Rückkehr in düstere Zeiten singt. Nur: Erklären möchte er das nicht.
"Ich habe Probleme damit, über meine Musik zu reden. Nicht, weil ich mich dafür schäme. Sondern weil da eine starke Intimität herrscht. Natürlich geht es um das, was heute passiert. Aber: Es zu analysieren wäre ein bisschen, wie zu Architektur zu tanzen. Und ich bin ja nur ein Sänger. Ich äußere mich in Reimen und in dreieinhalb Minuten. Wobei ich nichts ändern oder reparieren kann."
Kein Medium, um die Welt zu retten
Musik, so Plant, sei eh kein Medium, um die Welt zu retten. Sie sei Unterhaltung, aber auch die müsse einem Anspruch folgen und frische, originelle Ideen aufweisen. Gerade, wenn man so lange dabei sei, wie er. Ganz zu schweigen von Zeitgenossen, die nur noch das eigene Lebenswerk verwalten. Das tut Plant nicht. Er serviert einen Ansatz, der tatsächlich "Fire", also Feuer, birgt. Der ihn als ambitionierten Künstler und wachen Geist zeigt – mit einem atmosphärischen Mix aus Folk, Blues und TripHop.
"Es ist eine Menage à trois. Im Grunde sogar eine Menage à plus. Da sind ein Drone-Sound, aber auch all diese Beats. Als ich 1970 – mit 24 – zum ersten Mal in Marokko war, fing ich an, Berber-Musik zu hören. Die basiert auf Handtrommeln und Bendirs – Sachen, die wir bis heute benutzen. Hinzu kommt dieses Ding aus Bristol. Der Trance und all die Sachen aus der Welt von Tricky und Massive Attack. Das ist es, was wir verbinden. Und was sich immer weiterentwickelt."
Ab Februar 2018 auf Welttournee
An dieser Weiterentwicklung arbeitet er mit seiner festen Band, den Sensational Space Shifters. Und Gästen wie Seth Lakeman oder Chrissie Hynde von den Pretenders, die an einer Coverversion von Ersel Hickey mitwirkt. Einer von zahlreichen Höhepunkten eines starken Albums, das Plant ab Februar 2018 auf Welttournee präsentiert. Deutschland steht im Sommer auf dem Plan – während der Fußball-WM, die er als Vizepräsident des englischen Zweitliga-Vereins Wolverhampton Wanderes sehr genau verfolgt. Aber der eigenen Nationalmannschaft kaum Chancen einräumt.
"Das ist vorbei – und wahrscheinlich war es auch nie da. Was eine Schande ist, denn wir haben ein paar gute Spieler. Aber in den Spitzenclubs spielen nur Legionäre. Und deswegen hat die Elfenbeinküste größere Chancen auf den Weltmeistertitel als wir. Wir fliegen bestimmt wieder gegen eine Mannschaft wie Island raus."