Verstoßen und verachtet
05:23 Minuten
Frauen in Marokko ist Sex vor der Ehe verboten und ledige Frauen dürfen nicht abtreiben. Unterstützung vom Kindsvater oder vom Staat erhalten sie aber nicht. Aktivistinnen wehren sich gegen diese Ungerechtigkeiten.
Karima Nadir ist bekannt in Marokko – die Aktivistin kämpft schon lange für Menschenrechte im Königreich. Denn ausgegrenzt und diskriminiert ist sie selbst.
"Man sieht diese Menschen als Bürger zweiter Klasse an, als weniger menschlich. Die Frauen werden betrachtet, als ob sie ohne Moral und Ethik wären – verurteilt von der Gesellschaft wie eine Prostituierte – es ist nicht leicht."
Karima Nadir spricht von sogenannten "ledigen Müttern" – wie es in Marokko heißt. Gemeint sind Frauen mit unehelichen Kindern – ein Tabu in Marokko. Sex außerhalb der Ehe ist strafbar und sozial geächtet. Als ledige Mutter hat Karima Nadir auch deswegen das Kollektiv 490 mitgegründet. 490 – der Paragraf im marokkanischen Strafgesetzbuch, der Sex außerhalb der Ehe unter Strafe setzt. Und das hat weitreichende Folgen für die Kinder, erzählt Karima Nadir.
"Es ist hart. Stellen sie sich vor, wie grausam die Gesellschaft ist, die diese Kinder ausschließt und verurteilt und das kann dazu führen, dass die Kinder anfangen, sehr früh Drogen zu nehmen, oder sich aggressiv gegenüber der Gesellschaft zu verhalten – verständlich, wenn man bedenkt, wie aggressiv sich die Gesellschaft ihnen gegenüber verhält."
Aber noch ein Paragraf ist ein Problem – und zwar für die Kinder, erklärt Aicha Ech-Chenna. Die 80-jährige Frauenrechtlerin ist marokkoweit bekannt, sie kämpft seit über 30 Jahren für unverheiratete Mütter. Mit ihrer Nichtregierungsorganisation "Frauensolidarität" versucht sie, Mädchen und Frauen mit ihren Familien zu versöhnen, Ausbildung, Beruf, Wohnungen und Kinderbetreuung zu ermöglichen.
Aber noch ein Paragraf ist ein Problem – und zwar für die Kinder, erklärt Aicha Ech-Chenna. Die 80-jährige Frauenrechtlerin ist marokkoweit bekannt, sie kämpft seit über 30 Jahren für unverheiratete Mütter. Mit ihrer Nichtregierungsorganisation "Frauensolidarität" versucht sie, Mädchen und Frauen mit ihren Familien zu versöhnen, Ausbildung, Beruf, Wohnungen und Kinderbetreuung zu ermöglichen.
Denn das familiäre und finanzielle Sicherheitsnetz fällt für die Betroffenen oftmals komplett aus – und treibt manche zu Verzweiflungstaten. Meldungen von toten Säuglingen im Müll – grausige Nachrichten in Marokko, die Ech-Chenna umso mehr dazu antreiben, verzweifelten Frauen zu helfen. Trotzdem bleibe das Leben für die Frauen und Kinder schwer, sagt Aicha Ech-Chenna. Festgeschrieben durch das Gesetz:
"Der Artikel 446 sagt: Ein Kind, das in Unzucht geboren wurde, wird als Bastard angesehen und muss Bastard bleiben – selbst, wenn der Vaterschaftstest positiv war und der Vater sein Kind anerkennt – und das ist heute immer noch Gesetz!"
Mütter und Kinder werden ein Leben lang diskriminiert
Die Folge: In der Schule, der Universität oder beim Job – Mütter und Kinder werden ihr Leben lang diskriminiert, auch weil auf Ausweispapieren in Marokko normalerweise der Vater erwähnt werden muss. Sexualkundeunterricht in Schulen und mehr Aufklärung, das fordert Aicha Ech-Chenna schon seit Jahrzehnten – beides gibt es in Marokko nämlich nicht. Abtreiben ist verboten. Für ihr Engagement wird sie von Konservativen als Prostitutionsförderin gehasst, in den Straßen ihres Frauenhauses wird sie verehrt.
Wie von Fatim-Zara. Damals schickte ihre Mutter sie zu Aicha Ech-Chenna. Fatim-Zara ist nicht einmal 20, als sie schwanger wird. Von einem Jugendfreund aus der Nachbarschaft, der sie heiraten wollte. Als sie schwanger wird, will er nichts mehr von ihr wissen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist schwierig, erzählt sie.
"Meine Mutter hat gar nichts gesagt. Sie hat mich einfach nur angeschaut, geweint und gesagt: Warum hast du mir das angetan, Fatim-Zara?"
Doppelmoral der Gesellschaft
Fatim-Zara bekommt die Doppelmoral der Gesellschaft am eigenen Leib zu spüren. Die Nachbarn grüßen nicht, werfen ihr und ihrem Kind böse Blicke zu oder beschimpfen sie sogar auf offener Straße, sagt sie. Den Kontakt zum biologischen Vater ihres Kindes hat sie abgebrochen, weil er keinen Vaterschaftstest machen wollte. Das macht die junge Frau besonders wütend.
"Er lebt vor sich hin, das ist nicht wichtig für ihn. Er interessiert sich nicht für sein Kind, er ist frei, macht, was er will. Das ist nicht fair, das ist nicht fair."
Doch auch ein positiver Vaterschaftstest macht für viele betroffene Frauen in Marokko keinen Unterschied. Die Väter müssen weder Unterhalt zahlen, noch sich sonst kümmern. Weder die marokkanische Justiz, noch die Gesellschaft zieht die Väter zur Verantwortung. Daher sagt Frauenrechtlerin Aicha Ech-Chenna:
"Was sich ändern muss, sind nicht nur die Gesetze, sondern die Mentalität der Menschen."